An Rhein und Ruhr. Der Impf-Stopp mit Astrazeneca löst bei Gewerkschaften Wunsch nach Schulschließungen aus. Auch Schüler plädieren für reinen Dinstanzunterricht.

Seitdem die Bundesregierung bekannt gegeben hat, die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin einzustellen, schlägt die Meldung weiterhin Wellen. Erste Rufe nach Schulschließungen werden laut. Die Stadt Hagen will ihre Schulen wegen der Entwicklung der Corona-Zahlen schließen. Auch die Stadt Dortmund hat einen solchen Vorstoß gewagt. Hier wurde der Antrag vom Land jedoch noch am Dienstagnachmittag abgelehnt. „Wenn ich könnte, würde ich alle Schulen in NRW zumachen“, lautet auch die klare Aussage von Sebastian Krebs, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW.

Atmosphäre unter den Lehrkräften angespannt

Die erste Reaktion von Krebs auf die Meldung von Montagnachmittag: „Um Himmels Willen, das zieht die gesamte Impfstrategie nur wieder weiter hinaus.“ Die Kollegen seien „zum Teil sehr angespannt und sauer“. Eine „gehörige Portion Angst“ erschwere gerade den Lehrkräften, die zur Risikogruppe gehören, den Arbeitsalltag. „Diese Nonchalance der Schulministerin macht einfach fassungslos“, sagt Krebs.

Bei der Schulmail des Landes sei ihm „wirklich die Kinnlade runtergefallen“. Dort heißt es, dass die Schüler die Selbsttests „nach Vorankündigung der Schule grundsätzlich bei Unterrichtsbeginn im Klassen- oder Kursverband“ selbst durchführen, „unter Aufsicht und Anleitung von Lehrkräften oder sonstigem schulischen Personal.“

Viele Fragen weiterhin offen

Jedoch sind diese weder geschult noch flächendeckend durch die Impfung geschützt. „Was passiert denn eigentlich, wenn Schüler positiv auf das Virus getestet werden? Was passiert mit dem Test selbst? So vieles ist nicht festgelegt, so vieles ist sehr planlos“, kritisiert der stellvertretende GEW-Vorsitzende.

300.000 Selbsttests sind bereits an über 600 Schuladressen verschickt worden. Insgesamt sollen die Schulen in NRW in diesen Tagen 1,8 Millionen Schnelltests bekommen, teilt das Schulministerium auf Anfrage mit.

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Von Matthias Korfmann und Stephanie Weltmann

Krebs fordert, dass die Lehrkräfte Unterstützung beim Testen von Fachpersonal, wie dem DRK oder aber auch niedergelassenen Hausärzten, bekommen sollen. Er könne vor allem nicht verstehen, weshalb die Inzidenzen scheinbar nicht mehr weiter als Richtwert gelten: „Woran halten wir uns denn aber dann? Ich kann nur den Kopf schütteln, bin enttäuscht und ratlos.“

Wunsch: Bestmöglich geschützt sein

Ratlosigkeit herrscht auch bei den Lehrkräften. „Wir fragen uns, was nun mit der zweiten Impfung ist, wie es nun weitergeht“, sagt Claudia Dagen, kommissarische Schulleiterin der Elsa-Brandström-Grundschule in Düsseldorf. Bereits 90 Prozent ihrer Kollegen seien geimpft worden. Viele davon seien auch nach der Impfung, aufgrund von Nebenwirkungen, ausgefallen. Angst, mit Astrazeneca geimpft worden zu sein, hätten sie und ihr Team jedoch nicht. Das Kollegium der Düsseldorfer Grundschule habe lediglich „den Wunsch, bestmöglich geschützt zu sein.“

Dies wünschen sich auch die drei Klever Christian Heinen, Mathis Spicker und Jakob Tauchmann, Schüler der zehnten Klasse eines Gymnasiums und einer Gesamtschule in Kleve.

Schüler plädieren auf Schließung

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Sie plädieren deshalb auf Schulschließung: Ihnen geht es dabei nicht um eine „Kein-Bock-Haltung“, sondern ernsthafte gesundheitliche Risiken. „Wir wollen wieder in die Schule, aber nicht unter diesen Umständen“, betont Jakob Tauchmann. Denn: Von den versprochenen Tests sei am Dienstag nichts zu spüren. „Die Schnelltests wurden versprochen ohne, dass nach meinem Wissen ein System für die Testung vorliegt.“ Gerade als Schüler der Abschlussklasse komme er trotz geteilter Kurse auf 50 bis 60 Schulkontakte die Woche. Und durch die Anfahrt werden es noch mehr. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien schwer zumutbar, findet Christian Heinen.

Seit Montag muss der Gymnasiast wieder von Kranenburg nach Kleve in die Schule fahren. „Es gibt wenige Überprüfungen, die Busse sind voll und einige Schüler stehen dicht an dicht und ziehen teilweise die Maske runter.“ Die Auslastung der Busse sei nicht geringer als vor Corona. Dabei sei die Schule im vergangenen Jahr immer besser geworden was das Home-Schooling angeht, meint auch Mathis Spicker. „Wir halten den Präsenzunterricht für reinen Aktionismus.“ Ein weiteres Problem, wer jetzt durch ein Attest von der Präsenzpflicht befreit wird, hat kaum eine Möglichkeit mit der Klasse mitzuhalten. „Es muss dann alles allein nachgearbeitet werden und das ist einfach nicht möglich.“

Schließung der Schulen als „letzte Maßnahme“

Das generelle Schließen von Bildungseinrichtungen dürfe jedoch nur eine „der letzten Maßnahmen sein, nachdem zuvor alle anderen Maßnahmen geprüft worden sind“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion vom Schulministerium NRW. Die weitere Öffnung der Schulen für den Präsenzunterricht sei vor allem für diejenigen Schüler, die seit Mitte Dezember 2020 überhaupt keinen Zugang zu ihren Schulen hatten, unter Berücksichtigung des derzeitigen landesweiten Infektionsgeschehens ein „wichtiger und verantwortbarer Schritt auf dem Weg zu mehr schulischer Normalität sowie zu mehr Stabilität und Regelmäßigkeit im Tagesablauf“.

Es gebe einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens, von der Bundesregierung über die Landesregierung „über alle gesellschaftlichen Gruppen, dass der Bildungsbereich Priorität hat“.

Grundsätzlich biete die Coronaschutzverordnung und die Coronabetreuungsverordnung die nötige Flexibilität, damit die zuständigen Behörden vor Ort bei hohen Inzidenzwerten die erforderlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz ergreifen könnten.