Berlin. Wirtschaftsminister zu Guttenberg hat sich einen Gesetzesentwurf von einer Großkanzlei schreiben lassen, die eng mit der Bankenwelt verbandelt ist. Kein Einzelfall: Auch das Finanzministerium ließ sich von Wirtschaftsjuristen helfen. LobbyControl nennt das "sehr problematisch".

Süffisant stellen sie im Justizministerium fest, „wir schreiben unsere Gesetze selbst.” Ein kleiner Seitenhieb. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sich ein neues Gesetz zum Insolvenzrecht von einer Anwaltskanzlei basteln ließ. Der Hintergrund ist banal: Der CSU-Senkrechtstarter hatte ein eigenes Modell, aber auch den Auftrag des Kabinetts, sich erst mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu verständigen. Als das misslang, gingen beide Häuser getrennte Wege. Deshalb gibt es zwei Entwürfe: Einen von der Kanzlei Linklaters und noch einen, den Zypries alsbald vorstellen will.

Der Streit zwischen den zwei Häusern und zu Guttenbergs trickreiches Vorgehen werfen ein Schlaglicht auf die diskreten Dienste von Anwälten, Beratern und Lobbyisten. Linklaters ist keine Ausnahme, allenfalls ein besonders dreister Fall von Outsourcing an Gesetzesarbeit. Die in London ansässige Großkanzlei ist schon seit geraumer Zeit Partnerin der 2004 gegründeten True Sale International Gmbh, kurz TSI, die als Verbriefungsplattform von etlichen deutschen Banken ins Leben gerufen wurde. Wir erinnern uns: Verbriefungen, also das Bündeln und Weiterverkaufen teils giftiger Kredite, waren Auslöser der weltweiten Finanz- und Bankenkrise, die Anlass für zu Guttenbergs Gesetzentwurf ist.

Bankanwälte berieten auch das Finanzministerium

Eng mit der Bankenwelt verbandelt ist auch Freshfields- Bruckhaus-Deringer, ebenfalls eine Großkanzlei mit Sitz in London. Deren Diensten hat sich das Finanzministerium im vergangenen Jahr bei der Erarbeitung des „Finanzmarktstabilisierungsgesetzes” bedient. Offiziell heißt es, die Anwälte hätten das Ministerium lediglich beraten, der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler hingegen behauptet, der Gesetzentwurf sei komplett von den gut bezahlten Wirtschaftsjuristen geschrieben worden.

„Es scheint, als hätten Anwaltskanzleien die Politik als neues Geschäftsfeld entdeckt”, ätzt der Politikwissenschaftler Ulrich Müller von „LobbyControl”. Nicht ganz weit hergeholt: Der Beratungsbedarf der Bundesministerien bei der Erarbeitung von Gesetzen ist offenbar enorm: Auf Anfrage der Linkspartei gab die Regierung an, dass sie sich in den vergangenen vier Jahren für 17 Gesetzentwürfe externen Sachverstand eingekauft hat. Kosten: 2,5 Millionen Euro, die Honorare für Linklaters noch nicht eingerechnet. Das Verkehrsministerium ließ sich etwa die Beratung für ein neues Eisenbahngesetz über eine Million Euro kosten.

Ministerium: Anwälte haben keinen Einfluss genommen

Politisch unstrittig ist, dass sich die Regierung für spezielle Fälle Sachverstand einkaufen kann, bei kurzfristigen Aufgaben etwa. Gegen externe Beratung hat Ulrich Müller auch nichts einzuwenden. Aber: „Die Erarbeitung von Gesetzen ist eine zentrale hoheitliche Aufgabe.” Es sei „sehr problematisch” und widerspräche demokratischem Verständnis, wenn interessengeleitete Unternehmen komplette Gesetze verfassten.

Einmal im Jahr, zum 30. September, muss die Regierung dem Parlament darüber berichten, wann, wie oft und wofür sie externe Fachleute beschäftigt. Es gibt indes eine Ausnahme: Für „entgeltliche Berater und Dienstleister”, wie es heißt. Indem zu Guttenberg eine Anwaltskanzlei beschäftigte und sich die Experten nicht ins Haus holte, umschiffte der Wirtschaftsminister diese gesetzliche Vorschrift und schlug Zypries ein Schnippchen. Denn mit der Sozialdemokratin konnte er sich nicht politisch verständigen, wie Insolvenzfälle wie bei der Hypo Real Estate künftig gesetzlich geregelt werden.

Dass die Anwälte Einfluss auf das Gesetz genommen hätten, weist das Ministerium zurück: „Blanker Unsinn”. In der Tat arbeiteten die Linklaters-Leute nach dem Modell, das der Minister ihnen vorgegeben hatte. Anders als von seiner Kabinettskollegin Zypries bekam zu Guttenberg, was er bezahlt hatte. Oder besser: Wir, die Steuerzahler.