An Rhein und Ruhr. Vornehmlich in der Schweinehaltung gehen Experten für NRW von jährlichen Zusatzkosten in Höhe von 350 bis 450 Millionen Euro aus.

Mehr Platz in den Ställen, wenn möglich Außenklima, Beschäftigungsmöglichkeiten: Der beabsichtigte Umbau der Tierhaltung in der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft hin zu mehr Tierwohl hat seinen Preis. Vornehmlich in der Schweinehaltung gehen Experten für NRW von jährlichen Zusatzkosten in Höhe von 350 bis 450 Millionen Euro aus, teilte das Umweltministerium in Düsseldorf auf Nachfrage der Redaktion mit.

Die Zahl orientiert sich den Angaben zufolge an Berechnungen auf Bundesebene und ist runtergebrochen auf die zuletzt etwa 6800 Schweinehalter mit rund sieben Millionen Tieren in NRW. Sie berücksichtige neben Umbaukosten auch laufende Kosten für deutlich höhere Tierwohlstandards, heißt es im Ministerium. So gelte es etwa zu bedenken, dass die betrieblichen Deckungskosten bei einem größeren Platzangebot pro Tier höher seien.

40 Cent zusätzlich je Kilo Schweinefleisch

Finanziert werden sollen die Zusatzkosten - jedenfalls langfristig - am Markt, sprich: durch den Verbraucher. NRW unterstützt ausdrücklich das geplante staatliche Tierwohlkennzeichen. Es soll dazu führen, dass Verbraucher bereit sind, mehr Geld auszugeben - bei Schweinefleisch ist von 40 Cent zusätzlich je Kilo die Rede. Ein konkreter Termin fürs staatliche Siegel ist allerdings immer noch nicht in Sicht (es gibt aber schon ein Siegel des Handels); im nächsten Jahr sollen weitere Weichen für die Einführung des staatlichen Siegels gestellt werden.

"Insbesondere in der Übergangsphase wird eine staatliche Unterstützung erforderlich sein", erklärte NRW-Staatssekretär Heinrich Bottermann (CDU). Die vom Bund jetzt angekündigten jährlichen Fördermittel von 300 Millionen Euro für Stallumbauten deutschlandweit seien eine "erste Grundlage". NRW selbst hatte kürzlich fünf Millionen Euro für Tierwohl-Investitionen in Ställe sowie Beratung und Forschung bereit gestellt. Zudem werden mit EU-Geld Sommerweidehaltung und Haltungsverfahren auf Stroh gefördert.

"Schweineställe der Zukunft" in Bad Sassendorf

Klar ist freilich: Das reicht noch nicht, was die finanzielle Unterstützung betrifft. Das Land NRW hatte seine neue Nutztierstrategie Anfang des Jahres vorgestellt. Bei der Landwirtschaftskammer im westfälischen Bad Sassendorf entstehen beispielhaft "Schweineställe der Zukunft". Unter anderem mit Wühlgarten und aufklappbarem Dach ("Cabrio-Dach") sollen sie landesweit Impulse für die Tierhaltung geben.

Einfach wird der Umbau der Landwirtschaft nicht. Nutztierhalter gerade auch in NRW durchleben schwierige Zeiten. Die in Brandenburg angekommene Afrikanische Schweinepest hat den zwischenzeitlich erholten Fleischpreis wieder zusammenbrechen lassen. Gerade die Zahl der Sauenhalter in NRW geht seit Jahren drastisch zurück, sie hat sich seit 2010 halbiert. Ferkel aus dem EU-Ausland drängen auf den Markt, der Preisdruck ist enorm.

Bauernpräsident Conzen mahnt Verlässlichkeit an

Mit Blick auf den Tierwohl-Umbau mahnte der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen Verlässlichkeit an. "Neue Ställe kosten sechs- oder gar siebenstellige Summen. Sie abzuschreiben, das dauert 20 Jahre", gab der Bauernpräsident gegenüber der Redaktion zu Bedenken. Zudem müsse unbedingt das Baugesetzbuch entsprechend geändert werden.

Conzen geht davon aus, dass auch Bauern die Tierhaltung aufgeben werden - insbesondere Sauenhalter. Insgesamt aber werde die Landwirtschaft die Herausforderung annehmen und für höhere Haltungsstandards in den Ställen sorgen. "Nur: Das gibt es eben nicht zum Billigpreis", betonte der Bauernpräsident.

Ministerin Heinen-Esser sieht große Bereitschaft

Auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist überzeugt, dass es in der Landwirtschaft nicht an gutem Willen mangelt - im Gegenteil. Mit allen Beteiligten wolle die Landesregierung "die Zukunft der Nutztierhaltung in NRW sichern: nachhaltig, tierwohlgerecht, wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert". "Ich erlebe eine große Bereitschaft bei den Landwirtinnen und Landwirten, diesen Prozess kraftvoll anzugehen", erklärte die Ministerin gegenüber der Redaktion.