Düsseldorf/ Kleve. Amad A. saß zu Unrecht im Gefängnis und starb. Im Untersuchungsausschuss wurden erneut Versäumnisse deutlich. Es hatte einen Hinweis gegeben.

Eine aufmerksame Mitarbeiterin der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft in Braunschweig hätte möglicherweise den Tod des jungen syrischen Kurden Amad Ahmad verhindern können – wenn einem Hinweis genauer nachgegangen wäre, den sie im Juli 2018 gegeben hatte. Bei der jüngsten Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu dem Fall wurden am Dienstag erneut Versäumnisse von Behörden deutlich, die möglicherweise in einer tragischen Verkettung zum Tod des jungen Mannes führten.

Amad Ahmad war Anfang Juli 2018 in Geldern festgenommen worden und landete kurze Zeit später hinter den Gittern des Klever Gefängnisses. Am 17. September zog sich der junge Mann b ei einem Brand in seiner Zelle erhebliche Verletzungen zu, an deren Folgen er am 29. September starb. Danach stellte sich heraus, dass Ahmad nur aufgrund einer Verwechslung mit einem per Haftbefehl gesuchten Mann aus Mali namens Amed G. im Gefängnis gesessen hatte.

Zeugin: Sachbearbeiterin sei für Vorgang nicht befugt gewesen

Wie genau es zu der verhängnisvollen Verwechslung kommen konnte, ist bis heute unklar. Klar ist nur, dass es zu einer irrtümlichen Verschmelzung von Datensätzen in der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein gekommen war. Aus Amad Ahmad wurde Amed G., der von der Hamburger Staatsanwaltschaft per Haftbefehl gesuchte Mann aus Mali.

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Die für den Vorgang verantwortliche Sachbearbeiterin hätte diese „Personenzusammenführung“ allerdings gar nicht vornehmen dürfen, erklärte in der Sitzung des Untersuchungsausschusses eine in der Kreispolizeibehörde tätige Beamtin. Die Verschmelzung von Datensätzen müsste über eine Mail angeordnet werden, es gelte grundsätzlich das Vier-Augen-Prinzip, zudem müssten Lichtbilder verglichen werden, so die Beamtin. All das geschah bei dieser Zusammenführung jedoch nicht. Vor allem aber sei die Sachbearbeiterin nicht befugt für den Vorgang gewesen, erklärte die Zeugin. Eine Aussage, die in völligem Widerspruch zu einer früheren Aussage der Sachbearbeiterin vor dem Untersuchungsausschuss steht.

Aufmerksamer Mitarbeiterin fiel der Geburtsort Aleppo auf

Am 27. Juli jedenfalls telefonierte ein Kripo-Beamter, der die Anzeige geschrieben hatte, die zu der Inhaftierung führte, mit einer Staatsanwältin aus Braunschweig. Dort wurde ein Verfahren gegen G. geführt. In einer Aktennotiz hält die Staatsanwältin nach dem Gespräch kurz und knapp fest: „Die Person Amed Ahmad ist nicht identisch mit der Person Amed G. (…)“. Feuertod in Klever JVA- Anwälte werfen Polizei Rassismus vor

Wie die Braunschweiger Staatsanwältin am Dienstag berichtete, wollte ihre Behörde einen Strafbefehl wegen sechsfachen Diebstahls gegen Amed G. zustellen. Die Behörde habe die Mitteilung erhalten, dass G. in einer JVA im Kreis Kleve einsitze. Jedoch sei einer aufmerksamen Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle aufgefallen, dass für den gesuchten dunkelhäutigen Mann aus Mali der Geburtsort Allepo in Syrien angegeben sei. Wohl deswegen habe sie Kontakt mit der Kreis Klever Polizei aufgenommen, so die Staatsanwältin. Ein Vorgang, den sie als einmalig bezeichnet. So etwas habe sie in ihrer 20-jährigen Laufbahn nicht getan.

Gespräch mit der Staatsanwältin hatte der Polizeibeamte nicht erwähnt

An den genauen Verlauf des Gesprächs am 27. Juli konnte sich die Staatsanwältin nicht erinnern. Offenbar habe man darüber gesprochen, dass Braunschweig jemanden mit sehr dunkler Hautfarbe suche, der Polizist aus Geldern habe offenbar geantwortet, dass der Inhaftierte aus dem arabischen Raum stamme. Für sie sei der Fall damit erledigt gewesen. Obwohl der Vorgang so einmalig war, verfolgte sie ihn nicht weiter. „Der Fall war für mich kein wesentlicher Fall.“

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Am Tag des Telefonats führte der Kripo-Beamte aus Geldern eine Datensuche durch. Sowohl nach Amad Ahmad als auch nach dem Mann aus Mali. Dies hatte er bei einer Sitzung des Untersuchungsausschusses am 26. November vergangenen Jahres eingeräumt. Das Gespräch mit der Staatsanwältin erwähnte der Polizist seinerzeit aber nicht. Wusste der Beamte also bereits Ende Juli, sechs Wochen vor dem Zellenbrand, dass eine Verwechslung vorlag, er also einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht hatte? Bei der Sitzung am Dienstag verweigerte der Polizist die Aussage, weil die Staatsanwaltschaft Kleve Ende Mai neue Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung in die Wege geleitet hat. Vorherige Ermittlungen gegen insgesamt vier Polizisten hatte die Staatsanwaltschaft im November vergangenen Jahres eingestellt.