Nimwegen. Niederlande und NRW: Was bedeuten uneinheitliche Corona-Regeln für die Grenzregion? Die Bürgermeister von Nimwegen und Emmerich im Interview.

Corona macht vor den Grenzen nicht halt – und ist damit eine besondere Herausforderung am Niederrhein. Im Interview mit Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze und Nimwegens Bürgermeister Hubert Bruls haben wir über die Zusammenarbeit in der Grenzregion gesprochen – und darüber, was noch besser laufen muss, um das Virus in den Griff zu bekommen.

Wie ist die Corona-Bekämpfung in den vergangenen Monaten auf beiden Seiten der Grenze gelaufen?

Bruls: Der Umgang mit Corona nimmt viel Zeit in Anspruch. Wir merken, dass in diesen Zeiten jedes Land auf seine eigenen Zuständigkeiten zurückfällt. Ich bin selbst seit Beginn der Pandemie noch nicht ein Mal über die deutsche Grenze gefahren, habe aber über die Euregio viel Kontakt mit NRW. Am bemerkenswertesten war für mich in den vergangenen Monaten die Grenzpolitik. Es hieß, die Grenze bleibt offen. Aber wir bekamen gleichzeitig auch von der Regierung gesagt, dass wir den deutschen Gästen entgegentreten und sie bitten müssen, nicht einzureisen.

Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze.
Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze. © NRZ | Andreas Gebbink

Hinze: Es sind ohne Zweifel auch viel weniger Niederländer nach Deutschland gekommen. Und die Maßnahmen in beiden Ländern sind unterschiedlich. Warum muss ich in Emmerich Mundschutz tragen, haben sich Menschen aus den Niederlanden gefragt. Ich kenne Gastronomen, die zahlreiche Gäste wegschicken mussten, weil sie keinen Mundschutz tragen wollten. Das ist ein Problem.

Herr Bruls, Sie sind Vorsitzender des niederländischen Rats der Sicherheitsregionen und für die Coronabekämpfung verantwortlich. Wie sinnvoll ist diese regionale Zuständigkeit in einem so kleinen Land?

Bruls: Darüber gibt es Diskussionen. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, müssen wir sehen, wie lange wir diese regionalen Unterschiede noch halten können. Aber der Punkt ist noch nicht erreicht. Die Vorsitzenden der Sicherheitsregionen setzen die Anweisungen des Gesundheitsministers in Notverordnungen um. Eigentlich ist dieses System nur für kurze Krisen gedacht, etwa den Hochwasserschutz. Juristisch ist das nicht ideal. Eigentlich müsste ein selbstständiges, neues Gesetz kommen.

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Hinze: Ich denke, dass es in Deutschland auch darauf hinausläuft, dass wir keinen landesübergreifenden Lockdown mehr bekommen, sondern eher schauen, wie die Situation in den Regionen ist, so wie etwa in Gütersloh vor einigen Wochen geschehen. In Amsterdam und Rotterdam muss teilweise Mundschutz getragen werden.

Warum zögert die Niederlande so mit einer landesweiten Pflicht?

Bruls: Niederländische Virologen sagen, dass die Schutzwirkung von Masken beschränkt ist. In Amsterdam gibt es aber enorm viele ausländische Touristen. Ich verstehe, dass es dort Extra-Maßnahmen geben muss. Wir müssen das Virus bekämpfen mit den Kenntnissen, die wir haben. Menschen wollen gerne Klarheit, aber es ist ein neues Virus. Als Politiker muss man ab einem bestimmten Moment eine Entscheidung treffen, man kann nicht jede Woche neu entscheiden.

Wird es in Nimwegen bald eine Mundschutzpflicht geben?

Bruls: Ich hoffe es nicht. Nimwegen ist nicht Amsterdam. Es muss hier schon so voll werden, dass wir keine andere Alternative finden. Wir haben hier mehr Raum als die touristischen Hotspots wie Zeeland oder Roermond.

Und wird 2021 der Nimwegenmarsch stattfinden?

Bruls: Ich denke schon. Ein Lauf lässt sich gut mit Abstand organisieren. Ob wir aber zugucken und mitfeiern können, das ist die Frage.

Herr Hinze, wie blicken Sie auf die Corona-Strategie im Nachbarland?

