Berlin. Gerade in den Ferien verbringen wir gerne Zeit am Wasser. Das kann jedoch ganz schön gefährlich sein und zu Verletzungen führen.

In einigen Bundesländern haben die Sommerferien bereits begonnen, in anderen stehen sie kurz vor der Tür: Der Urlaub kann beginnen! Und wie so oft führt der Weg für viele Reisende ans Meer oder große Seen, um sich vor den hohen Temperaturen ins kühle Nass zu „retten“.

Doch gerade beim unbedachten Baden und dazugehörigen Aktivitäten kann es zu verschiedenen Verletzungen und Erkrankungen kommen, die viele nicht auf dem Schirm haben. Prof. Dr. Andreas Seekamp ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Er erklärt, was Sie beim Baden unbedingt beachten sollten, um den Urlaub unbeschadet zu überstehen.

Gefahr beim Baden: Leichtsinn führt häufig zu Verletzungen

Laut Prof. Seekamp können Wasser, Wind und Sonne schnell zu gefährlichen Unfällen führen. Ursache dafür sei aber häufig schlichtweg Leichtsinn. Häufige Gefahren seien nächtliche Abenteuer in Freibädern, Kopfsprünge in unbekannte Gewässer oder potenziell gefahrenreiche Wassersportarten wie Kitesurfen.

Prof. Seekamp: „Gute Laune, sportliche Aktivitäten und die Dynamik in der Gruppe lassen Vorsichtregeln oft vergessen.“ Vor allem vier Strand- und Badeverletzungen treten laut Seekamp im Sommer häufig auf:

Ringfinger-Verletzung durch leichtsinnige Bade-Ausflüge

Prof. Seekamp: „Ein typisches Beispiel ist der nächtliche Besuch eines geschlossenen Freibads. Häufig alkoholisiert, klettern die Wagemutigen über einen 3- bis 4-Meter hohen Zaun, der am oberen Ende nicht selten mit Stacheldraht gesichert ist. Mindestens einer aus der Gruppe bleibt bei diesem Manöver mit einem Ring an dem Zaun hängen und reißt sich dabei komplett die Haut vom Finger.“

Eine schwerwiegende Verletzung, die dringend behandelt werden muss. Seekamp: „Dies ist ein chirurgischer Notfall: Die Haut ist wie bei einem Handschuh vom Finger gerissen. Der Finger ist verloren, wenn nicht rasch der Weichteilmantel des Fingers chirurgisch wiederhergestellt wird. Im besten Fall kann der abgeschobene Hautmantel nach entsprechender Säuberung über den Finger zurückgeschoben und vernäht werden, wenn er noch in Höhe des Fingernagels am Finger hängt. Trotz sofortiger chirurgischer Maßnahmen ist die Prognose dieser Verletzung jedoch schlecht. In den meisten Fällen sind die kleinen Gefäße und Nerven so stark beschädigt, dass die Verletzung nicht ausheilt und der Finger nach einigen Tagen amputiert werden muss.“

Unbekannte Gewässer: Kopfsprünge sorgen für schwere Verletzungen

Prof. Seekamp: „Auch der Kopfsprung ins nicht bekannte oder zu tief eingeschätzte Wasser kommt weiterhin in den Sommermonaten regelmäßig vor. Je nachdem, welches Körperteil zuerst auf dem Grund des Gewässers aufschlägt, kommt es zu Verletzungen wie Frakturen der Hände und Arme oder zu Kopf- und Halswirbelsäulenverletzungen. Mehrmals pro Woche behandeln wir solche Patienten in unserer Notaufnahme.“

Professor Seekamp ist Experte für Unfallchirurgie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
Professor Seekamp ist Experte für Unfallchirurgie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). © Intercongress | TOBIAS TANZYNA

In den meisten Fällen würden zwar „nur“ Schürf-Verletzungen und Verstauchungen auftreten, die vergleichsweise einfach zu behandeln sind. Bei Brüchen in der Hand, dem Ellenbogen oder dem Schultergelenk steht in der Regel allerdings eine komplexe Operation sowie eine langwierige Reha an.

Seekamp: „Vier- bis fünfmal pro Sommer sehen wir in unserer Klinik aber auch die schwersten Verletzungen eines Kopfsprunges, wie schwere Schädelhirntraumata mit Einblutungen ins Gehirn oder Frakturen der Halswirbelsäule mit irreversibler Schädigung des Rückenmarks. Trotz sofortiger chirurgischer Behandlung hinterlassen diese Verletzungen oft einen lebenslangen Dauerschaden. Im schlimmsten Fall führt dies zu einer hohen Querschnittslähmung, die selbst die Atemmuskulatur betreffen kann. Querschnittsverletzungen nach Kopfsprung gibt in ganz Deutschland knapp 100 pro Jahr, so meine Schätzung.“ Testen Sie Gewässer also vorab gründlich, bevor Sie den Sprung ins Unbekannte wagen.

Wassersport: Brüche und Weichteilverletzungen sind keine Seltenheit

Doch nicht nur am Ufer oder davor lauern Gefahren, auch auf dem Wasser kann es beim Sporttreiben zu Verletzungen kommen. Seekamp sagt: „Gerade beim Kitesurfen, dem ‚Flitzen übers Wasser‘, passieren je nach Wetterlage schwere Unfälle, meist in Ufernähe. Herausfordernd sind beim Kitesurfen das Starten und Anlanden am Ufer. Die Sportart lebt vom starken Wind. Erst ab Windstärke 6 beginnt das Kitesurfen Spaß zu machen. Schätzt man eine Situation falsch ein, wird man durch das voll aufgeblähte Drachensegel mit großer Wucht beispielsweise gegen eine Kaimauer oder Strandbuhne geschleudert. Oder man stürzt bei plötzlich nachlassendem Wind aus größerer Höhe auf den Strand oder ins flache Wasser.“

Dabei kann es unter anderem zu ausgeprägten Frakturen des Gesichts, der Lendenwirbelsäule sowie der Unterschenkel und der Füße kommen. Um solche Gefahren zur vermeiden, sollten Sie zunächst einen professionellen Kurs besuchen, um die möglichen Gefahren kennenzulernen.

Sonnenbrand wegen Wind: Ein unterschätzter Faktor

Einfach entspannen am Strand, die Seele baumeln lassen und einfach mal nichts tun? Klingt gut! Doch gerade am Strand ist die Gefahr für schwere Verbrennungen besonders hoch. Schuld daran: Der Wind! Prof. Seekamp: „Durch den stetigen Wind verspürt man selbst bei starker Sonneneinstrahlung kein Verlangen, sich in den Schatten zu setzen. Der kühle Luftzug täuscht darüber hinweg, welcher intensiven Bestrahlung die Haut ausgesetzt ist und dass sich dabei ein Sonnenbrand entwickeln kann. Da die Haut zudem durch den Wind ausgetrocknet wird, spricht man an der See auch von einem ‚Windbrand‘.“

Badegewässer im Test
In Strandbereichen, Seen und Flüssen, in denen das Baden verboten ist, sollten Sie sich unbedingt an die Vorschriften halten. © picture alliance/dpa | Benedikt Spether

Die Folgen: Hautverbrennung zweiten Grades mit geröteter Haut und Blasenbildung. Betroffen sind vor allem der Rücken, die Waden und die Füße. Ausreichender Sonnenschutz ist deshalb von entscheidender Bedeutung.