Köln/Essen/Kleve. Der Tod des Kurden Amad Ahmad hätte verhindert werden könne, sagen die Anwälte seiner Eltern. Sie gehen gegen die Verfahrenseinstellung vor.

Ein junger Mann wird im Sommer 2018 zu Unrecht inhaftiert und verbrennt zweieinhalb Monate später in seiner Zelle im Klever Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft will den Fall Amad Ahmad zu den Akten legen. Sie hat das Verfahren gegen die beteiligten Beamten eingestellt. Die Eltern des mit 26 Jahren gestorbenen syrischen Kurden wollen es nicht dabei belassen. Ihre Anwälte haben Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung eingelegt.

„Wir geben die Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht auf“, sagte Malak Zaher Ahmad, 56 Jahre, der Vater von Amad Ahmad, gestern in Köln, wo die Anwälte die Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung begründeten und das mit harscher Kritik an der Polizei flankierten. Rechtsanwalt Eberhard Reinecke sieht in dem Fall ein Beispiel für eine „extreme Kultur der Verantwortungslosigkeit“ und für einen „institutionellen Rassismus“.

Eine verhängnisvolle Verwechslung

Rückblende: Amad Ahmad wird am 6. Juli 2018 in Geldern festgenommen. Er soll dort an einem Baggersee Frauen sexuell belästigt haben, eine ist die Tochter eines Polizisten. Von dieser Anschuldigung bleibt nichts übrig. Der 26-jährige wird trotzdem inhaftiert. Auf der Wache wird er mit einem Mann namens Amedy G. aus Mali verwechselt, der in Hamburg zur Fahndung ausgeschrieben ist. Nur gegen diesen Mann liegt ein Haftbefehl vor.

Wie es zu dieser Verwechselung kommen konnte, ist bis heute rätselhaft. Der Mann aus Hamburg ist dunkelhäutig, Ahmad hellhäutig, sein Name ist ein anderer. Der Haftbefehl ist auf den Namen Amedy G. ausgeschrieben, nicht auf Amad Ahmad. Klar ist: Es sind Datensätze in zwei Datenbanken miteinander verschmolzen worden, die nichts miteinander zu tun hatten.

Am 29. September 2018 stirbt Amad Ahmad

Der junge Syrer verbringt Monate unschuldig hinter Gittern in der Klever JVA, am 17. September bricht ein Feuer in seiner Zelle aus. Knapp zwei Wochen später erliegt er seinen Verletzungen.

Die Staatsanwaltschaft in Kleve stellt am 5. November 2018 die Ermittlungen gegen die beteiligten Beamten ein. Es könne ihnen kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Unverständlich für die Rechtsanwälte der Eltern von Ahmad. „Die Beamten hätten nur die eine Frage beantworten müssen: Ist das Herr G.?“, sagt Anwalt Reinecke. Diese Frage habe sich keiner der Beamten gestellt. Für seinen Kollegen Sven Tamer Forst ist klar: Die Beamten haben vorsätzlich gehandelt, als sie einen Unschuldigen einsperrten.

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In ihrer Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung berufen sich die Anwälte auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Januar, wonach Menschen einen „Anspruch auf effektive Strafverfolgung“ haben, insbesondere, wenn es darum gehe ihn beispielsweise vor einer Freiheitsberaubung zu bewahren. „Es hätte besonders genau hingeschaut werden müssen. Hier ist aber leider genau das Gegenteil der Fall gewesen“, sagt Reinecke.

Anwalt Forst zitiert dazu eine Stellungnahme des Landeskriminalamtes. In der heißt es, dass grundsätzlich jeder Beamte die Möglichkeit gehabt hätte, Widersprüche zwischen den Ergebnistreffern in den Datenbanken erkennen zu können und das zum Anlass „weiterer kriminaltechnischer Recherchen“ zu nehmen. Nichts davon geschah. Nicht einmal die unterschiedlichen Lichtbilder wurden miteinander abgeglichen.

Anwälte: Vorgehen der Polizei war absurd

Das Vorgehen der Kreis Klever Polizei sei „absurd“ gewesen, urteilen die Anwälte. Als irritierend empfinden sie es auch, dass sich sämtliche beteiligten Beamten auf Erinnerungslücken berufen. Für Anwalt Reinecke ist das Vorgehen ein Indiz für „institutionellen Rassismus“, nach dem Motto: „Das ist ja ein Flüchtling, da muss man nicht so genau hinsehen.“

Zudem bezweifeln die Anwälte, dass Amad Ahmad in der Klever JVA nicht geäußert hat, dass er zu Unrecht inhaftiert worden war, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet. Tatsächlich existiert das Protokoll eines Gespräches vom 3. September, in dem der junge Mann sagt, er habe seinen Namen richtig angegeben, kenne das angebliche Urteil gegen ihn nicht und sei nie in Hamburg gewesen.

Eltern bezweifeln, dass er sich umgebracht hat

Die Eltern des jungen Kurden zweifeln auch an, ob er das Feuer in seiner Zelle in suizidaler Absicht gelegt hat, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet. „Mein Sohn hat in Syrien drei Jahre aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen. Er wurde gefoltert, hat sich aber für seine Mitgefangenen eingesetzt“, erzählt Malak Zaher Ahmad.

Sein Sohn sei 2016 zu Fuß von Griechenland nach Deutschland gekommen, habe hier darüber nachgedacht, zu heiraten. „Warum sollte man dann in Deutschland nicht motiviert sein zu leben?“