Berlin. Harmloses Muttermal oder Hautkrebs? Mit bloßem Auge ist die Diagnose schwierig. Krebsforscher haben ein Gerät entwickelt, das helfen könnte.

Hautkrebs oder Muttermal? Trotz eines geschulten Auges von Arzt oder Ärztin sind geschätzt fünf bis 40 Prozent der Urteile falsch. Künstliche Intelligenz soll die Untersuchung jetzt weiter verbessern. Und dafür sorgen, dass mehr Früherkennung angeboten werden kann.

Hautkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. Seit Jahren steigt laut Deutscher Krebsgesellschaft die Zahl der Fälle. Bekamen 2007 hierzulande noch etwa 144.000 Männer und Frauen die Diagnose, waren es 2023 bereits mehr als 300.000. Auch die Zahl der Todesfälle wuchs von etwa 2600 Fällen im Jahr 2001 auf 4100 Fälle im Jahr 2021. Am häufigsten war der sogenannte schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom, für einen tödlichen Krankheitsverlauf verantwortlich.

Titus Brinker (l.) mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Krebsforscher zeigt dem Minister hier das KI-assistierte Dermatoskop, das er und sein Team entwickelt haben.
Titus Brinker (l.) mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Krebsforscher zeigt dem Minister hier das KI-assistierte Dermatoskop, das er und sein Team entwickelt haben. © DKFZ | Uwe Anspach

Seit 2008 gibt es ein Screening zur Früherkennung, das alle zwei Jahre von der Krankenkasse bezahlt wird. Doch mitunter werde die Früherkennung durch lange Wartezeiten zur Späterkennung, sagt Titus Brinker, Dermatologe und Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Es gibt zu wenige Hautärzte und zu viele Patienten, sodass einige Patienten keinen Termin bekommen“, sagt er. Abhängig von ihrem Wohnort hätten nicht alle Menschen in Deutschland schnellen Zugang zu einem erfahrenen Dermatologen.

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Hautkrebs: KI wurde anhand tausernder Bilder trainiert

Brinker und sein Team vom DKFZ wollen hier Abhilfe schaffen und gleichzeitig die Qualität der Versorgung verbessern. Seit 2018 entwickeln sie ein Dermatoskop, in das Kamera, Grafik-, Speicherkarte und Display verbaut wurden. Auf den Geräten kann eine KI-Software laufen, die anhand tausender Bilder darauf trainiert ist, bösartige Melanome zuverlässig von harmlosen Muttermalen zu unterscheiden.

„Mit dem KI-assistierten Dermatoskop wollen wir auch Allgemeinmediziner oder jüngere Hautärzte dabei unterstützen, sichere und zuverlässige Diagnosen zu stellen“, so Brinker. Und auch erfahrene Spezialisten könnten mit dem System ihre diagnostische Treffsicherheit weiter steigern. Die Wissenschaftler um Brinker waren dabei die ersten, die nachweisen konnten, dass das KI-System bei der Beurteilung von Hautschädigungen besser abschnitt als Dermatologen.

Gleichzeitig klärten Brinker und sein Team sowohl per Befragung bei Patienten als auch bei Dermatologen die Bereitschaft ab, sich auf die Ergebnisse einer KI-Diagnostik zu verlassen. Erstmalig in der Dermatologie erklärt ein KI-basiertes Unterstützungssystem seine Entscheidungen, was das Vertrauen der Mediziner in die Entscheidungen der Maschine – sowie auch in ihre eigenen Diagnosen stärken soll.

Krebsforscher: „Das macht den Einsatz schwierig“

Dass das neue Dermatoskop erst etwa 2029 auf dem Markt sein könnte, hat Brinker zufolge mit der EU-Medizinprodukteverordnung zu tun. „Die macht den Einsatz von KI am Patienten ähnlich schwierig und bürokratisch, wie die Europäische Datenschutzgrundverordnung die Datenforschung insgesamt“, so Brinker. Beide EU-Verordnungen seien sehr effektive Bremsklötze für Fortschritt.

„Wir hoffen dennoch, dass wir es schaffen, das neue Dermatoskop für Hautärzte und Hausärzte europaweit zuzulassen“, so Brinker. Die höhere Ambition sei es sogar, allen Menschen zu ermöglichen, das Gerät zu kaufen - „um exakte Untersuchungen zur Früherkennung maximal verfügbar zu machen.“