Im Rheinischen Revier. Klimaschützer und Bergbaubetroffene drängen auf massive Änderungen der NRW-Leitentscheidung. Minister Pinkwart verteidigt Umsiedlungen.

Klimaschützer und Bergbaubetroffene haben weitere Proteste angekündigt, die von der NRW-Landesregierung angestrebten Weichenstellungen für die Tagebaue im Rheinischen Revier stoßen bei ihnen auf vehemente Kritik. "Die Proteste in den Garzweiler-Dörfern gehen jetzt erst richtig los, die Besetzer im Hambacher Forst werden wohl auch nicht zufrieden sein", erklärte Dirk Jansen vom Umweltverband BUND an diesem Donnerstag (8. Oktober 2020) der Redaktion.

David Dresen von der Initiative "Alle Dörfer bleiben" betonte: "Wir sind keineswegs entmutigt!" Von dieser Landesregierung habe man ohnehin nichts Gutes erwartet, sie verkenne klimapolitische Realitäten. Der Protest gehe weiter, versicherte Dresen - die Mahnwache in Lützerath bleibe "und das Baumhausdorf bei Keyenberg wächst".

Garzweiler-Aus im Jahr 2035?

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte am Dienstag einen Entwurf für eine neue Kohleleitentscheidung verabschiedet. Demnach bleibt es bei der Umsiedlung von fünf Dörfern für den Tagebau Garzweiler. Der Hambacher Forst bleibt erhalten ebenso die Ortschaft Morschenich, bis auf 50 Meter dürfen die Bagger an den Wald heranrücken. Über ein erstes Papier dazu hatte diese Redaktion bereits im August berichtet.

Alles in allem wird der Tagebau Hambach deutlich verkleinert und endet früher (Ende 2029). Mehr als eine Milliarde Tonne Braunkohle soll dort laut Leitentscheidung im Boden verbleiben. Inden soll ebenfalls "bis 2030" auslaufen, geringfügig früher als bisher vorgesehen. Für Garzweiler ist ein etwaiges Ende zum 31. Dezember 2035 vorgesehen, sonst soll der Tagebau bis zum bundesweiten Kohleausstieg am Jahresende 2038 betrieben werden.

Wirtschaftsminister verteidigt Umsiedlung

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) verteidigte an diesem Donnerstag die Umsiedlung von Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Beverath. Die Dörfer sollen bis 2028 den Garzweiler-Baggern weichen. "Der Bund hat die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler im Kohleausstiegsgesetz festgestellt", so Pinkwart.

Weil aber erst die bereits weitgehend unbewohnten Ortschaften im Süden des Tagebaus abgegraben werden, gewinne man mehr Zeit für eine sozialverträgliche Umsiedlung der noch etwa 800 Bewohner in den fünf Garzweiler-Dörfern, so Pinkwart weiter. Er wies auch darauf hin, dass die übrigen am Tagebau-Rand von Garzweiler verbleibenden Orte mehr Platz für ihre Entwicklung erhalten sollen.

Kohlegegner setzen auf die Gerichte

Klimaschützer halten es für komplett unnötig, dass noch Menschen für den Braunkohle-Abbau weichen müssen. Kritisiert wird an der Leitentscheidung u. a. auch der geringe Abstand zwischen Tagebau und Hambacher Forst. Laut Dirk Jansen vom BUND stehen die angestrebten Weichenstellungen der Landesregierung ohnehin unter einem "gewaltigen juristischen Vorbehalt".

Im Bereich Hambach gibt es mehrere BUND-Klagen, spannend könnte der Streit um die dann fällige Grundabtretung werden. Im Bereich Garzweiler haben Bürger ebenfalls angekündigt, gegen eine Enteignung zu klagen. Und bereits Anfang September hatte die Initiative "Menschenrecht vor Bergrecht" mit 36 Betroffenen Verfassungsbeschwerde gegen das Kohleausstiegsgesetz eingereicht.

Onlinebeteiligung bis Dezember

Endgültig beschlossen werden soll die Leitentscheidung im nächsten Jahr. An diesem Donnerstag wurde der Entwurf dem Landtag vorgestellt. Bis zum 1. Dezember läuft nun eine Onlinebeteiligung für Bürger, Städte und Gemeinden, Informationen gibt es hier.

Geplant sind zudem zwei Veranstaltungen direkt im Rheinischen Revier, bei denen der Entwurf präsentiert wird - am 15. Oktober in Erkelenz und 29. Oktober in Kerpen. Mit Blick auf den Infektionsschutz in Corona-Zeiten werde die Teilnehmerzahl begrenzt sein, heißt es. Die Veranstaltungen sollen aber im Internet übertragen werden.