Den Haag. Auf den Spuren der königlichen Familie in den Niederlanden: Guide Remco Dörr zeigt die spannendsten Orte und wo man den Royals ganz nah kommt.
„Wir sehen Königin Maxima beim Einkaufen oder auf dem Rad, das ist absolut keine Seltenheit“, sagt Remco Dörr und deutet auf die zahllosen Radfahrer, die an uns auf der Straße Lange Vijverberg mitten im Den Haager Stadtzentrum vorbeifahren. „Sie ist sehr nah am Volk und bodenständig, deswegen mögen alle sie so gerne.“ Der Den Haager Stadtführer und Kunsthistoriker beginnt unsere Führung, bei der wir auf royalen Spuren wandeln wollen, aber an einem wenig bodenständigen Ort, im ausgesprochen noblen Hotel des Indes.
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Das 1858 errichtete Gebäude diente einem niederländischen Baron zu einem wahrhaft dekadenten Zweck: Er wollte einen Palast, in dem er ausschließlich rauschende Partys schmeißen und Empfänge abhalten konnte. Mit der Kutsche konnte man durch den Haupteingang fahren und in der Rotunde drehen, so dass alle Gäste die ankommenden Menschen sehen konnten. „Wo jetzt die Bar ist, lagen früher Pferdeäpfel“, erklärt Dörr, während wir im angrenzenden Tea Room sitzen. Dicke rote Teppiche, funkelnde Kronleuchter, riesige Zimmerpflanzen und viel goldenes Dekor bestimmen hier das Bild.
König Willem-Alexanders Großmutter Juliana liebte das Hotel des Indes
Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Palast zum Hotel umgewandelt. König Willem-Alexander und Königin Maxima speisen oder logieren hier zwar eher selten, dafür liebte vor allem Willem-Alexanders Großmutter Juliana das Hotel. „Sie hat alle ihre Feste im Ballsaal oder einem der anderen Räume gefeiert“, weiß Dörr. Auch die junge Beatrix sei früher häufig hier gewesen. Die Bilder an der Wand in der ersten Etage zeugen davon, dass sie längst nicht die prominentesten Gäste gewesen sind. Ob Spionin Mata Hari, Autofabrikant Henry Ford, US-Präsident Dwight Eisenhower, Schriftsteller Thomas Mann, der britische Premier Tony Blair oder Sänger Michael Jackson - Persönlichkeiten aus Hochadel, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gaben sich im Hotel des Indes die Klinke in die Hand.
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Der russische Zar Nikolaus II. rief hier 1899 die Haager Friedenskonferenzen ins Leben – und legte so den Grundstein für Den Haag als „Stadt des Friedens und Rechts“ mit dem Internationalen Gerichtshof. Aber wir wollen noch mehr Royales vom niederländischen Regierungssitz sehen als dieses geschichtsträchtige Gebäude. Und niemand eignet sich besser für eine Führung als Remco Dörr, der zugleich lebhaft, witzig, oft auch ironisch erzählt. Der 57-Jährige kennt die 530.000-Einwohner-Stadt und ihre Geheimnisse wie seine Westentasche, es ist seine Heimat, auch wenn er zwischenzeitlich wegzog. Mitten im Stadtzentrum, nur einen Steinwurf vom Binnenhof, dem niederländischen Parlament, wuchs Dörr auf und lebt mittlerweile im Badevorort Scheveningen.
Die Niederländer sind eigentlich ein republikanisches Volk
Gleich nebenan in Wassenaar wohnten Willem-Alexander und Maxima, die aus Argentinien stammt, mit ihren drei Töchtern, bis sie ins Den Haager Schloss Huis ten Bosch umzogen. In ihrem Haus in Griechenland, erzählt uns Dörr, macht die Königsfamilie gerne Urlaub. „Nah am Volk“, das sagt Dörr oft, wenn er über das Königspaar und seine drei Töchter spricht. „Das ist eine ganz andere Generation als die eher distanzierte Beatrix, aber sie müssen auch bodenständig und protestantisch-zurückhaltend sein.“
Erst seit 1815 gibt es die Monarchie in den Niederlanden. Die Menschen hier seien deswegen im Herzen Republikaner und sehr demokratisch, Protz passe hier nicht hin. Bestes Beispiel? Der Palast Noordeinde im Stadtzentrum. Recht dezent sieht er aus, der offizielle Sitz des Königshofs und Schauplatz vieler offizieller Termine. Hier wohnt der König nicht, er arbeitet hier. „In welcher Monarchie der Welt kann man schon am Palast klingeln und einem wird auch noch geöffnet?“, fragt Dörr verschmitzt und läutet in einer Nebenstraße an einer unscheinbar aussehenden Tür.
Sonnenbad mit Blick in den Schloss-Innenhof
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Dahinter liegt ein großer Park und dieser ist für jeden zugänglich. Familien mit Kindern, Studenten und Pärchen liegen hier auf der Wiese oder sitzen auf den Bänken – mit perfektem Blick auf die Rückansicht des Königshofs. „Hier sieht man auch schon mal, wie Beatrix in einen Wagen steigt und abfährt“, beschreibt Dörr. Die ehemalige Regentin wohnt nämlich direkt nebenan in der Hausnummer 66 und – auch das ist ungewöhnlich – hat noch nicht einmal Wachen vor der Tür ihres großzügigen Stadthauses.
So richtig für alle sichtbar ist die Königsfamilie am „Prinsjesdag“, der immer am dritten Dienstag im September gefeiert wird. Dann zieht die gläserne Kutsche samt Reiterschar entlang der Prachtallee Lange Voorhout (Voorhout heißt Vorholz, früher war hier Wald), nachdem der Monarch im Rittersaal des Binnenhofs die Parlamentssaison eröffnet hat. Zehntausende säumen normalerweise die Straßen – nur in diesem Jahr ist alles ein wenig anders. Corona-bedingt findet der Prinsjesdag nicht nur ohne Publikum, sondern auch ohne Kutschfahrt statt.
Mehr Diplomaten als Händler in der drittgrößten Stadt der Niederlande
An der Langen Voorhout ist es aber auch an normalen Tagen lebhaft, einige der 120 Botschaften, die in Den Haag vertreten sind, haben hier ihren Sitz. „Das war nie eine Handelsstadt, sondern schon seit dem 16. Jahrhundert Regierungssitz, deswegen gibt es hier auch für die Niederlande verhältnismäßig wenige Kanäle“, erklärt Dörr. Offiziell hat Den Haag noch nicht einmal die Stadtrechte und wirkt auf viele Besucher auch wie ein großes Dorf – dabei kann es sich gerade was Kultur, Kunst und Shopping angeht mit vielen europäischen Großstädten messen. „Früher kauften die Mitglieder der Königsfamilie beim Hoflieferanten ,Maison de Bonneterie’“, erklärt Dörr.
In dem historischen Gebäude hat nun eine schwedische Modekette ihre Filiale – und Maxima, die für ihre farbenfrohen Outfits bekannt ist, shoppt im Edel-Warenhaus De Bijenkorf oder in den hippen Boutiquen auf dem Denneweg. Fan des Königshauses, sagt unser Guide mit einem Zwinkern zum Schluss unseres Spaziergangs, sei er eigentlich nicht. „Aber sie sind großartige Botschafter für unser Land.“