Berlin. Eine Stoffsammlung für radikale Reformen in der Sozialpolitik sorgt für Ärger in der Union: Minister Guttenberg hatte die Referentenvorschläge zwar bereits verworfen, dennoch liefert er eine Wahlkampf-Steilvorlage: Die Grünen wollen eine „Blaupause für den schwarz-gelben Kahlschlag” erkennen

Das Kanzleramt geht auf Distanz, der Minister rudert zurück. Und doch reißt die Kritik am „Guttenberg”-Papier nicht ab. Nach der SPD geht Grünen-Spitzenfrau Renate Künast auf den Wirtschaftsminister los. Der NRZ sagte sie gestern in Berlin, sein industriepolitisches Konzept sei eine „Blaupause für den schwarz-gelben Kahlschlag.”

„Von Mehrwertsteuer bis Arbeitsrecht, alle Guttenberg-Ideen gehen zu Lasten von Arbeitnehmern mit kleinen und mittleren Einkommen, Rentnern und Arbeitslosen”, so Künast. Mit höherer Mehrwertsteuer und weniger sozialer Sicherheit sollten die kleinen Leute die Wahlkampf-Steuergeschenke für die Spitzenverdiener bezahlen. Künast glaubt, „für neoliberale Giftlisten gibt es keine Mehrheit”.

Laut Wirtschaftsministerium handelt es sich bei dem Papier um eine „Stoffsammlung”, die der Minister mit den Worten „so geht es nicht” bereits Ende Juli verworfen habe. „Das, was gerade kursiert, ist blanker Unsinn, das ist auch von mir verworfen und hat auch keine Rolle bei meiner eigenen Entscheidungsfindung gespielt”, sagte der CSU-Politiker dem Saarländischen Rundfunk.

„Blanker Unsinn”

Künast nimmt ihm nicht ab, dass er von den Plänen seines Hauses wieder abrücken will: „Das Ministerium hat genau aufgeschrieben, was der Minister denkt”. Weil die Kanzlerin nichts mehr fürchte als einen Wahlkampf um Inhalte, „muss Guttenberg jetzt seine Staatssekretäre zurückpfeifen”. Der Minister will allerdings nach Angaben seines Sprechers „so schnell wie möglich” ein neues überarbeitetes Konzept liefern. Kanzlerin Merkel machte klar, sie habe dafür keinen Auftrag erteilt. Für sie zählt das Wahlprogramm der Union. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einer „alten Stoffsammlung, über die es sich nicht lohnt, zu diskutieren”. Das sieht das linke Lager anders. Linke, SPD, Grüne sowie die Gewerkschaften werfen Guttenberg Sozialabbau vor. Im Papier wird eine steuerliche Entlastung der Unternehmen gefordert und Bedenken gegen Mindestlöhne angemeldet. Der Minister bleibe eine Antwort darauf schuldig, wie er Jobs schaffen wolle, so Künast. „Die Union hat aus der Krise nichts gelernt”, fügte sie hinzu. Das Papier setze auf alte Rezepte, die in die Finanz- und Jobkrise geführt hätten. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Herbert Schui, kritisierte, für Guttenbergs „Steuergeschenke für die Wirtschaft” müssten Beschäftigte, Rentner und Hartz-Iv-Empfänger „bluten”.