An Rhein und Ruhr. Wegen der Corona-Pandemie ist auch die Grippeimpfung besonders wichtig. Anstieg bis zu 30 Prozent erwartet. Aber nicht jedem wird sie empfohlen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein rechnet in diesem Herbst mit einem deutlichen Anstieg der Grippe-Impfzahlen. Man gehe auf Grundlage der Vorbestellungen der niedergelassenen Ärzte davon aus, dass die Nachfrage um 20 bis 30 Prozent steigen werden, heißt es auf NRZ-Anfrage. Für die Praxen sei das eine gewaltige Herausforderung mitten in der Corona-Pandemie.
Im vergangenen Jahr hatte sich etwa jeder achte gesetzlich Versicherte in NRW impfen lassen. Das geht aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Nordrhein und Westfalen-Lippe hervor. Wichtig sei die Impfung vor allem für die Risikogruppen. Doch viele in dieser Gruppe waren bislang eher Impf-Muffel. „Die Impfquoten in diesen Gruppen sind bedauerlicherweise in den letzten Jahren nicht ausreichend gewesen und lagen in der Grippesaison 2018/19 bei 35 Prozent bei den über 60-Jährigen, und 20 bis 50 Prozent bei den chronisch Kranken“, sagt ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. „Dagegen steht die Empfehlung, dass sich alle Menschen dieser Gruppen impfen lassen sollten“.
Impfen ab Oktober auch in Apotheken möglich
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Ab Anfang Oktober sollen sich erste Krankenversicherte auch in Apotheken impfen lassen können. Der Apothekerverband Nordrhein hatte den Modellversuch gemeinsam mit der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg angekündigt. In den vier Modellregionen Essen/Mülheim/Oberhausen, rechter Niederrhein mit Duisburg, Düsseldorf und Umgebung sowie im Bonn mit Rhein-Sieg-Kreis werden rund 130 Apotheken an dem Vorhaben teilnehmen, wie der Verbandsvorsitzende Thomas Preis erklärt.
Derzeit werden die Apotheker in ärztlichen Schulungen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Im Oktober sollen weitere Schulungen angeboten werden. Mit den Nachrückern könnte die Zahl dann auf etwa 200 steigen. Das Angebot ist zunächst nur für AOK-Versicherte möglich, es seien aber bereits Anfragen von anderen Krankenkassen eingegangen, so Preis.
Grippe und Corona: Hochriskante Doppelinfektionen
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Es sind noch mehrere Wochen bis im Herbst die Grippe-Zeit beginnt. Aber weil in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie so vieles ganz anders ist, könnte auch diese Grippe-Saison eine sehr besondere Herausforderung werden, fürchten viele Gesundheits-Experten. Denn noch ist nicht klar, wie gefährlich es wird, wenn Grippe und Corona gleichzeitig oder nur kurz hintereinander auf ein Immunsystem wirken. Das Robert-Koch-Institut (RKI) warnt bereits vor hochriskanten Doppelinfektionen. Zugleich bestehe die Gefahr, dass das Gesundheitssystem eine größere Grippewelle während der Corona-Pandemie nicht verkraften könne.
Umso wichtiger könnte eine Grippeschutzimpfung in diesem Jahr sein. Jüngst hatten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Kinderärzte zur verstärkten Grippe-Impfung geraten. Gleichzeitig warnt der Apothekerverband Nordrhein: „Es ist nicht sinnvoll und notwendig, dass sich nun jede und jeder gegen Grippe impfen lässt.“
Impf-Empfehlung trotz Corona unverändert
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Denn nicht jedem wird eine Impfung unbedingt empfohlen: Die Ständige Impfkommission (Stiko) beim RKI bleibt trotz Corona dabei: Nach wie vor wird nur bestimmten Menschen eine Schutzimpfung empfohlen. Nämlich Älteren ab 60 Jahren, Schwangeren, Risiko-Patienten, chronisch Kranken und Angehörigen von Berufsgruppen mit viel Kontakt zu anderen Menschen. So sei zum Schutz der Menschen und zur Entlastung des Gesundheitssystem der größte Effekt mit den verfügbaren Impfstoffmengen erzielbar, heißt es.
Man warne jedoch vor einem Massen-Andrang: „Allein für die vollständige Umsetzung der bestehenden Impf-Empfehlungen wären etwa 40 Millionen Dosen Influenza-Impfstoff notwendig“, heißt es in eine Veröffentlichung zur anstehenden Grippe-Zeit. „Nach unseren Kenntnissen werden für die kommende Grippesaison rund 25 Millionen Impfdosen verfügbar sein - inklusive der vom Bundesministerium für Gesundheit beschafften nationalen Reserve“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein.
Impfquote sehr gering in den vergangenen Jahren
Dass sich aber alle Menschen, denen eine Schutzimpfung empfohlen wird, auch tatsächlich impfen lassen, ist eher unwahrscheinlich, wie die vergangenen Jahre zeigen. In der Saison 2018/19 war das Interesse an der Grippeschutzimpfung nach den bundesweiten Daten des RKI eher gering. Nur rund ein Drittel der Senioren (35 Prozent) ließen sich nach den RKI-Angaben damals immunisieren. Bei Menschen mit chronischen Grundleiden waren es etwa ein Fünftel bis die Hälfte, hieß es.
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Aus Sicht des Apothekers wäre es daher schon ein großer Erfolg, wenn die Impfquote in den relevanten Gruppen auf 50 Prozent steigen würde. Ziel müsse es jetzt sein, „dass sich aus dem Kreis der Risikogruppen deutlich mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen.“
Würden sich jetzt vermehrt auch Menschen eine Grippeschutz-Spritze geben lassen, die nicht zu den Risikogruppen gehören, könne das sogar die Versorgung von Risikopatienten gefährden, warnt die Stiko. Das Fazit der Experten: Eine Ausweitung der Impf-Empfehlung könnte sich „derzeit sogar als kontraproduktiv erweisen.“ Ja, sie sei sogar „unsinnig“: Wegen der allgemeinen Coronaschutz-Regeln wie Abstand, Nies-Etikette oder Mund-Nase-Schutz seien „die Schutzeffekte für die Gemeinschaft durch Impfung von Nicht-Risikogruppen von begrenzter Wirkung“.
Impfung im Herbst ratsam
Im vergangenen Jahr hatten sich in Nordrhein-Westfalen lediglich zwei Millionen Menschen von insgesamt 16 Millionen gesetzlich Versicherten impfen lassen, wie aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe hervorgeht. Mit Blick auf den Herbst raten Ärzte zu einer frühzeitigen Impfung, am besten im Oktober oder November. Bei den Impf-Kosten ist es abhängig, bei welcher Krankenkasse die Patienten versichert sind. Manche Kassen übernehmen die Kosten für alle Patienten, andere nur für Risikopatienten.