Berlin. Das Corona-Medikament Paxlovid wird sehr zurückhaltend verschrieben. Viele Pillen landen im Müll. Warum das so ist und wem das Mittel hilft.
Das einst als Hoffnungsträger im Kampf gegen Corona bezeichnete Medikament Paxlovid wird in Deutschland äußerst zurückhaltend verschrieben. Drei der größten Krankenkassen in Deutschland, Techniker Krankenkasse, Barmer und AOK Rheinland-Hamburg, haben in der vergangenen Corona-Hochsaison von Oktober bis Neujahr trotz einer Vielzahl von Infektionen nur etwa 15.000 Verordnungen gezählt. Wie die Zurückhaltung zu erklären ist und für wen Paxlovid nach wie vor eine Therapie-Option ist.
Corona: Was ist Paxlovid und wie wirkt das Medikament?
Paxlovid ist ein sogenanntes Virostatikum der US-Firma Pfizer und besteht aus den beiden Wirkstoffen Nirmatrelvir und Ritonavir. Die empfohlene Dosis beträgt zwei Tabletten mit je 150 Milligramm Nirmatrelvir und eine Tablette mit 100 Milligramm Ritonavir. Die drei Tabletten sollen zweimal täglich jeweils morgens und abends über einen Zeitraum von fünf Tagen eingenommen werden. Innerhalb der ersten fünf Tage nach Auftreten von Symptomen sollte die Therapie beginnen. Der Wirkstoff Nirmatrelvir hindert Corona-Viren daran, sich in den menschlichen Zellen zu vermehren, Ritonavir verstärkt die Wirkdauer von Nirmatrelvir.
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Paxlovid – welche Erkenntnisse gibt es zur Wirksamkeit?
In der Zulassungsstudie von Hersteller Pfizer zeigte sich bei Risikopatientinnen und -patienten, die mit Paxlovid behandelt wurden, ein 89,1 Prozent niedrigeres Risiko für einen schweren Verlauf samt Einweisung ins Krankenhaus oder Tod gegenüber der Gruppe von Menschen, die nur ein Scheinmedikament bekamen. Die Studie wurde allerdings zu einer Zeit gemacht, in der die Delta-Variante von Sars-CoV-2 grassierte. Die Teilnehmenden waren zudem ungeimpft.
Bei einer Infektion mit einer Omikron-Variante und einer hohen Impfquote in der Bevölkerung ist die Wirksamkeit von Paxlovid wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge geringer. Hier zeigte eine Studie aus Israel eine relative Reduktion des Risikos für einen schweren Covid-19-Verlauf um 46 Prozent. Dies galt für Erkrankte, die innerhalb von drei Tagen nach dem positiven Corona-Test mit Paxlovid behandelt wurden.
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Corona: Wann sollte man Paxlovid nehmen?
Auch hier gibt eine Studie aus Israel die Antwort: Das Risiko für eine Krankenhauseinweisung bei Patienten über 65 Jahren war mit Paxlovid-Medikation um 73 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe. Das Risiko an Covid-19 zu versterben war um 79 Prozent geringer. Bei jüngeren Erwachsenen zwischen 40 und 64 Jahren lieferte die Studie keine Hinweise auf einen Nutzen von Paxlovid.
„Von der Einnahme können allen voran Risikopatientinnen und -patienten, bei denen ein schwerer Verlauf nach einer Infektion mit Sars-Cov-2 zu befürchten ist, profitieren“, erklärt Vincent Jörres vom Deutschen Hausärzteverband. Zu den Risikofaktoren gehören unter anderem Fettleibigkeit, das Alter, Immundefizite, Herz-Kreislauf-, chronische Nieren- und Lungenerkrankungen, Diabetes oder Krebs.
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„Wie jedes andere Präparat sollte Paxlovid nur verschrieben werden, wenn es hierfür eine medizinische Indikation gibt und keine Kontraindikation besteht“, sagt Jörres. Für gesunde, geimpfte Menschen Mitte 40 beispielsweise sei eine Verschreibung in aller Regel nicht notwendig.
Wie häufig wird Paxlovid verordnet?
Die Bundesregierung hatte im Februar 2022 eine Million Packungen Paxlovid zentral von Pfizer gekauft. Davon wurden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nur 580.000 vom pharmazeutischen Großhandel an Apotheken ausgeliefert. Ende Februar 2024 lief das Haltbarkeitsdatum ab. 420.000 abgelaufene Packungen lagert der Bund seitdem ein, so das BMG.
Von den 580.000 ausgelieferten Packungen dürften aber nicht alle an Patienten ausgereicht worden sein. Schätzungen zufolge, so berichteten WDR, NDR „Süddeutsche Zeitung“, sollen etwas mehr als 300.000 Packungen wirklich zur Behandlung eingesetzt worden sein.
Seit dem 8. April 2023 sind die gesetzlichen Krankenkassen die Kostenträger für die Verordnung von Paxlovid. Sie zahlten bis Mitte Februar 2024 etwa 60 Euro pro Packung, weil diese noch aus den Beständen des Bundes kamen. Dann wurden nur noch neue Chargen abgegeben. Der nicht mehr vom Bund subventionierte Preis beträgt laut AOK Rheinland/Hamburg 1149,19 Euro.
Die beiden größten Krankenkassen, Techniker Krankenkasse und Barmer, zahlten ihren knapp 20 Millionen Versicherten zwischen April 2023 und Mai beziehungsweise Juli 2024 nur 11.300 oder 10.279 Packungen. Die Zurückhaltung bei der Verordnung hat sich also auch 2023 fortgesetzt, obwohl die Corona-Inzidenz seit September stetig angestiegen war und im Dezember bei geschätzt 3000 pro 100.000 Einwohner lag.
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Corona-Pille: Wie ist die Zurückhaltung zu erklären?
Grund für die Zurückhaltung sind Experten zufolge weniger der hohe Preis für Paxlovid, sondern eher das mit der gewachsenen Immunität in der Bevölkerung gesunkene Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und die vielen Wechselwirkungen von Paxlovid mit anderen Medikamenten. „Das Management von Arzneimittelwechselwirkungen bei Risikopatienten mit Covid-19, die mehrere Begleitmedikamente erhalten, kann komplex sein. Es erfordert ein fundiertes Wissen über Art und Ausmaß der Wechselwirkung“, erklärt das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Bei Paxlovid umfasst die Liste mit wechselwirkenden Medikamenten 21 DIN A 4-Seiten, auf denen mehr als 150 Wirkstoffe und Mittel stehen. Das sind Medikamente gegen Herzschwäche, Bluthochdruck oder Diabetes. Der gleichzeitige Einsatz „kann zu signifikanten Arzneimitteltoxizitäten oder relevanter Minderung der Wirksamkeit führen“, erklärt das Robert Koch-Institut.
„Hausärztinnen und Hausärzte wägen bei der Verschreibung von Paxlovid, wie bei jedem anderen Präparat auch, den Nutzen wie die Risiken ab, ob es Sinn ergibt, Paxlovid zu verschreiben oder nicht“, sagt Vincent Jörres. Für die Bewertung informierten sie sich unter anderem über das BfArM, Interaktionschecks oder die entsprechende medizinische Fachgesellschaft. „Am Ende entscheiden Hausärztinnen und Hausärzte dann gemeinsam mit ihren Patientinnen und Patienten immer nach individuellem Fall.“
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