Düsseldorf. “Es reicht“, finden NRW-Landespolitiker nach den propalästinensischen Demos am Wochenende. Sie sind aber auch etwas ratlos.
-- In Essen, Düsseldorf, Duisburg und andernorts ergriffen am Wochenende Demonstranten Partei für Palästina.
-- Dabei wurden auch islamistische Plakate gesichtet, auf denen ein Kalifatstaat gefordert wird.
-- Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und sein Innenminister Herbert Reul (CDU) finden diese "Grenzüberschreitungen" unerträglich.
Nachdem am Wochenende bei mehreren propalästinensischen Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen demokratiefeindliche und antisemitische Plakate zu sehen waren, wird in der Landespolitik die Forderung nach einer strengeren Kontrolle dieser Veranstaltungen lauter.
Pro-Palästina-Demos: NRW-Ministerpräsident Wüst sieht "Grenzen überschritten"
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schrieb auf der Online-Plattform X (früher: Twitter), dass bei diesen Demonstrationen „Grenzen überschritten" worden seien. Es sei "völlig inakzeptabel, dass islamistische Extremisten auf den Straßen unseres Landes für ihre Ziele werben und ein Kalifat fordern." Man werde das nicht hinnehmen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte nach einer Demo in Essen, bei der am Freitag offenbar Transparente mit der Forderung der Errichtung eines Kalifats in Deutschland gezeigt worden waren, an, die Auflagen für solche Kundgebungen auf den Prüfstand zu stellen.
Wer auf den Straßen den Kalifat-Staat ausrufe, der habe die demokratische Grundordnung nicht verstanden, sagte Reul der „Bild am Sonntag“. NRW werde daher die Regeln für Demonstrationen prüfen und die Bundesregierung auffordern, Verbote weiterer islamistischer Vereinigungen prüfen zu lassen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte vor wenigen Tagen die Hamas und die Palästinenser-Organisation Samidoun verboten.
Pro-Palästina-Demo:Essens OB Thomas Kufen ist entsetzt
Bei der Demonstration in Essen mit rund 3000 Teilnehmenden sei eine „neue Qualität“ erreicht worden, bilanzierte Reul. „Ein derart deutliches Werben für islamistische Ziele auf offener Straße war bisher in NRW nicht feststellbar.“ Laut der Essener Polizei wurden bei der Demo neben pro-palästinensischen Symbolen auch solche gezeigt, die den verbotenen Symbolen des „Islamischen Staates“ und der Taliban ähnelten. Möglicherweise sei der Versammlungsgrund „Pro Palästina“ nur vorgeschoben gewesen, um eine „islamreligiöse Veranstaltung“ durchführen zu können.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) kommt auch zu diesem Schluss: „Den Initiatoren ging es offensichtlich weniger um das Leid der Menschen im Gaza-Streifen, sondern viel mehr um die Verbreitung radikalislamistischer Parolen.“ Der Aufmarsch von „Islamisten, Antidemokraten und Judenhassern“ sei schwer erträglich. Verbote von Gruppierungen, die die Grenzen des Rechtsstaates nutzten, müssten eine Option sein. „Solche Bilder wollen wir in Essen nicht sehen“, sagte Kufen.
Lesen Sie hier den Kommentar von Alexander Marinos: "Die Anti-Israel-Demo in Essen ist eine Schande"
Der Chef der Jungen Union in NRW, Kevin Gniosdorz, forderte am Samstag das Verbot von „IS-Ersatzflaggen“ in Deutschland. Es dürfe nicht sein, „dass Islamisten unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit zur Gründung eines Kalifats, mutmaßlich auf deutschem Boden, aufrufen“.
Pro-Palästina-Demos: SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott für "null Toleranz"
Bestürzt reagierte auch der Oppositionsführer im Landtag, SPD-Fraktionschef Jochen Ott, auf die Bilder vom Wochenende. "Auf diese Szenen kann es nur eine Antwort geben: Null Toleranz. Wer den Holocaust auf unseren Straßen relativiert und ein Kalifat fordert, muss die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“, sagte der Kölner dieser Redaktion
Ott forderte Ministerpräsident Hendrik Wüst und Innenminister Herbert Reul dazu auf, ihren „schnellen Ankündigungen“ jetzt auch umgehend Taten folgen zu lassen. Die Auflagen für solche Aufmärsche müssten sofort überprüft werden. „Da darf es keinen Verzug geben", so der Politiker.
Pro-Palästina-Demos auch in Düsseldorf, Duisburg und Münster
In vielen Städten in NRW versammelten sich am Wochenende Menschen, um gegen oder für Israel zu demonstrieren. Die größte Kundgebung mit laut Polizei etwa 17.000 Demonstrantinnen und Demonstranten gab es am Samstag in Düsseldorf und richtete sich gegen Israel. Die Düsseldorfer Polizei berichtet von einem „überwiegend friedlichen Verlauf“. Allerdings seien schon vor dem Start der Demo Plakate sichergestellt worden, die den Holocaust relativierten. In der Landeshauptstadt gab es auch mehrere pro-israelische Aktionen.
Auch in Duisburg gingen am Samstag wieder Pro-Palästina-Demonstranten auf die Straße, es waren dort allerdings laut Polizei nur etwa 60 Personen. Es seien mehrere Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung geschrieben worden. Die Demo in Duisburg war von einem „Verein für arabische Kultur“ angemeldet worden. Demonstriert wurde auch in Münster. Dort nahm die Polizei zum Ende der Veranstaltung vier Personen fest, die israelfeindliche Parolen gerufen haben sollen.
Nach den propalästinensischen Demonstrationen am Wochenende forderte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein schärferes Vorgehen der Behörden. "Die Versammlungsbehörden müssen bezüglich der als propalästinensisch angemeldeten Demonstrationen noch restriktiver verfahren", sagte GdP-Chef Jochen Kopelke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Angesichts des enormen Kräfteverschleißes bei uns Polizisten darf es keine großen Aufzüge geben, sondern nur noch stationäre kleine Kundgebungen."
WDR-Umfrage: Nahostkonflikt ängstigt die Menschen in NRW sehr
Laut dem neuen „NRW-Trend“ des WDR beeinträchtigt der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern das gesellschaftliche Miteinander und das Zusammenleben in Nordrhein-Westfalen deutlich. Zwei Drittel der Befragten hätten diese Sorge in der Infratest-Umfrage geäußert. Die Angst vor Ausschreitungen und Konflikten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt ziehe sich demnach durch fast alle Bevölkerungsgruppen.
Erinnerung an die Pogromnacht 1938
Die Auseinandersetzungen im Nahen Osten und die Diskussion über islamistische und antisemitische Äußerungen in NRW dürften auch die Gedenkveranstaltungen zum 85. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 überschatten. Am kommenden Donnerstag legt der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU) einen Kranz am Standort der früheren Synagoge an der Kasernenstraße in Düsseldorf nieder. Der Landtag erinnert am Donnerstag um 11 Uhr an die Opfer der von den Nazis und ihren Unterstützern verübten Gewalttaten an Jüdinnen und Juden. (mit dpa)
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