Aus den Niederlanden. Der niederländische Küstenort Zandvoort lockt trotz Pandemie Tagestouristen aus NRW an. Viele Urlauber scheinen Corona am Meer fast zu vergessen.

Aus allen Himmelsrichtungen wehen deutsche Worte über den Strand, die auch das Kreischen der Möwen nicht übertönen können. Zwei Jungen schlagen Räder im feinen Sand, die Mittagssonne scheint und flauschige Wolken treiben am blauen Himmel. Niederländische Nordsee-Idylle in Zandvoort, mitten in der Corona-Pandemie.

Daran scheinen die Kinder nicht zu denken, die vor dem grün-blauen Meerespanorama Erwachsene im Sand einbuddeln. Keine Masken, dafür Schaufeln, Eimer und Kinderwagen. Möglichkeiten, um Abstand zu halten, bietet der Strand an diesem Samstag reichlich. Die meisten Gruppen haben sich auf bunten Strandtüchern wie auf kleinen Inseln neben- und doch weit genug entfernt voneinander niedergelassen. Kein Trubel, so wie es die Niederlande empfiehlt.

Ferienstimmung im niederländischen Zandvoort – trotz Corona-Pandemie

Und doch führt an Corona in diesen Sommerferien nichts vorbei, auch nicht in Zandvoort. Die Pandemie ist auch der Grund, warum Jule und Adrian aus Neuss mit ihren drei Söhnen zum Spontanausflug an die Nordsee gefahren sind. „Wir haben uns auf Instagram ein paar Orte angeschaut und fanden es ganz schön hier“, sagt Jule. Etwas Erholung vom „Ausnahmezustand“, der die Wochen zuvor herrschte.

An den Ausnahmezustand scheint ihr Sohn Niko hier am Meer nicht mehr zu denken. Auch, dass der Neunjährige in den vergangenen Wochen kaum in der Schule war und seine Freunde nicht sehen konnte. Beim Buddeln mit seinen beiden kleinen Brüdern wirkt er recht unbekümmert. „Für mich ist es die ganze Zeit wie niemals endende Ferien“, sagt hingegen seine Mutter.

„Seit ein paar Wochen gehen die beiden Kleinen wieder in die Kita“, so die Makeup-Artistin, die ihre Beine auf der Decke ausstreckt. „Meine Jobs konnte ich nicht machen, Hochzeitstermine wurden verschoben. Und dann muss ja jemand auf die Kinder aufpassen.“

Strandbesucher halten in Grüppchen Abstand zueinander.
Strandbesucher halten in Grüppchen Abstand zueinander. © FUNKE Foto Services | Madeleine Hesse

Und für die Ferien sei eigentlich etwas anderes geplant gewesen. Adrian war schon auf dem Weg nach Kroatien, die Mutter für einen Urlaub in Deutschland abzuholen. Doch dann sei in Kroatien die Pandemie ausgebrochen. Also blieb Adrians Mutter dort, „um kein Risiko einzugehen“.

Die Corona-Pandemie an der Nordseeküste vergessen

In Zandvoort spüre die Familie von der Pandemie allerdings wenig. Keine Masken im Restaurant, das sei „schon ein Gefühl von Freiheit“, sagt Jule. Die Menschen hier wirkten lockerer. „Ich finde, die Niederländer sind die cooleren Deutschen.“ In Deutschland sei während des Lockdowns nur schlechte Stimmung gewesen. „Für mich war das wie Kriegszustand.“

Aber natürlich seien am Strand generell alle ausgelassener. Adrian beobachtet die Kinder durch die Sonnenbrille hindurch beim Spielen neben der blauen Decke im Sand. Trotz der Mittagssonne ist der Wind frisch, es sind kaum 20 Grad. Netter Strand, aber kein Vergleich etwa zu Kroatien, findet Adrian. „Hier ist es schön, aber hier kann man nicht baden.“

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Die meisten Strandbesucher tragen T-Shirts oder Pullis, wagen sich aber nur mit den Füßen ins Meer. Ein Paar spaziert unter der grellen Sonne in Badekleidung an den Rand, wo die Wellen auf den Sand schlagen. Nach mehreren Fotoaufnahmen mit dem Smartphone geht es aber schon wieder zurück auf die Liege mit rotem Windschutz. Am Mast weht die gelbe Flagge - Schwimmen auf eigene Gefahr.

