Essen. Solo-Urlaube sind kein Tabu mehr und können Beziehungen sogar stärken. Eine Paartherapeutin erklärt, wie Partner damit umgehen können.
Gemeinsame Reisen gelten oft als Highlight jeder Beziehung – doch manchmal ruft das Bedürfnis nach Alleinsein. Ein Solo-Urlaub kann nicht nur die persönliche Freiheit fördern, sondern auch das Miteinander bereichern. Wie Paare davon profitieren können und wie man den Wunsch bespricht, verrät eine Beziehungsexpertin.
Für manche Partner mag dieses Bedürfnis zunächst befremdlich wirken. Doch laut einer ElitePartner-Studie aus dem Jahr 2018 sind Solo-Reisen längst keine Seltenheit mehr: Demnach sollen 23 Prozent der 5000 befragten Menschen in Deutschland bereits ohne Partner oder Partnerin verreist sein. Die Berliner Psychotherapeutin und Paartherapeutin Simone Jank bestätigt diesen Trend: „In meinem Alltag begegnet mir das Thema sehr oft. Ich würde sagen, dass rund ein Viertel der Menschen, die in einer festen Beziehung sind, gelegentlich alleine Urlaub machen“, erzählt die Expertin.
„Ich möchte allein Urlaub machen“ – Wie kommuniziert man diesen Wunsch am besten?
Laut Jank ist es für einige Menschen nicht vorstellbar, ohne den Partner oder die Partnerin zu verreisen. In vielen Partnerschaften sei es von Anfang an „eine nicht verhandelbare Voraussetzung“. Doch der Wunsch nach einer kleinen Solo-Auszeit komme häufig erst im Laufe der Zeit. „Wenn das Bedürfnis nach Nähe und Bindung befriedigt ist – und das wird es gerade am Anfang der Partnerschaft meistens sehr stark – dann tritt das Bedürfnis nach Autonomie, also Unabhängigkeit, in Erscheinung“, erklärt die Expertin.
Das Bedürfnis nach mehr Autonomie sei bei Menschen unterschiedlich stark, sollte jedoch nie ignoriert werden. Es sei wichtig „eine gesunde Balance“ zu finden. „Das Bedürfnis nach einem Urlaub allein sollte deshalb von beiden Partnern ernst genommen werden“, so Jank.
Wer einen Solo-Urlaub plant, steht oft vor der Frage: Wie spreche ich das Thema am besten an? Die Paartherapeutin rät, den richtigen Zeitpunkt zu wählen: „Die erste wichtige Regel ist, das Thema so früh wie möglich anzusprechen“.
Idealerweise sucht man das Gespräch, bevor man konkrete Pläne schmiedet und den Partner vor vollendete Tatsachen stellt. „Am besten teilt man dem Partner erst einmal mit, dass man etwas Wichtiges mit ihm besprechen möchte und fragt, wann es ihm am besten passt. So setzt man einen passenden Rahmen und verschafft dem Thema vorab eine gewisse Bedeutung und Aufmerksamkeit“, empfiehlt Jank.
Wann könnte ein Solo-Urlaub für Beziehungen gefährlich sein?
Wenn Partner über den Wunsch sprechen, alleine Urlaub zu machen, sollten sie genau erklären, welche Gründe dahinterstecken und was sie sich von der Reise erhoffen, rät die Psychotherapeutin. Die Motive können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein: Bei manchen könne die Auszeit der Selbstreflexion dienen, andere wollen dem alltäglichen Stress entkommen.
Allerdings sei nicht jeder Zeitpunkt dafür geeignet: „In Krisenzeiten einer Partnerschaft ist ein Alleinurlaub nicht sinnvoll. Stattdessen sollte man dann gemeinsam an der Beziehung arbeiten. Auch in anderen schwierigen Situationen wie nach der Geburt eines Kindes oder nach einem Umzug ist ein Alleinurlaub nicht angemessen“, so Jank.
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Paarexpertin: In diesen Fällen kann ein Alleinurlaub für Beziehungen förderlich sein
In vielen Fällen können Solo-Urlaube nicht nur dem Reisenden selbst, sondern auch der Partnerschaft zugutekommen – insbesondere, wenn das Bedürfnis nach Nähe bei beiden Partnern erfüllt ist und hinter dem Wunsch nach einer Auszeit nachvollziehbare Motive stecken. Die Berliner Psychotherapeutin betont: „Ein Urlaub allein trägt häufig dazu bei, die Partnerschaft zu beleben. Die Distanz kann zum Beispiel lustfördernd sein, weil sie Sehnsucht nach der anderen Person weckt.“
Auch für den Partner, der nicht verreist, kann so eine Reise inspirierend sein. Entdeckt die verreisende Person neue Aktivitäten, können diese später gemeinsam ausprobiert werden. Welche Aktivitäten das sein könnten, bleibt dem Partner überlassen: „Es ist alles förderlich, was zum Wohlbefinden beiträgt. Das kann für die eine Sport sein und für den anderen Entspannung am Strand. Wichtig ist dabei, dem Partner das Gefühl der Teilhabe zu vermitteln“, so Jank. Regelmäßiger Austausch über das Erlebte oder das Teilen von Urlaubsfotos könnten die kurzzeitige Trennung zusätzlich erleichtern.
Expertin über Solo-Reisen: So sollten Sie lieber nicht reagieren
Auch wenn Alleinurlaube kein Tabu mehr sind, können sie bei dem anderen Partner, der zurückbleibt, zu einem Gefühlschaos führen. Dennoch sollten Sätze wie „Du bist intolerant“, „Wenn du mich nicht fahren lässt, dann…“ oder „Die Beziehung ist ein Knast“ lieber vermieden werden. Sie würden zu noch mehr Stress führen und Partner unter starken Druck setzen. „Wenn man solche Sachen sagt, ist die Beziehungskrise vorprogrammiert. Gerade in der Urlaubssaison erlebe ich so etwas leider oft“, sagt die Paartherapeutin.
Die Expertin empfiehlt der Person, Ruhe zu bewahren und den Partner nach seinen Motiven zu fragen. Warum möchte er oder sie alleine verreisen? Welche Bedürfnisse und Erwartungen stecken dahinter? „Hilfreich kann dabei ein aktives, vertiefendes Zuhören sein. Sprich: Wiederholen, was bei einem angekommen ist, wieso der Partner Angst hat, oder was er sich wünscht“, so Jank.
Es sei wichtig, offen und ehrlich über die Bedürfnisse der beiden Partner zu sprechen und sie möglicherweise aufzuschreiben. So können beide im Anschluss an das Gespräch in aller Ruhe über das Gesagte reflektieren. Entscheidend sei, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Kompromisse einzugehen. Beispielsweise könnten Partner über die Dauer des Urlaubs verhandeln oder zusammen verreisen und einen Teil der Zeit alleine verbringen.
Auch die Kommunikation während der Abwesenheit sollte vorab geklärt werden, rät Jank. Regelmäßige Telefonate, Textnachrichten oder Versenden von Fotos könnten helfen, den Kontakt aufrechtzuerhalten und Nähe zu bewahren. „Am wichtigsten ist in erster Linie, das vorher zu besprechen und sich auch wirklich an die getroffene Abmachung zu halten“, so die Paartherapeutin. Gelingt es den Partnern, gute Kompromisse zu finden und ihre Bedürfnisse gegenseitig zu respektieren, könne ein Alleinurlaub die Beziehung stärken und sich auf beide Partner positiv auswirken, betont Jank.