Hinze: Es gibt große Unterschiede. Wir haben in Deutschland von Anfang an gesagt: Wir müssen testen, testen, testen. In den Niederlanden sind viel weniger Tests gemacht worden. Deutschland wollte schnell sehen können, wie viele Menschen infiziert sind, um das Virus einzudämmen.

Nimwegens Bürgermeister Hubert Bruls (links) und Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze sprechen in Nimwegen über die Corona-Strategie in der Grenzregion.
Nimwegens Bürgermeister Hubert Bruls (links) und Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze sprechen in Nimwegen über die Corona-Strategie in der Grenzregion. © funke foto service | Madeleine Hesse/

Herr Bruls, wo funktioniert die Corona-Bekämpfung in Deutschland besser?

Bruls: Ich habe den Eindruck, dass die deutsche Forschung schneller läuft. Eine Quarantänepflicht wie in Deutschland hätte ich in den Niederlanden auch gerne. Wir setzen erst auf den Appell, dann erst auf verpflichtende Maßnahmen. Das klappt für eine große Gruppe. Es gibt viele Menschen, die verlassen noch immer ihr Haus kaum.

Wie sieht es am Flughafen Weeze aus, wie sind die Quarantäneregeln für Reisende in beiden Ländern?

Bruls: Am Amsterdamer Flughafen Schiphol wird mit freiwilligen Tests begonnen. Wenn Niederländer aber zum Beispiel in Düsseldorf landen und über die Grenze fahren, werden sie nicht abgefragt. Und wenn jemand in Eindhoven landet und nach Emmerich fährt, hört der Kreis auch nichts davon. Es wäre nützlich, sich in solchen Fragen besser abzusprechen. Wenn es Abstimmungen im eigenen Land gibt, warum nicht für Flughäfen, die kurz hinter der Grenze liegen?

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Braucht es also eine bessere Zusammenarbeit entlang der Grenze?

Hinze: Ich finde es wichtig, dass die niederländischen Sicherheitsregionen entlang der Grenze und der Kreis Kleve sich austauschen. Leider weiß ich als Bürgermeister aber viel zu wenig, wie zusammengearbeitet wird. Der Informationsfluss in unsere Richtung ist nicht optimal.

Nimwegens Bürgermeister Hubert Bruls.
Nimwegens Bürgermeister Hubert Bruls. © NRZ | Andreas Gebbink

Bruls: Ich stimme zu, dass die Zusammenarbeit in der Grenzregion ausgeweitet werden müsste. Auf Bundesebene gibt es viel Kontakt zwischen Deutschland und den Niederlanden. Ich merke, dass das mit den belgischen Regionen schwerer läuft.

Wie laufen Kommunikation und Datenaustausch zum Thema Leiharbeit in der Grenzregion?

Hinze: Es war sehr schwierig, an die Details zu kommen. Es hat drei bis vier Tage gedauert, bis wir Namen und Adressen hatten. Die Leiharbeitsfirmen schicken die Arbeiter los, die Fleischfabriken wissen gar nicht, wer da genau kommt. Der Datenaustausch muss europäischer gedacht werden. Das läuft noch nicht so gut, wie es sollte.

Bruls: Das braucht Zeit. Für uns ist die Kontrolle auch sehr mühsam. In den Niederlanden ist eine Pflichtquarantäne schwierig. Das geht, aber nur mit dem Nachweis, dass jemand infiziert ist. Präventiv ist das eigentlich nicht möglich.

Wer ist denn verantwortlich für die Corona-Tests, wenn die Leiharbeiter in Deutschland wohnen und in den Niederlanden arbeiten?

Hinze: Das war das Problem. Denn ich hatte keine Information darüber, wo die Menschen arbeiten. Ich kenne auch ihren Status nicht. Wurden sie schon getestet, wann zum letzten Mal? Also sind wir mit unserem Ordnungsamt und dem Gesundheitsamt des Kreises Kleve zu den Sammelunterkünften gegangen und haben die Menschen getestet.

Bruls: Die Verantwortlichkeit liegt bei den Personen selbst, es besteht keine Testpflicht in den Niederlanden. Und unser Parlament hat eine Pflichtquarantäne erst vor Kurzem mehrheitlich abgelehnt.