An Rhein und Ruhr. Goldschakal riss im August in Mülheim und später im September in Kranenburg am Niederrhein Schafe - offenbar ein Durchzügler,
Dieses Mal war es kein Wolf: Erstmals ist ein freilebender Goldschakal in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen worden. Das männliche Tier hat am 18. August auf einer Weide in Mülheim ein Schaf gerissen und Tage später auch noch mal ein Rehkitz, wie das Landesumweltamt (Lanuv) an diesem Freitag (30. Oktober 2020) berichtete. Das Tier ist dann vom Ruhrgebiet offenbar den Niederrhein raufgezogen.
Schafsrisse am 25. und 28. September in Kranenburg (Kreis Kleve) an der niederländischen Grenze konnten dem Goldschakal anhand von DNA-Spuren ebenfalls eindeutig zugeordnet werden, berichtet das Lanuv. Wissenschaftler vom Senckenberg-Institut in Gelnhausen bei Frankfurt hatten, wie in solchen Fällen üblich, Speichelreste untersucht. Das Tier war augenscheinlich auf der Durchreise.
Goldschakal - ein Gewinner des Klimawandels
Nanu, ein Goldschakal? Goldschakale sind eng mit Hunden verwandt. Sie sehen aus wie ein Mix aus Wolf und Fuchs, sind aber deutlich kleiner als Wölfe. Ihr Fell ist normalerweise goldgelb, mit Grau- und Rottönen. Goldschakale waren einst im Süden Europas zuhause, auf dem Balkan, sie ziehen aber zunehmend gen Norden. "Der Klimawandel ist ein Grund für die Ausbreitung des Goldschakals", erklärt Jörg Tillmann von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Laut DBU gibt es in Deutschland seit 1997 insgesamt 25 Goldschakal-Nachweise, mit steigender Tendenz. Einzeltiere sind in den ostdeutschen Bundesländern, aber eben auch Niedersachsen, Hessen oder sogar Schleswig-Holstein. Bei der DBU geht man davon aus, dass tatsächlich schon viel mehr der scheuen und nachtaktiven Gesellen in Deutschland unterwegs sind. Bei der Nahrung sind Goldschakale nicht wählerisch: Neben kleinen Säugetieren oder Vögel nehmen sie auch Fische und Frösche, Beeren und Mais.
"Ansiedlung dauert länger als beim Wolf"
Goldschakale sind durch die EU geschützt, wenn auch nicht so streng wie Wölfe. In NRW stehen sie nicht auf der Liste der jagdbaren Arten, dürfen also nicht geschossen werden. Dem Tier, das jetzt in entdeckt wurde, haben Wissenschaftler die Kennung GG010m zugeordnet. In Mülheim war es auch von einer Wildkamera fotografiert worden. Möglicherweise hatte der Goldschakal auch an eben jener Weide schon am Vortag des 18. August 2020 zwei weitere Schafe gerissen, heißt es beim Lanuv. Feststeht: Nach den Rissen einen Monat später in Kranenburg ist der Goldschakal in die Niederlande weitergewandert. Auch von dort gibt es Nachweise von "GG010m".
Für Naturschützer ist das Auftauchen eines Goldschakals in NRW nicht überraschend. "Erwartet wurde das schon länger", sagte Birgit Königs vom Nabu. BUND-Landesvorsitzender Holger Sticht nimmt die Nachweise als "schönes Beispiel dafür, wie sich eine Art ausbreitet, wenn sie unter Schutz steht". Dass sich ein einzelner Goldschakal oder gar ein Paar fest in NRW niederlässt, erwartet Stich zumindest in nächster Zeit nicht: "Das wird länger dauern als beim Wolf."
Schäfer zeigen sich besorgt
Grundsätzlich gilt eine Ansiedlung freilich als denkbar. Minusgrade im Winter können die Tiere ab, in Österreich haben sich Goldschakale bereits niedergelassen. "Sie benötigen als Lebensraum eine strukturiere Landschaft mit offenen Flächen. Reine und große Waldgebiete gehören eher nicht dazu", sagte ein Lanuv-Sprecher. Eine Ansiedlung in unmittelbarer Nähe zu Wölfen, also etwa rund um Schermbeck, schließen Fachleute aus - zu groß ist die Konkurrenz.
Dass sie mit ihren Tieren fortan auch auf durchziehende Goldschakale gefasst sein müssen, ist für Schäfer keine gute Nachricht. "Wir sehen das mit Sorge", erklärte Ortrun Humpert, die Vorsitzende des Schaftzuchtverbandes NRW, auf Nachfrage der Redaktion. "Wir wissen aus anderen Bundesländern, dass Goldschakale erhebliche Schäden anrichten können", so Humpert.
In diesen Fällen keine Entschädigung
Hinzukommt: Gerissene Schafe werden in diesen Fällen nicht finanziell ersetzt, weil es sich beim Verursacher - anders als beim Wolf - nicht um eine streng geschützte Tierart handelt, erläuterte der Lanuv-Sprecher. Er wies daraufhin hin, dass Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor dem Wolf grundsätzlich auch zum Schutz vor Goldschakalen, Füchsen und Hunden taugen - also etwa spezielle Elektrozäune. Halter von Schafen, Ziegen und Gehegewild in ausgewiesenen Wolfsgebieten und Pufferzonen könnten Fördermittel beantragen. Mülheim beispielsweise gehört freilich nicht zu diesen Gebieten.