Köln. Videos belegen: In der Nacht zum 19. Mai war ein Wolf im Stadtteil Ehrenfeld unterwegs. In der Folgenacht wurden in Rheinauen Schafe gerissen.

Jungwölfe wandern mehrere hundert Kilometer, wenn sie ihr Elternrudel verlassen. Da liegen dann auch Dörfer und Städte im Weg. In diesem Fall war es eine ziemlich große Stadt: In der Nacht zum vergangenen Mittwoch (19. Mai 2021) war ein Wolf in der Millionenstadt Köln unterwegs, und zwar gar nicht so weit vom Innenstadt-Bereich entfernt.

Experten sind sicher: Videoaufnahmen aus dem Stadtteil Ehrenfeld zeigen tatsächlich einen Wolf. Das berichtet das Landesumweltamt (Lanuv) an diesem Freitag (21. Mai 2021). Ob vier in der Folgenacht in den nördlichen Kölner Rheinauen gerissene Schafe ebenfalls auf das Konto eines Wolfes gehen, ist noch unklar. Das Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen bei Frankfurt untersucht Proben auf Speichelreste, also auf DNA-Spuren.

Polizeistreife entdeckte ein „wolfsähnliches Tier“

Aus der Nacht zum 19. Mai gibt es aus Köln gleich eine Reihe von Meldungen: Erst filmte eine Passantin um 0:10 Uhr mit ihrem Handy das Tier auf einer Straße in Ehrenfeld. Wenig später, um 0:18 Uhr, tauchte es auf dem Firmengelände von RheinEnergie in Neuehrenfeld auf. Eine kurze Sequenz aus einer Überwachungskamera zeigt, wie das Tier auf den Parkplätzen des Energieversorgers herumläuft und augenscheinlich einen Ausweg suchte. Irritiert steht der Wolf vor der geschlossenen Schranke des Betriebsrestaurants, peilt die Lage. „Das Restaurant hatte zu dem Zeitpunkt leider zu“, so eine RheinEnergie-Sprecherin.

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Damit nicht genug. Von einer Polizeistreife wurde im Stadtteil Bilderstöckchen um 2:19 Uhr ein „wolfähnliches Tier“ beobachtet, das sehr schnell vor einem Auto ausriss. Und gegen drei Uhr schließlich sah ein Autofahrer, wie ebenfalls ein „wolfsähnliches Tier“ eine Straße im Stadtteil Weidenpesch passierte und im Grüngürtel verschwand. Dann verliert sich die Spur - jedenfalls in jener Nacht. Donnerstagmorgen waren die toten Schafe in der Rheinaue gefunden worden. Dass sich das Raubtier auf Dauer im Stadtgebiet ansiedelt, schließen Experten aus: zu trubelig.

Nabu-Expertin: Tier machte gestressten Eindruck

Fachleute der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) haben die Videoaufnahmen begutachtet und bestätigt, dass es sich eindeutig um einen Wolf handelt. Ob Männchen oder Weibchen, alt oder jung, welches Tier genau - das lässt sich anhand der Aufnahmen nicht sagen., heißt es beim Landesumweltamt. Möglicherweise ergibt die Untersuchung der gerissenen Schafe einen Hinweis auf einen Wolf, der anderswo schon aufgefallen ist.

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„Es ist davon auszugehen, dass es sich um einen ‘Wanderwolf“ handelt“, erklärte Katharina Stenglein vom Naturschutzbund (Nabu) auf Nachfrage der Redaktion. Nach allem, was man bisher wisse, habe das Tier einen gestressten, einen irritierten Eindruck gemacht. Wie es in die Stadt gelangt sei, lasse sich nicht sagen.

Schon früher Wolfsmeldungen im Großraum Köln

Bislang zwei Rudel in NRW

Deutschlandweit ging das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zuletzt von 128 Wolfsrudeln aus, die meisten in Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen. Hinzukommen 35 Wolfspaare sowie zehn sesshafte Einzeltiere. Die Zahlen beziehen sich aufs Monitoringjahr 2019/2020. Rudel bestehen im Schnitt aus sieben Tieren, können auch kleiner sein .In NRW sind zwei Rudel bekannt, eines im Rhein-Sieg-Kreis und eines bei Schermbeck (Kreis Wesel). Am Niederrhein weiß man nur von einem Jungtier in 2020. Mit Eltern käme das Rudel also auf drei Tiere. Weitere einzelne Wölfe leben in der Eifel und wohl auch in der Senne. (dum)

Ganz allgemein gilt: „Wölfe nutzen auf ihren Wanderungen durchaus auch Straßen und Eisenbahngleise“, so Stenglein weiter. Das sei schlicht bequemer als der energieraubende Marsch querfeldein. „Dass Wölfe Dörfer und kleine Siedlungsbereiche passieren, kommt vor“, sagte die Expertin. Dass sie sich in größere Städte verirren, sei hingegen selten. Beispielsweise in Niedersachsen habe es das aber schon gegeben.

In Nordrhein-Westfalen war ein Wolf im März 2018 am Stadtrand von Duisburg gesichtet worden - in der Walsumer Rheinaue, jenseits von Bebauung. Auch im Großraum Köln ist nicht zum ersten Mal ein Wolf unterwegs: Im Juli 2019 war ein Tier rechtsrheinisch an der Wahner Heide von einer Wildkamera erfasst worden, als eine Grünbrücke über die A3 passierte. Und im Jahr 2016 riss ein Wolf in Rösrath, 25 Kilometer vor der Stadtgrenze zu Köln, zwei Ziegen.

Zahl der Wölfe bundesweit steigt, die der Sichtungen auch

Noch nie allerdings war ein Wolf in NRW so tief drin im städtischen Bereich entdeckt worden wie jetzt in Köln. Expertin Stenglein vom Nabu sagt, dass mit der steigenden Anzahl von Wölfe bundesweit auch die Zahl der Sichtungen steige. Eine Begegnung mit einem Wolf sei zunächst einmal nicht gefährlich: „Aber man sollte sich ihm nicht auch noch nähern.“ Gegebenenfalls solle der Wolf durch Lärm, etwa durch lautes Klatschen, vertrieben werden, rät Stenglein.