Berlin. Immer mehr Menschen bekommen Hautkrebs. Viele aber schludern bei der Vorsorge. Ein Experte erklärt, worauf es beim Screening ankommt.

Hautkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. Seit Jahren steigt nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft die Zahl der Fälle. Bekamen 2007 noch etwa 144.000 Männer und Frauen die Diagnose, waren es 2023 bereits mehr als 300.000. Auch die Zahl der Todesfälle wuchs von etwa 2600 Fällen im Jahr 2001 auf 4100 Fälle im Jahr 2021. Am häufigsten war der sogenannte schwarze Hautkrebs (malignes Melanom) für einen tödlichen Krankheitsverlauf verantwortlich.

Seit 2008 gibt es ein standardisiertes Programm zur Früherkennung, das sich an alle gesetzlich versicherten Personen ab 35 Jahren richtet. Diese haben alle zwei Jahre das Recht auf ein von der Kasse bezahltes Screening. Doch nach Angaben der Krankenkasse IKK Classic nutzen nur wenige Menschen dieses Angebot. Einer aktuellen Untersuchung zufolge sank die Teilnahmequote von 2015 bis 2022 weiter ab - von 17 auf 13,2 Prozent. „Ein Trend, der bereits vor Corona begann und sich durch die Pandemie verstärkte“, teilt die Kasse mit.

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Hautkrebs: „Es gibt zu wenige Hautärzte und zu viele Patienten“

Früh erkannt, kann Hautkrebs in sehr vielen Fällen erfolgreich behandelt werden. Je später er entdeckt wird, desto geringer sind die Behandlungserfolge. Vor diesem Hintergrund sei die Zurückhaltung beim Screening „eine problematische Entwicklung“, so die IKK Classik.

Doch selbst wer den Willen hat, seine Haut alle 24 Monate auf verdächtige Stellen hin untersuchen zu lassen, muss mit Schwierigkeiten rechnen: „Es gibt zu wenige Hautärzte und zu viele Patienten, sodass einige Patienten entweder keinen Termin bekommen oder jeder Patient weniger Zeit“, sagt Dr. Titus Brinker, Hautarzt und Gruppenleiter beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Durch lange Wartezeiten werde Früh- oft zur Späterkennung.

Auch wirtschaftliche Aspekte beeinflussten die Situation: „Viele Kosten in den Praxen sind gestiegen, insbesondere die Personalkosten. Die Vergütung für das Hautkrebsscreening von Kassenpatienten ist aber relativ gleichgeblieben“, sagt Brinker. Der Vergütungssatz sei mittlerweile so niedrig, dass sich Hautärzte kaum ausreichend Zeit nehmen könnten, ohne in die roten Zahlen zu rutschen. „Das hat unter anderem dazu geführt, dass viele Praxen keine Kassenpatienten mehr annehmen und nur noch Selbstzahler und Privatpatienten behandeln möchten.“

Malignom oder Muttermal: Fehlerrate von fünf bis 40 Prozent

Weniger Zeit für die Untersuchung und Ablehnung von gesetzlich Versicherten: Für Patientinnen und Patienten kann das bedeuten, dass Krebs nicht erkannt oder übersehen wird. „Die Unterscheidung von gutartigen Pigmentmalen und schwarzem Hautkrebs ist sehr komplex und fehleranfällig“, sagt Titus Brinker. Zwar gebe es keine Statistik darüber, wie oft Krebs trotz Vorsorge übersehen werde, „es gibt aber ungefähre Fehlerraten bei der Unterscheidung von Muttermalen und schwarzem Hautkrebs.“ Diese lägen je nach Schwierigkeitsgrad der Pigmentmale bei fünf bis 40 Prozent.

Titus Brinker, Dermatologe, KI-Experte und Krebsforscher am Deutschen Zentrum für Krebsforschung.
Titus Brinker, Dermatologe, KI-Experte und Krebsforscher am Deutschen Zentrum für Krebsforschung. © DKFZ | J.Jung

Krebsforscher Brinker spricht sich dafür aus, nicht nur die Verfügbarkeit des Hautkrebs-Screenings zu erhöhen, sondern auch dessen Qualität. Er plädiert dafür, das Screening durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu verbessern. Gemeinsam mit seinem Team am DKFZ war Brinker 2019 der erste Forschende weltweit, der nachweisen konnten, dass eine gut trainierte Computersoftware dem Menschen bei der Unterscheidung von schwarzem Hautkrebs und Muttermalen überlegen ist.

Hautkrebs: Wenn Arzt oder Ärztin allzu grob arbeiten

Entsprechend zeichnet sich für den Experten des DKFZ eine gut gemachte Vorsorge dadurch aus, dass erstens ein Dermatoskop eingesetzt wird, ein medizinisches Instrument, das die Untersuchung der Haut bis in tiefere Schichten ermöglicht. „Idealerweise wird darüber hinaus auch zur Auswertung Künstliche Intelligenz sowie eine Fotodokumentation eingesetzt.“ Zudem müsse tatsächlich die komplette Haut, „auch die unter den Haaren und in Körperfalten“, systematisch untersucht werden.

Für Kassenpatienten könnte es sich laut dem Experten lohnen, das Hautkrebs-Screening selbst zu zahlen und sich dafür mehr Zeit zu erkaufen. Diese Leistung wird je nach Einsatz von Dermatoskop und KI für etwa 60 bis 110 Euro angeboten. „Mehr Zeit ohne finanzielle Gegenleistung von einem Hautarzt einzufordern, funktioniert in aller Regel nicht. Denn das heißt, anderen Patienten Zeit wegzunehmen oder den Hautarzt zu unwirtschaftlichem Arbeiten aufzufordern“, sagt Brinker. Werde beim Hautkrebs-Screening allerdings allzu grob gearbeitet, rät Brinker dazu, den Hautarzt zu wechseln.