Aus den Niederlanden. Die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen in den Niederlanden ist stark gesunken. Der Lockdown kam zu spät, urteilt ein Facharzt für Mikrobiologie.

Weniger Corona-Fälle, weniger Krankenhausaufenthalte, eine niedrigere 7-Tage-Inzidenz: Der Mitte Oktober beschlossene Teil-Lockdown in den Niederlanden zeigt offenbar Wirkung. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist in den vergangenen Tagen stark gesunken.

Das geht aus der wöchentlichen Übersicht der niederländischen Gesundheitsbehörde RIVM hervor. Demnach gab es zwischen dem 3. und dem 10. November 43.621 Neuinfektionen, ein Rückgang von rund 32 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Da registrierte das NRW-Nachbarland noch 64.087 Infektionen innerhalb von sieben Tagen.

„Daran sehen wir, dass der Teil-Lockdown ziemlich spät kam“, erklärt Professor Alexander Friedrich, aus Deutschland stammender Facharzt für Mikrobiologie am Universitätsklinikum Groningen, im Gespräch mit der NRZ. Laut Friedrich hätten härtere Maßnahmen bereits früher ergriffen werden müssen, um die Zahlen schneller zu senken und früher wieder teilweise zu lockern. „Der größte Schaden entsteht aus meiner Sicht durch Zögern.“

Corona in den Niederlanden: Zweite Welle begann im September

Die zweite Corona-Welle begann in den Niederlanden bereits im September: Studierende gingen wieder an die Universität, Urlauber kehrten aus den Ferien zurück. Laut Friedrich haben sich in dieser Zeit besonders junge Menschen angesteckt – „das ging dann schnell über auf deren Eltern. Zwei Wochen später stieg die Patientenzahl in den Krankenhäusern“, sagt er.

Ende September folgte ein „Lockdown light“ : Restaurants mussten um 22 Uhr schließen, die Gruppengrößen für drinnen und draußen wurden reduziert, ein Mund-Nasen-Schutz dringend empfohlen. Mitte Oktober folgte die erste Verschärfung: Restaurants und Kneipen mussten nun komplett schließen, die Zahl der Supermarktbesucher wurde reguliert, ab 20 Uhr ist seither der Verkauf von Alkohol verboten.

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Am 27. Oktober meldete die Gesundheitsbehörde über 67.000 Neuinfektionen binnen einer Woche. Die Krankenhäuser waren überlastet, Notaufnahmen mussten zeitweise schließen, Patienten zum Teil nach Deutschland verlegt werden.

Professor Alexander Friedrich, Facharzt für Mikrobiologie am Universitätsklinikum in Groningen. 
Professor Alexander Friedrich, Facharzt für Mikrobiologie am Universitätsklinikum in Groningen.  © Privat

„Die ersten Maßnahmen haben nicht ausgereicht, um den R-Wert unter 1 zu bringen“, sagt Friedrich. Der R-Wert (Reproduktionszahl) gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person in einer bestimmten Zeiteinheit im Mittel ansteckt. Liegt der Wert über 1, steigt die Zahl der Neuinfektionen. Anfang November kamen weitere Maßnahmen hinzu : Auch Museen, Theater, Schwimmbäder, Vergnügungsparks und Zoos mussten schließen, in der Öffentlichkeit sind nur noch Treffen mit maximal zwei Personen erlaubt.

Die nun schwindende Zahl der Neuinfektionen zeigt einen Abwärtstrend. „Die Welle nimmt mittlerweile ab“, so Friedrich. Er vermutet, dass demnächst auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte, anschließend die Zahl der Intensivpatienten weiter sinken wird. „Ich denke, dass wir Mitte Dezember wieder im normalen Bereich mit den Zahlen sind.“

Facharzt für Mikrobiologie: Landesgrenzen sind irrelevant

Seit einiger Zeit Stufen die Niederlande Deutschland als Risikogebiet ein, vor nicht notwendigen Reisen ins Nachbarland wird gewarnt. Solche Warnungen würden aus Sicht von Friedrich regional deutlich mehr Sinn haben. Der Professor gibt ein Beispiel: Eine Reise von Rotterdam nach Groningen sei problemlos möglich, obwohl die Zahl der Infektionen in Rotterdam deutlich höher ist. Vor einer Reise in eine deutsche Stadt mit wenigen Neuinfektionen wird hingegen gewarnt.

„Das Virus macht keinen Halt vor Landesgrenzen“, sagt er. „Man muss epidemiologisch denken, nicht politisch.“ Entscheidend sei viel mehr die Mobilität der Menschen und wo die Gefahr einer Infektion besonders hoch ist. „Wenn jetzt zum Beispiel an Weihnachten massiv Leute über die Landesgrenze gehen, dann wäre das durchaus problematisch“, erklärt er. „Dann erwarte ich im Januar die dritte Welle.“