Schermbeck. Die Experten wissen nicht, wo genau sich der Wolf am Niederrhein aufhält. Einige Einwohner vertrauen den Fachleuten nicht und sind selbst aktiv.

Was, wenn nun gerade diese Wölfin nicht normal ist und doch auf den Menschen zugeht? 180 Jahre, nachdem der Wolf in Nordrhein-Westfalen als ausgerottet galt, ist eine Wölfin wieder heimisch geworden. Sie streift am Niederrhein bei Schermbeck, Dinslaken, Hünxe und bei Bottrop durch die Wälder. Dort hinterlässt sie Spuren. Ob zuletzt auch das tote Rinderkalb in Schermbeck auf ihr Konto geht, der Nachweis steht noch aus. "Über alle Nachweise hinweg zeigt sich, dass sich die Wölfin in diesem Bereich irgendwo aufhält. Wo genau, das wissen wir nicht", sagt Matthias Kaiser, Artenschutzexperte beim Landesumweltamt.

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Vor Ort schwingt in kontroversen Diskussionen oft diese "Was-wäre-Wenn-Frage" mit. Auch im Schermbecker Ortsteil Gahlen. Auf seiner Internet-Seite hat das Gahlener Bürgerforum eine eigene "Wolfs-Karte" erstellt mit angeblichen Wolfs-Sichtungen, vereinzelt auch mitten im Ort - also dort, wo ein normaler, menschenscheuer Wolf nicht sein dürfte.

Ist der "scheue Wolf" nur ein Märchen?

"Gegen 22.00 Uhr parkte ich mein Auto im Carport. Als ich hinter meinem Auto stand, glaubte ich, den Hund unseres Nachbarn zu sehen", heißt es in einer Schilderung auf der Seite. Später gab es für den Schreiber keinen Zweifel: Das war ein Wolf. "Die Sichtungen im Bereich der Bebauung führen nicht gerade dazu, dass die Leute weiterhin Vertrauen in die Aussagen von Fachleuten haben", sagt Gemeindesprecher Herbert Tekaat - nämlich, dass der Wolf den Menschen meide.

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Beim Landesumweltamt sieht man Eigeninitiativen wie in Gahlen kritisch: "Es hat keinen Zweck, wenn die Leute anfangen, selber Daten sammeln, die für sich behalten, um die dann irgendwie auszuwerten", mahnt der Artenschutz-Experte beim Landesumweltamt, Matthias Kaiser. Die Hinweise müssten nach festgelegten Standards und mit Expertenwissen ausgewertet werden. Alles andere schüre doch nur die Unsicherheit der Menschen vor Ort. Sollte dann herauskommen, dass ein Wolf tatsächlich durch eine Ortschaft streiche, dann müsste man sich die Situation genau anschauen. Die Gahlener verweisen auf ihrer Wolfs-Seite jetzt auch auf das Landesumweltamt.

In Hünxe gibt es ein Wolfsnetz für die Jagd auf das Wildtier

Mensch und Wolf - dass das eine schwierige Beziehung werden würde, das hatte sich auch der Landrat des Kreises Wesel schon früh gedacht. Die Kennung für die Wölfin GW 954 fand Ansgar Müller (SPD) gar nicht förderlich für die Akzeptanz. "Unserer neuen Kreisbewohnerin gebe ich den Namen Gloria von Wesel", verkündete er beim Besuch einer Schäferin, bei der die Wölfin vorher zugeschlagen hatte.

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Im Hünxener Rathaus hängt noch das 200 Meter lange Wolfsnetz, mit dem die Leute bis ins 19. Jahrhundert hinein Jagd auf Wölfe gemacht haben. War ein Wolf in der Gegend, wurde dieBevölkerung zusammengetrommelt, das Netz in Hufeisenform aufgestellt und das Tier dort rein getrieben. Jetzt ist der Wolf zwar wieder da, aber alles ist anders: Er steht unter Artenschutz.

Angst um die Sicherheit der Kinder

Klaus Stratenwerth sieht, wie die Wölfin in Hünxe polarisiert und wundert sich, welche Wellen die Rückkehr schlägt: Zu den beiden Bürgerversammlungen des Landesumweltamts im Kreis Wesel waren mehr als 600 Leute gekommen. Es kamen vor allem die Tierhalter, die wissen wollten, welche Unterstützung sie vom Land für die Schutzmaßnahmen bekommen.

So lebt man mit Wölfen - Besuch in einer Auffangstation

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    Aber der Allgemeine Stellvertreter des Bürgermeisters Stratenwerth hat auch die Fragen verunsicherter Nicht-Tierhalter gehört: Wer weiß schon, dass man bei einer Begegnung mit dem Wolf im Wald nicht laut schreiend wegrennen sollte. Eltern fragen sich, ob ihre Kinder morgens allein an der Bushaltestelle stehen sollten. Und wie reagiert die Wölfin auf einen Hund im Wald? "Man weiß nicht mehr, wie man mit einem solchen Wildtier umgehen soll", bringt Stratenwerth die Unsicherheit der Menschen auf den Punkt. (dpa)