An Rhein und Ruhr. Das Fest im engsten Kreis: Viele Familien stellt der Corona-Weihnachtsplan vor große Probleme. Auch die Selbstquarantäne beschäftigt sie.

„Weihnachten wird anders, das ist klar“, sagt Katharina Michakowski. Die 63-Jährige aus Moers und ihr Mann haben vier erwachsene Kinder, alle haben Partner, zwei haben schon selbst Kinder. Auch Michakowskis Eltern leben noch. Alle versammeln sich normalerweise am ersten Weihnachtstag in Moers. Und in diesem Jahr? Nur im engsten Familienkreis, so stellen sich Bund und Länder das Weihnachtsfest in Coronazeiten vor. Doch mit der starren Begrenzung auf zehn Personen stellen sie viele Familien vor Probleme.

So wie die Familie aus Moers . „Meine Eltern sind beide über 90 Jahre alt“, erzählt Katharina Michakowski. „Soll ich ihnen jetzt sagen, dass sie dieses Jahr nicht kommen dürfen, weil wir dann über zehn Personen sind? Dann sind sie Weihnachten alleine in ihrer Wohnung und ihre Enkel und Urenkel haben sie dieses Jahr ohnehin kaum gesehen.“

Die Familie will sich in den kommenden Tagen Gedanken machen, wie sie Weihnachten so schön wie möglich und trotzdem coronakonform feiern kann. „Natürlich wollen wir uns auch nicht gegenseitig anstecken, wenn wir als große Familie zusammenkommen, vor allem meine Eltern nicht“, sagt Michakowski. Die Selbstquarantäne vorher sei für sie und ihren Mann eine gute Idee. „Wir sind im Ruhestand, da geht das, bei den vielen unterschiedlichen Berufen der Kinder und ihrer Partner ist es aber praktisch unmöglich.“

Größere Familien fühlen sich übersehen

Für mehr Realität plädiert auch Dr. Patricia Arndt, Sprecherin des Verbands kinderreicher Familien mit Sitz in Mönchengladbach. „ Wir hätten uns von der Politik gewünscht, dass gerade bei Mehrkindfamilien der Alltag mitgedacht wird“, sagt Arndt. So fühlten sich nun vor allem viele größere Familien übersehen, obwohl sie ein massives Interesse an der Eindämmung der Pandemie und die Regeln mitgetragen hätten. „Familien haben die Krise in den vergangenen Monaten abgefangen, Homeschooling und Homeoffice gemeistert“, so Arndt. „Sie unterstützen die Maßnahmen, wünschen sich aber, dass die ganze Bandbreite der familiären Landschaft bedacht wird.“

Ganz schnell sei man in kinderreichen Familien bei mehr als zehn Personen, auch wenn Kinder bis 14 Jahre nicht mit einberechnet würden. „Wer darf dann kommen und wer nicht? Das führt bei vielen dazu, dass sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen“, meint die Sprecherin. Um das Weihnachtsfest planen zu können, brauche es Handlungssicherheit.

„Ich finde, das ist eine abenteuerliche Idee“

Kinderreiche Familien, also alle Familien ab drei Sprösslingen, seien heute keineswegs eine Seltenheit, so Arndt. Jedes dritte Kind wachse mit zwei oder mehr Geschwistern auf, bundesweit gebe es 1,4 Millionen kinderreiche Familien. Insgesamt seien so bis zu acht Millionen Menschen möglicherweise von der Weihnachtsregelung betroffen.

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Damit die Feiertage so sicher wie möglich werden, haben Bund und Länder zudem zu einer möglichst mehrtägige Selbstquarantäne aufgerufen. Dr. Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik am Moerser Bethanien Krankenhaus, sieht diesen Vorstoß kritisch. „Ich finde, das ist eine abenteuerliche Idee.“ Die Politik könne die Weihnachtsferien nicht zwei Tage vorziehen und dann erwarten, dass Kinder ihre Freizeit nur in der Wohnung verbringen. „Da habe ich allergrößte Bedenken.“ Selbstverständlich müsse jeder Bürger alle unnötigen Kontakte einschränken. „Aber natürlich sollen die Leute rausgehen, spazieren und sich bewegen können.“

Über jedes Treffen nachdenken

Zumal infizierte Personen laut Voshaar teilweise erst nach fünf Tagen Symptome zeigen. „Das bedeutet: An Tag null sind einige Leute infiziert, ohne es zu wissen.“ Halte sich die komplette Familie dann in der Wohnung auf, steigere das die Ansteckungsgefahr. „Wir müssen einsehen, dass Weihnachten in diesem Jahr nicht so sein kann wie sonst“, so Voshaar. Die wichtigere Frage sei deshalb: „Wie schützen wir die Großeltern?“ Bei Treffen mit älteren Angehörigen sollte die Familie Masken tragen und lüften. Und sich fragen, ob Feiern in großem Rahmen wirklich sein müssen.

Bei Familie Herschfeld in Duisburg will man das Weihnachtsfest deswegen klein halten, Uwe und Corinna Herschfeld feiern mit ihren beiden Kindern und den Enkeln. „Unsere Tochter und unser Enkel leben ohnehin gerade bei uns“, erzählt Uwe Herschfeld. Schwieriger wird es mit seiner Mutter, die in einem Altenheim lebt.

Dort gab es gerade wieder einen Corona-Ausbruch. „Ich gehe davon aus, dass wir meine Mutter an Weihnachten nicht sehen und sie auch nicht zu uns holen können“, sagt der 61-Jährige. „Wir telefonieren oft und schreiben ihr Karten, auch an andere Heimbewohner, damit sie einen Grund zum Lächeln haben.“ Trotzdem halte sich die Vorfreude auf Weihnachten in Grenzen. „Aber wir werden das Beste draus machen“, so Herschfeld.

„Letztendlich entscheidet jeder selbst“

Abnehmen könne man Angehörigen die Entscheidung, ob sie ihre Lieben im Pflegeheim besuchen oder sie abholen, nicht, sagt Uwe Stoffels, Sprecher des Evangelischen Christophoruswerkes in Duisburg . „Letztendlich entscheidet jeder selbst.“ Grundsätzlich seien Besuche unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich. „Ich gehe davon aus, dass das auch bis Weihnachten so bleiben wird.“

Stoffels appelliert aber an das Verantwortungsbewusstsein der Angehörigen: Auch bei Familienfeiern außerhalb der Pflegeheime sei die Einhaltung der Hygieneregeln unverzichtbar. Das Christophoruswerk selbst hat alle zentralen Weihnachtsfeiern abgesagt. Trotzdem werde es Feiern und Gottesdienste in kleinem Rahmen geben – ohne Angehörige.