Bielefeld/Paderborn. . Nabu-Chef Tumbrinck will die Nationalpark-Forderung im geplanten Artenschutz-Volksbegehren für NRW verankern. 1000 Rote-Liste-Arten leben dort.

100 Quadratkilometer Natur zwischen Bielefeld und Paderborn – Heide, Moore, immer wieder Bäche, Wiesen und Wälder wechseln ab. Fischotter, Wiedehopf und Feldgrille sind in der Senne zu Hause, Nordrhein-Westfalens zweite Wölfin streift dort durch die Gegend. Mit der Änderung des Landesentwicklungsplanes (LEP) verabschiedet sich die schwarz-gelbe Landesregierung vom Ziel, dort einen Nationalpark einzurichten, den zweiten nach der Eifel. Naturschützer kritisieren das scharf.

In einer gemeinsamen Erklärung zeigen sich der Naturschutzbund (Nabu), der Umweltverband BUND und die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt empört. Nabu-Landeschef Josef Tumbrinck spricht von einem „Schlag ins Gesicht der nachfolgenden Generationen“.

„Die Naturschutzverbände werden das Ziel eines Nationalparks in der Senne nicht aus den Augen verlieren“, versicherte er im Gespräch mit der Redaktion.

Einzigartige Tier- und Pflanzenvielfalt in der Senne

Das Schwarzkehlchen

Das Schwarzkehlchen lebt auf offenen Flächen mit einzelnen Büschen, zum Beispiel auf Hochmooren und Heiden. Sein Winterquartier hat es in Süd- und Westeuropa. In Mittel- und Osteuropa ist das Europäische Schwarzkehlchen von März bis November anwesend. Foto: Nabu

Der Schwarzstorch

Der Schwarzstorch ist die einzige in Europa brütende Art aus der Familie der Störche. Foto: Nabu

Der Moorfrosch

Der Moorfrosch ist eine unserer kleineren Froscharten, er erreicht nur eine Größe von maximal sieben Zentimetern. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Deutschland über Osteuropa bis weit nach Sibirien. Foto:Getty

Ähriger Blauweiderich

Der lange Zeit in NRW als verschollen eingestufte Ährige Ehrenpreis wurde vor wenigen Jahren in der Senne wieder gefunden. Foto: dpa

Einfacher Rautenfarn

Das einzige bekannte NRW-Vorkommen des Einfachen Rautenfarns befindet sich in der Senne. Foto: dpa

Die Wildkatze

Auch die Wildkatze streift durch die Senne. Foto: dpa

Die Heidelerche

Sie ist bekannt für ihren weichen und melodischen Gesang: die Heidelerche. Foto: dpa

Der Ziegenmelker

Der seltene Ziegenmelker ist in der Senne zu Hause. Foto: Breile/Huck

Sandglöckchen

Sie bringen Farbe in die Senne: Sandglöckchen mit ihren blauen Blüten. Foto: Nabu

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Nach Vorstellungen des Nabu wird die Forderung nach einem Nationalpark dort Bestandteil eines Volksbegehrens zur Artenvielfalt, dass die Naturschützer auf den Weg bringen wollen. Die Senne gilt als „Hot-Spot“ der Artenvielfalt.

Ministerium: Maßnahmenplan für Biotope aufgelegt

Mehr als 1000 Rote-Listen-Arten an gefährdeten Tieren und Pflanzen sind dort zuhause. Nirgendwo sonst in NRW gibt es z.B. so viele streng geschützte Zauneidechsen.

Ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums erklärte auf Nachfrage, dass man der Senne „allerhöchste Bedeutung für die biologische Vielfalt in NRW“ beimesse; schon jetzt überspanne ein Netz von verschiedenen Schutzgebieten das Areal (europäische Natura 2000-Gebiete, Schutzgebiete nach Bundes- oder NRW-Naturschutzgesetz). „Dieser rechtliche Schutz auf mehreren Ebenen ist kaum zu toppen“, so der Sprecher.

Viel Zustimmung in der Bevölkerung

Mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und den Britischen Streitkräften habe man zudem erst kürzlich für die Senne einen umfassenden Maßnahmenplan aufgelegt, wie die Biotope dort noch weiter entwickelt werden können. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) verwies darauf, d ass die Briten und andere Streitkräfte die Senne auch nach 2020 als Truppen-Übungsplatz nutzen wollen: „Das trägt zum weiteren Schutz dieses wertvollen Lebensraumes bei.“ Viele seltene Tier- und Pflanzenarten fühlten sich in der Sperrzone wohl. „Weitergehende naturschutzfachliche Fragen“ stellen sich aus Sicht des Ministeriums erst, wenn die militarische Nutzung der Senne aufgegeben werde.

Aus Sicht der Naturschutzverbände hingegen ist die Aussage der britischen Truppen, bis 2023 in der Senne zu bleiben, kein Grund auf den Nationalpark als langfristiges Ziel zu verzichten, im Gegenteil. Sie verweisen auf eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2018, wonach 85% der Bevölkerung in NRW und 75% in Ostwestfalen-Lippe den Nationalpark Senne wollen. Auch der Regionalrat in Detmold, die Kreise Herford und Lippe sowie viele Städte forderten die Beibehaltung des Nationalpark-Zieles.

Grundwasserspeicher ist unbelastet

Nicht zuletzt gehe es auch um Wasserschutz. Weil die Senne nie landwirtschaftlich genutzt, dort nicht gedüngt oder gespritzt wurde, sei der Grundwasserspeicher von Nitrat unbelastet. „In der Senne entspringen Nordrhein-Westfalens klarste Bäche“, sagt Nabu-Chef Tumbrinck.