„Wir hätten auch gerne hier übernachtet, aber es war kein Zimmer mehr frei für Familien“, sagt Jule. Selbst im nahe gelegenen Haarlem: nichts. So bleibt der Familie wie vielen Touristen aus Deutschland nur ein schöner, sonniger Strandtag, mit den Zehen im Sand und im Salzwasser.

Zandvoort ist während der Pandemie bei Tagestouristen beliebt

Auf dem Parkplatz nahe des Palace Hotelturms reihen sich deutsche Kennzeichen aneinander. Zwischen Autos aus Köln, Herne und den Niederlanden steht ein schwarzer Wagen mit Essener Kennzeichen. Yasmina Belkassem und ihre Mutter Naziha Chekbar haben das Auto hier für den Tag abgestellt. „Wir haben schon fast jedes Schwimmbad in der Region abgeklappert“, sagt Yasmina, während ihre Mutter zum Parkautomaten geht.

Da es mit dem Urlaub in der Ferne zu Corona-Zeiten aber schlecht aussehe, sei die Wahl auf einen Ausflug an die niederländische Küste gefallen. Essen, Einkaufen, Schwimmen gehen. Und dann wieder zurück. Unter drei Stunden haben sie gebraucht, obwohl sich auf der Autobahn am Vormittag ein Stau gebildet hatte, durch den sich viele Autos mit deutschen Kennzeichen und Fahrrädern auf dem Dach zwischen Wohnwagen und Anhängern zunächst nur langsam Richtung Küste schlängelten.

Niederlande appelliert an Urlauber, Abstand zu halten

Mobile Buden sorgen für Essen mit Aussicht.
Mobile Buden sorgen für Essen mit Aussicht. © FUNKE Foto Services | Madeleine Hesse

Am späten Nachmittag waten dann doch immer mehr Menschen ins Meer. Kinder spielen in der Brandung und auf umspülten Sandbänken, Surfer tragen ihre Bretter ins Meer und weiter draußen bläst der Wind die Kite-Segel über der See auf. Am Strand reihen sich die Restaurants und Cafés aneinander.

Auch hier: Auf den ersten Blick herrscht Normalität und noch etwas Vorsicht. Die Terrassen sind belegt, aber nicht überfüllt. Die meisten Gäste halten Abstand zueinander. Niederländisch mischt sich mit Deutsch, Englisch und Elektrobeats zur Hintergrundkulisse.

„Es sind immer viele Deutsche hier in Zandvoort“, sagt Esther, die auf der Terrasse „Havanna aan Zee“ arbeitet und selbst Deutsch spricht. Noch vor ein Monaten sah das anders aus. Erst seit ungefähr zwei bis drei Wochen sind sie wieder zurück, sagt Esther. „Jetzt ist wieder alles voll hier“ – trotz oder wegen Corona. Denn auch die Niederländer blieben angesichts der Pandemie in den Ferien lieber im eigenen Land.

Esther geht weiter zu einem deutschen Paar am Nebentisch, das sich ausgestreckt hat und von der Terrasse gegen die zurückgehende Sonne hinab auf den südlichen Strandabschnitt blickt. Hinter pastellfarbenen Sonnenschirmen wird an den Restauranttischen des „Havanna“ in Grüppchen Bier und Wein getrunken. Keine Abstandsmarkierungen, keine Einlasskontrolle. Doch am Eingang: ein Spender für Desinfektionsmittel. Bei allem Sonnenschein und Meeresrauschen ist und bleibt auch im Urlaubsidyll Zandvoort weiterhin Corona-Zeit.