An Rhein und Ruhr. Nach der Tat in Viersen stellt sich die Frage: Sind Kita-Leitungen gezwungen, wenig qualifizierte Bewerber einzustellen? Viele Fachkräfte fehlen.
Der Tod eines kleinen Mädchens in Viersen hat eine Diskussion um mögliche systemische Mängel in der Kita-Landschaft neu angefacht. SPD und Grüne fordern Maßnahmen zur Verbesserung der Attraktivität des Erzieherberufs, um einem drohenden Personalmangel in den Kindertagesstätten entgegenzuwirken und die Qualität der Betreuung zu sichern.
Das Kind war am 21. April nach einem Atemstillstand in einer Kindertagesstätte ins Krankenhaus eingeliefert worden und dort am 4. Mai verstorben. Zwei Wochen später wurde eine 25-jährige Erzieherin unter Mordverdacht festgenommen. Die junge Frau hat nach Erkenntnissen der Ermittler in dem Fall möglicherweise auch in drei anderen Kitas Kinder attackiert. Ihr war von der Einrichtung, in der sie ihr Anerkennungsjahr absolviert hatte, bescheinigt worden, nicht geeignet für den Beruf zu sein. Trotzdem erhielt sie ihre Anerkennung als staatlich geprüfte Erzieherin.
Hinweise auf Verschärfung des Fachkräftemangels
Die Vorsitzende des Deutschen Kita-Verbandes, Waltraud Weegmann, hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe daraufhin hingewiesen, dass alle Einrichtungen unter dem Fachkräftemangel litten, „was die Qualität der Bewerber mindert“. Hinweise, dass die deutliche Ausweitung des Betreuungsangebots in den vergangenen Jahren zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels geführt hat, finden sich immer häufiger.
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So wies der Städtetag NRW in einer Stellungnahme für eine Anhörung im Landtag im September 2019 darauf hin, dass dem zunehmenden Stellenbedarf durch den Ausbau und den Neubau von Kitas „ein Rückgang an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern“ gegenüber stehe. Wie groß der Fachkräftemangel im Kita-Bereich konkret ist, lässt sich nicht genau beziffern. Das Deutsche Jugendinstitut an der TU Dortmund hatte in einer 2016 publizierten Studie berechnet, dass bis 2025 bundesweit bis zu 310.000 Fachkräfte für die Betreuung fehlen könnten.
GEW fordert mehr Wertschätzung für Erzieherinnen
Der Landesverband der Gewerkschaft GEW berichtet von Rückmeldungen von Erzieherinnen, wonach diese „mit ihrer pädagogischen Arbeit im Kita-Alltag an Grenzen stoßen, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen: zu große Gruppen mit zu vielen Kindern bei zu wenig Personal“. Die GEW, so ein Sprecher fordere schon lange effektive Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels: „Dazu gehören mehr Wertschätzung für den Beruf durch bessere Bezahlung und bessere Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen.“
Für die Landesregierung sei der steigende Fachkräftebedarf „die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre“, so ein Sprecher des Landesfamilienministeriums. Man habe sich dieser Thematik mit dem Ausbau der Ausbildungskapazitäten und neue Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften in die Wege geleitet. So seien beispielsweise im Zuge der Aktualisierung der Personalvereinbarung neue Berufsgruppen aufgenommen worden. Fachkräfte aus dem EU-Ausland könnten leichter Arbeit in der Kindertagesbetreuung finden.
Praxisintegrierte Ausbildung wird ausgeweitet
Zudem will die Landesregierung die sogenannte praxisintegrierte Ausbildung ausbauen. Bislang absolvieren rund 80 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher eine schulische Ausbildung, bei der sie nach zwei Jahren Berufsschule ein Anerkennungsjahr absolvieren. In den Schuljahren verdienen sie nichts. Anders in der praxisintegrierten Ausbildung, in der Auszubildende von Anfang an in einer Einrichtung arbeiten und bezahlt werden.
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Für die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Josefine Paul, sind die Maßnahmen der Landesregierung „nur erster Schritt“. Es brauche eine bessere Personalbemessung, damit Anleiterinnen genügend Zeit für Auszubildende haben, so Paul, und: „Der Personalmix in den Kitas muss verbessert werden, etwa durch die zusätzliche Anstellung von Hauswirtschafts- und Verwaltungskräften, damit die Erzieherinnen entlastet werden sowie mehr Kindheitspädagoginnen im Leitungsbereich.“
Kinderhilfe fordert Sicherheitsüberprüfungen
Die SPD wirbt wie die Gewerkschaft GEW für eine generelle Vergütung der Ausbildung, um den Erzieher-Beruf attraktiver zu machen. Der familienpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Dennis Maelzer, wirbt für zudem einen weiteren Ausbau der praxisintegrierten Ausbildung: „Dann haben die Auszubildenden von Anfang mit Kindern zu tun. Man erkennt also früh, ob das ein Beruf diese Person ist“. Auf Antrag der SPD wird der Familienausschuss am kommenden Donnerstag im Landtag über den Fall Viersen sprechen.
Die Deutsche Kinderhilfe hat unterdessen regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen in Kitas angeregt. Dabei sollen externe Experten in den Einrichtungen regelmäßig analysieren, was Straftaten, Unfälle oder Krankheiten begünstigen könnte.