An Rhein und Ruhr. Für sie ist Homeoffice keine Option: Krankenpfleger und Erzieherinnen. So anstrengend ist ihr Joballtag unter Corona-Bedingungen heute.

Von Zuhause aus arbeiten – das Homeoffice – ist spätestens seit dem Lockdown im Frühjahr in aller Munde. Wer kann, arbeitet im eigenen Heimbüro. Es gibt aber viele Menschen an Rhein und Ruhr, bei denen Homeoffice keine Alternative ist, gerade im sozialen und medizinischen Bereich. Sie gehen mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit und kämpfen täglich mit den Folgen der Pandemie.

Die NRZ hat mit einer Erzieherin aus dem Rheinland und einer Krankenpflegerin aus dem Ruhrgebiet über ihre derzeitige Arbeitssituation unter Corona-Bedingungen gesprochen und gefragt wie hoch die Belastung für sie ist. Die Namen der Frauen haben wir geändert, damit es keine negativen Konsequenzen für sie hat, dass sie öffentlich so offen sprechen.

Melanie T., Erzieherin in einer Kita:

„Der erste Lockdown im März sah vor, dass Kitas geschlossen bleiben und nur eine Notbetreuung sichergestellt wird. Während der Notbetreuung „damals“ durfte jeweils nur eine erwachsene Person für die Betreuung jeder Gruppe zuständig sein, da die Gruppen aber nur rund zur Hälfte belegt waren, war dies auch noch machbar. Seit März dürfen Eltern nur noch in absoluten Ausnahmefällen die Einrichtung betreten (z.B. Elterngespräche oder Eingewöhnung neuer Kinder), was für das Personal sehr zeitintensiv ist. Kinder werden morgens von den Eltern an der Terrassentür übergeben, von uns dann umgezogen (vor allem Kleinkinder unter 3 Jahren), zum Händewaschen begleitet usw. Dafür ist morgens dann immer eine Person für zwei Stunden zuständig. Auch am Nachmittag werden die Kinder angezogen und von uns zur Tür gebracht, wenn sie abgeholt werden. Dies ist alles Zeit, die für wirkliche pädagogische Arbeit verloren geht.

Viele von uns sind besorgt, sich anzustecken, da wir während der Arbeit mit den Kindern keinen Abstand halten können und keine Masken tragen sollen. Ich bin vor allem besorgt, mich unbemerkt anzustecken und den Virus an Menschen weiterzugeben, die zur Risikogruppe gehören.

"Fühlen uns gar nicht mehr wahrgenommen"

Von der Politik und der Gesellschaft fühlen wir uns gar nicht mehr wahrgenommen. In den Medien dreht sich alles um den Schulbetrieb und Maskenpflicht an Schulen. Die Gesellschaft geht davon aus, dass „Kinder ja nicht so ansteckend seien“, unsere Sorgen und Ängste werden nicht wahrgenommen oder berücksichtigt. Man fühlt sich ziemlich alleine gelassen und versucht, Tag für Tag zu meistern, aber wir sind mit jedem Tag müder, weil sich für uns nichts verbessert oder uns erleichtert wird.

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Dringend verbessert werden sollte – nicht erst seit Corona – der Betreuungsschlüssel. Die meisten Bedürfnisse der Kinder kommen zu kurz, man muss ständig Prioritäten setzen und kann unmöglich allen Kindern gerecht werden. Kommt es vor, dass Personal ausfallen muss, haben wir die Option der Notbetreuung. Wir bitten alle Eltern, ihre Kinder zuhause zu lassen, falls es irgendwie möglich ist, oder sie so schnell es geht wieder abzuholen, um das Personal etwas zu entlasten.

Kaum Verständnis durch die Eltern

Eltern reagieren darauf oft sehr verständnislos und wütend, viele sind kaum noch bereit, ihre Kinder zuhause zu behalten. Auch verstehen viele nicht, dass kränkelnde Kinder nicht in die Kita gehören, zum einen, weil es sich um eine Infektion mit Corona handeln könnte, zum anderen aber auch, da sie das Personal anstecken könnten – und sei es nur mit einer starken Erkältung, sodass noch mehr Personal ausfällt. Das ist alles aber auch keine neue Problematik und schon seit Jahren so. Man wird in der Hinsicht einfach wie ein Dienstleister gesehen, der unter allen Umständen gefälligst funktionieren muss. Es ist einfach so anstrengend, sich neben der sowieso schon kräftezehrenden Arbeit noch mit so etwas befassen zu müssen. Die Rahmenbedingungen der pädagogischen Arbeit in Kitas werden seit Jahren immer schlechter und durch die Pandemie werden die Folgen noch verschlimmert.“

Sonja H., Krankenpflegerin in einem Krankenhaus:

„Wir hatten in den vergangenen Wochen ein deutlich höheres Arbeitsaufkommen, auch wenn wir noch nicht so viele Corona-Fälle bei uns hatten, was aber an der besonderen Ausrichtung des Hauses liegt. In der ersten Welle hatten wir keinen Corona-Fall bei uns, aber mittlerweile gibt es auch hier immer mal wieder Corona-positive Patienten. Diese werden, sofern es möglich ist, in andere Kliniken verlegt, dafür bekommen wir von den anderen Kliniken aber auch Patienten, um eine Überlastung zu verhindern. Die Lage bei mir und meinen Kollegen ist mal mehr und mal weniger angespannt. Sorgen macht sich aber jeder trotzdem irgendwie.

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Mit Schutzausrüstung sind wir jetzt ausreichend versorgt. Trotzdem müssen wir eine Strichliste führen, weil auch schon mal Masken und Desinfektionsmittel gestohlen wurden. Im ersten Lockdown mussten wir noch sehr ressourcensparend arbeiten, weil nicht genug Material vorhanden war.

"Vom Klatschen kann ich keine Miete bezahlen"

Die Wertschätzung für den Beruf empfinde ich als sehr gering. Und auch dieses kurzzeitige Klatschen hat nicht geholfen, vom Klatschen kann ich keine Miete bezahlen. Unter diesen schlechten Arbeitsbedingungen bekommt man auch kaum noch junge Leute in den Beruf. Die Pflege muss dringend attraktiver gestaltet werden. Einen Pflegebonus habe ich nicht bekommen und ich kenne auch niemanden, der einen Bonus bekommen hat. Es wäre auch nur eine sehr kurzfristige Belohnung und für mich ein Tropfen auf den heißen Stein.“