Bocholt. Fahrräder sind in Zeiten der Corona-Krise heiß begehrt. Die große Nachfrage führt zu langen Lieferzeiten. Ein Besuch beim Fahrradhersteller Rose.
Die nächste Box kommt angerollt. In ihren kleinen Fächern steckt all das, was ein Rad werden soll. Gleich bekommen die noch nackten Felgen Narben, Speichen, Schläuche, Mäntel. Ein paar Meter weiter sind die Mechatroniker mit dem Zusammenbau des Rahmens beschäftigt. Die Mitarbeiter vom Bocholter Fahrradhersteller Rose können sich kaum retten vor Arbeit. Denn: Die Fahrradbranche zählt zu den Gewinnern der Corona-Krise. Das bestätigt auch der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV).
Und Rose besonders: Als die örtlichen Fahrradhändler während des Lockdowns zwischenzeitlich ihre Geschäfte schließen mussten, ging bei Rose der Verkauf weiter: 80 Prozent des Umsatzes wird hier online erzielt. Für einen Fahrradhändler ist das ungewöhnlich, schließlich schätzen viele Kunden normalerweise das Ausprobieren und Anfassen des neuen Fortbewegungsmittels.
Doch bei dem expandierenden Bocholter Unternehmen ist das anders, hier werden Räder in der Regel konfiguriert. Vom Sattel bis zum Rahmen können sich Fahrradfahrer ihr Gerät zusammenstellen.
Fahrrad Rose: Neue Mitarbeiter gesucht
Das soll sich in Zukunft etwas ändern. Weil Fahrradfahren nicht mehr nur etwas für Sportbegeisterte ist, sondern sich immer mehr zum Lifestyle entwickelt, sollen zukünftig mehr Räder in Serie gebaut werden. Die Arbeitsabläufe dafür werden derzeit in den Produktionshallen angepasst. Das spart am Ende Zeit.
Rennräder und Mountainbikes sollen allerdings weiterhin individuell konfigurierbar sein. Diese werden dann an sechs Stationen zusammengebaut. Für die Montage eines Elektrofahrrades braucht man laut Produktionsleiter Stefan Strauss rund vier bis fünf Stunden, für ein von der Ausstattung her spärlicheres Rennrad fallen nur eineinhalb bis zwei Stunden an.
Nur: Bis das Fahrrad beim Kunden ist, dauert es aktuell. Derzeit müssen Interessenten länger als gewohnt auf ihre bestellten Fahrräder warten, weil sich die Lieferzeiten von Rahmen und Zubehörteile verzögern, weil mehr Menschen in Zeiten von Klimaschutz und Corona-Pandemie das Rad für sich entdecken und weil die Mitarbeiter weiterhin unter Hygienevorschriften arbeiten. Lieferzeiten von drei Monaten und mehr sind keine Seltenheit, erklärt Unternehmenssprecherin Sarah Terweh.
Fahrräder aller Art werden stark nachgefragt
Die hohe Nachfrage führte auch dazu, dass die Mitarbeiter vor allem in der Produktion Überstunde um Überstunde schoben, um die Aufträge abzuarbeiten. Auch in der Werkstatt stapeln sich die Aufträge, ohne Vorab-Termin ist hier nichts zu machen.
Die für das Jahr 2020 angepeilte Umsatzprognose von 120 Millionen Euro dürfte daher um einiges höher ausfallen, ist die Unternehmenssprecherin überzeugt.
Auch zusätzliche Einstellungen von Mitarbeitern wird es wieder geben. Bereits in diesem Jahr wurden rund 80 Mitarbeiter neu eingestellt, allein in der Produktion waren es 20. Insgesamt arbeiten bei dem Bocholter Unternehmen rund 480 Mitarbeiter als Entwickler, Einzelhandelskaufleute, Logistiker oder Zweiradmechatroniker. Demnächst zieht die Produktionseinheit in eine neue, größere Halle um.
Beratung per Videosprechstunde
Insgesamt seien Fahrräder aller Art nachgefragt, vom Mountainbike bis zum nützlichen Stadtfahrrad. Und sogar die Rollentrainer, in die man sein Fahrrad einspannen und dann auf der Stelle im eigenen Wohnzimmer fahren kann, waren laut Unternehmen kurzzeitig ausverkauft. Die Nachfrage, so die Unternehmenssprecherin, stieg schon relativ früh, seit April halte der Fahrradboom an.
Die Corona-Krise nutzte der Bocholter Fahrradentwickler aber auch, um neue Formate auszuprobieren. So konnten Kunden per Videosprechstunde Beratung in Anspruch nehmen, die Räder wurden per Video vorgeführt. Wer seinen Körper für die Fahrradkonfiguration selbst vermessen wollte, konnte sich Hilfe in Erklärvideos holen.
Auf den Radwegen wird es eng
Wenn nun viele Menschen das Fahrrad nutzen, wird es allmählich auch voll auf den Radwegen. Der ADFC fordert deshalb mehr Platz.
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„Die Flächen müssen daher breit genug sein, damit Radfahrende nebeneinander fahren und überholen können. Schnelle Lösungen sind Pop-Up-Radwege, mit denen Städte zeigen können, wie schnell und günstig man sichere Bereiche für Radfahrende schaffen kann“, sagt ADFC-Sprecher Ludger Vortmann im Gespräch mit der NRZ. „Was wir auf jeden Fall brauchen, ist mehr Platz für mehrspurige Fahrräder, Transport- und Lastenräder sowie Räder mit Anhängern.“
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Auch der Zweirad-Industrie-Verband spricht sich dafür aus, „in eine einladende und sichere Fahrradinfrastruktur zu investieren“.