Essen. Die Niederlande und NRW haben je knapp 30.000 offiziell bestätigte Corona-Patienten. Die Zahl der Toten ist im Nachbarland jedoch weit höher.

"Die Sorge für morgen beginnt heute" heißt es recht vollmundig auf der Seite des "Reichsinstituts für Volksgesundheit und Gemeinwohl" der Niederlande, das nahe Utrecht beheimatet ist. Indes: so richtig gut geht es dem Nachbarland augenscheinlich gerade nicht. Stand 14. April 10 Uhr zählt das Institut bereits 2945 Corona-Tote – und damit schon fast auf Augenhöhe mit China.

Zum Vergleich: im ähnlich großen und bevölkerungsreichen NRW waren es am Osterdienstag bislang 672 Corona-Tote. Doch noch erstaunlicher: Die Zahl der positiv auf Corona getesteten Menschen ist in NRW und den Niederlanden ähnlich groß: Bei 27.114 Menschen in NRW fiel der Test positiv aus, in den Niederlanden sind es 27.419 - fast genauso viele wie hierzulande. Wie kann es dann sein, dass die Niederlande fast viermal mehr Tote zählen - beinahe so viele wie in ganz Deutschland? Das Virus ist auf der anderen Seite der Grenze schließlich nicht tödlicher.

Traditionell strenges Seuchenregiment - aber erst an der Klinikpforte

Der Grund für die deutlich höhere Sterblichkeitsquote ist vor allem im deutlich anderen Testverhalten der Niederländer zu suchen. Von vornherein war man hier deutlich zurückhaltender im Testen von Verdachtsfällen. Wer corona-typische Symptome hatte, wurde angewiesen, 14 Tage daheim zu bleiben. Auch ohne Labornachweis des Virus. Selbst bei den offiziellen Zahlen des Reichsinstituts wird stets vermerkt: "Die tatsächliche Zahl der Infizierten liegt höher als hier genannt. Das liegt daran, dass nicht jeder mögliche Infizierte getestet wird."

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Die Labortests werden in unserem Nachbarland nur vorgenommen, wenn Patienten bereits ein "ernsthaftes Krankheitsbild" zeigen, also meist unmittelbar vor Aufnahme ins Krankenhaus – dort herrscht in den Niederlanden ja fast schon traditionell ein strenges Seuchenregiment. Mit dem Erfolg, dass die Nachbarn deutlich weniger Probleme mit den hierzulande oft Tod bringenden Krankenhauskeimen haben. Die Folge: Rein rechnerisch ist für mehr als jeden zehnten Infizierten im Nachbarland das Virus tödlich, während in Deutschland diese Quote bei etwa 2,5 Prozent liegt. Warum es in den Niederlanden so viel mehr Corona-Fälle gibt, die oft unerkannt geblieben sind, liegt an anderen Gründen.

Wenig Tests ausgeführt - entgegen den Empfehlungen der WHO

Doch die Kriterien für Corona-Tests hatte man wegen knapper Ressourcen entgegen der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO erst Mitte März sogar noch weiter verschärft und neben Schwerkranken vor allem für Mitarbeiter im Gesundheitswesen vorgesehen, um vor allem die Verbreitung des Virus in Kliniken einzudämmen. Dies und der erst spät verhängte Lockdown führt dazu, dass auch die Niederlande aus Sicht des Robert-Koch-Instituts bereits ein Corona-Risikogebiet waren, schon lange ehe das RKI sich entschloss, schlicht die ganze Welt zur Risikozone zu erklären.

Doch auch in den Niederlanden wird Kritik an den nur spärlich ausgeführten Tests auf das Virus laut. Der aus Nürnberg stammende Mikrobiologe Alex Friedrich, der im niederländischen Groningen lehrt, beschreibt es mit einem Bild, das den Niederländern eigentlich eingängig sein müsste. "Wir können die Höhe der Welle nicht beurteilen, wenn wir hinterm Deich sitzen."