An Rhein und Ruhr. Apothekerverband fordert während der Corona-Pandemie einen Stopp des Versandhandels für Medikamente. Arzneien werden schnell vor Ort gebraucht.
Mehr als 410 Medikamente von insgesamt 103.000 zugelassenen Arzneimitteln sind derzeit nicht lieferbar. Allein im April sind nach Zählung der Redaktion mehr als 40 Medikamente dazu gekommen, bei denen ein Lieferengpass besteht. Der Apothekerverband Nordrhein erwartet in den nächsten Monaten, dass sich durch die Corona-Pandemie die Lieferung von Medikamenten verzögern kann. Deswegen fordert er den Stopp von Online-Versandapotheken, wenn ein Medikament knapp ist.
Viele Wirkstoffe werden in China hergestellt
Dass es derzeit einen direkten Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und den Lieferengpässen von Medikamenten gibt, bestätigen zwar weder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch der Apothekerverband. Gleichwohl spricht der Apothekerverband von einem „zunehmenden Lieferengpass“. „Wir rechnen aber damit, dass wir die Corona-Krise mit einer zeitlichen Verzögerung spüren werden. Viele Wirkstoffe werden in China hergestellt. Aktuell beobachten wir den Markt ganz genau“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekenverbandes Nordrhein zur NRZ.
Dem BfArM liegen aktuell „keine belastbaren Hinweise vor, die auf eine kurzfristige Einschränkung der Arzneimittelversorgung aufgrund von Produktionsausfällen in Regionen, die von der Ausbreitung des Coronavirus besonders betroffen sind, schließen lassen“, sagt eine Sprecherin. Gleichwohl stehe es im engen Austausch unter anderem mit dem Bundesgesundheitsministerium, um mögliche Mehrbedarfe zum Beispiel durch zunehmende intensivmedizinische Behandlungen abdecken zu können.
Arznei-Hamsterkäufe sollen unterbunden werden
Allerdings berichtet das Bundesinstitut davon, dass es „aktuell zu überdurchschnittlich hohen Verordnungen und Abgaben von vermarkteten Arzneimitteln kommt.“ Um solchen Arznei-Hamsterkäufen entgegen zu wirken, habe das BfArM eine allgemeine Anordnung erlassen. Darin steht zum Beispiel, dass pharmazeutische Großhändler die Apotheken so beliefern sollen, dass eine gesetzliche Mindestbevorratung von einer Woche sichergestellt ist. Für Krankenhaus-Apotheken soll die Bevorratung den durchschnittlichen Bedarf von acht Wochen nicht überschreiten.
Angesichts der Lieferengpässe fordert der Apothekerverband Nordrhein einen Stopp des Versandhandels. Vorsitzender Preis kritisiert, dass dringend benötige Medikamente in Lagern von Versandhändlern lägen und tagelang brauchten, bis es beim Patienten per Post ankämen. Das gelte zum Beispiel für fiebersenkende Mittel oder Antibiotikum. Solche Arzneien würden in der Regel sofort benötigt. „Es ist kontraproduktiv, wenn ein fiebersenkendes Medikament in einer Versandapotheke in Holland liegt, aber nicht hier vor Ort“, sagt Preis zur NRZ. „Versandhandel ist etwas für Konsumwaren ohne Gesundheitsbezug wie Sonnenschirme und Liegestühle, aber nicht für Medikamente.“ Die Apotheke vor Ort werde mehrmals am Tag vom pharmazeutischen Großhändler beliefert. Mehr als 90 Prozent der Medizin komme dorther, „nur in sehr wenigen Fällen beziehen wir Arzneimittel per Post“, erklärt Preis.
Komplette Apotheken mussten schließen
Derweil sind Apotheker als wichtiges medizinisches Personal eingruppiert worden. Das hatten Apothekerverband und - kammer Anfang April gefordert. „Damit müssen nicht alle, die Kontakt mit einem Corona-Positiven hatten, automatisch in Quarantäne. Ansonsten würde das das Aus ganzer Apotheken bedeuten“, erläutert Preis. In Region Westfalen-Lippe ist es laut Apothekerkammer Nordrhein im März zu Komplettschließungen von sechs Apotheken gekommen, weil sie unter Totalquarantäne gesetzt worden sind. „Die Belastungen für die Apotheken waren in den vergangenen Wochen sehr hoch. Wenn nur eine Apotheke wegbricht, kann eine weitere das alles nicht auffangen“, sagt Preis.
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Derweil haben die Apotheken ihr Botenpersonal aufgestockt, um Medikamente von der Apotheke zum Kunden zu bringen. Die Auslieferungen hätten sich nach Verbandsangaben verdoppelt oder sogar verdreifacht. Aktuell sei im Übrigen der Beratungsbedarf zum Thema Schutzmasken hoch.
Das rät der Apotheker:
Wenn ein Medikament aufgrund des Lieferengpasses derzeit nicht erhältlich ist, kann der Arzt in einigen Fällen ein Ersatzpräparat verordnen. „Bitte frühzeitig zum Arzt gehen, um ein neues Rezept abzuholen, und nicht bis zur letzten Tablette warten. So haben Apotheken Zeit, gegebenenfalls über Ersatzpräparate mit dem Arzt zu sprechen“, rät Thomas Preis.