Berlin. Nach der Messerattacke bleibt den Aschaffenburgern nur die Trauer. In einer ökumenischen Feier verabschieden sie sich von den Toten.

  • Am Sonntag gedachte Aschaffenburg der beiden Opfer einer Messerattacke
  • Der 41-jährige Kai-Uwe Danz soll für seine Zivilcourage die bayerische Rettungsmedaille erhalten
  • Muslimische und christliche Geistliche würdigten Danz Einschreiten als „Sinnbild der Mitmenschlichkeit“

Der Schock und die Trauer könnten nicht größer sein: Ein kleines Kind und ein Mann, der offenbar helfen wollte, sterben bei der Gewalttat eines 28-Jährigen. Der Park Schöntal bei Aschaffenburg, wo sich die tödliche Messerattacke ereignete, gleicht wenige Tage später einem Blumen- und Lichtermeer, die Anteilnahme ist groß.

Bei den Opfern handelt es sich um einen zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft und einen 41 Jahre alten Passanten, der der Kita-Gruppe zur Hilfe eilte und den Angreifer abwehren wollte, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Dabei wurde der Mann von dem offenbar psychisch kranken Angreifer tödlich verletzt.

Opfer aus Aschaffenburg: Mann tötete Familienvater und Zweijährigen

Inzwischen haben sich die Eltern des getöteten Zweijährigen im Gespräch mit RTL zu Wort gemeldet. Was die Mutter über die letzten Stunden im Leben ihres Sohnes Yannis berichten, lesen Sie hier. Wer der Mann war, der der Gruppe zur Hilfe eilte, ist bislang unklar. Wie unser Reporter vor Ort erfuhr, soll es sich um einen Familienvater mit Frau und zwei Kindern handeln.

Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) dankte in einer Gedenkstunde am Donnerstag den Einsatzkräften und insbesondere auch dem 41-jährigen Passanten für seine Zivilcourage. Oberbürgermeister Herzing bekundete seine große Trauer und fügte an, die schrecklichen Bilder würden sich „in das Gedächtnis vieler Menschen“ und der ganzen Stadt eingraben. Er selbst sei seit 50 Jahren bei der Feuerwehr tätig und habe schon viele schlimme Dinge gesehen. Noch nie habe ihn eine Tat aber so berührt und aufgewühlt wie diese. „Ich fühle, als wäre mein eigenes Kind gestorben, mein Bruder gestorben oder verletzt worden.“

Aschaffenburg Mourns Child And Passerby Murdered In Stabbing Attack
Menschen trauern in Aschaffenburg. © Getty Images | Thomas Lohnes

Entsetzt zeigte sich auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Die Tat lässt uns fassungslos zurück“, sagte er auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Der Einsatz des 41-Jährigen habe ihn stark bewegt. Es handele sich, so Söder, um den „Mord an einem Mann, der helfen wollte und den wir bewundern.“

Posthum werde Kai-Uwe Danz, so der Name des Mannes, die bayerische Rettungsmedaille verliehen. „Das ist ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für seine Leistung auch gegenüber seiner Familie.“

Gedenkfeier für Opfer in Aschaffenburg: Imam würdigt das Einschreiten des 41-jährigen Helden

Das couragierte Einschreiten Danz‘, der Tod des kleinen Jungen, beides stand am Sonntag auf einer Gedankfeier im Mittelpunkt. Der Imam der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde, Zischan Mehmood, zu dessen Gemeinde das getötete Kind gehörte, nannte den getöteten 41-Jährigen ein „Sinnbild der Mitmenschlichkeit“.

„Nun ist es unsere Aufgabe, diese Mitmenschlichkeit zu bewahren“, sagte er. Es gebe „viele Spalter und Scharfmacher“, die diese Tragödie ausnutzen wollten. „Der Respekt vor den Opfern“ verbiete jedoch eine Instrumentalisierung für Wahlkampfzwecke. Seine Gemeinde hatte am Samstagnachmittag in einer Frankfurter Moschee von dem toten Kind Abschied genommen, rund 1000 Menschen nahmen daran teil.

Aschaffenburg gedenkt der Opfer der Messerattacke
Zischan Mehmood: Einschreiten des 41-Jährigen ist „Sinnbild der Mitmenschlichkeit“. © epd | Bjoern Friedrich/ Stadt Aschaffenburg

Oberbürgermeister Herzing nannte Kai-Uwe Danz einen „Schutzengel für Kinder“ und warnte: „Es gibt viele, die in diesen Tagen glauben, Antworten zu haben“, erläuterte Herzing. Es sei aber Aufgabe der Polizei, die Tat und ihre Hintergründe aufzuklären. Diese mache das „hervorragend“. Aufgabe aller sei es aber, aller Wut und allem Hass zum Trotz auch künftig „ohne Hass miteinander zu leben“, betonte Herzing.

Ministerpräsident Söder sagte in seiner Rede nach dem Gedenkgottesdienst: „Das Gute und das Böse sind keine Frage von Herkunft, Nationalität, Ethnie und Glauben.“ Er erinnerte namentlich an die Opfer: „Der kleine Yannis hatte noch so viel vor sich.“ Auch die Zivilcourage des Familienvaters hob Söder hervor. Er bekräftigte die Absicht des Freistaates, Kai-Uwe Danz posthum die bayerische Rettungsmedaille zu verleihen.

Bayerns Landesbischof Christian Kopp sagte, ihn mache das Geschehen fassungslos: „Ein Erwachsener gegen ein kleines Kind. Das ist so abgründig, dass es tiefer nicht mehr geht.“ Gleichwohl dürfe man sich die „Entscheidung für die Nächstenliebe“ weder von „einer einzelnen Person, die psychisch krank war“, noch von jenen Kräften, „die diese Tat für das Spalten der Gesellschaft nutzen“ wollten, nehmen lassen. Die Gemeinschaft sei „viel stärker als der Hass und die Gewalt Einzelner“.

Aschaffenburg gedenkt der Opfer der Messerattacke
Christian Kopp, Bischof der Ev.-luth. Landeskirche Bayern © epd | Bjoern Friedrich/ Stadt Aschaffenburg

Tausende Aschaffenburger zeigten Anteilnahme bei Gedenkveranstaltung

Wie groß der Schock, wie schwer die Trauer ist, zeigte schon am Donnerstagabend auch die Gedenkveranstaltung für die beiden Getöteten. Mehrere Tausend Menschen gedachten der Opfer, die Polizei sprach von 3000 Teilnehmenden. Es sei tatsächlich das angekündigte „stille Gedenken“ gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Vorkommnisse habe es nicht gegeben. 

Laut Polizei wurde bei dem Messerangriff auch ein zweijähriges Kind verletzt. Der Angreifer hatte das Mädchen aus Syrien nach bisherigen Erkenntnissen dreimal mit dem Küchenmesser im Halsbereich verletzt. Ein 72-jähriger Mann erlitt bei der Attacke nach Angaben von Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) multiple Verletzungen im Thoraxbereich. Eine 59 Jahre alte Erzieherin habe offenbar versucht, den Täter von der Gruppe wegzuziehen und sich dabei einen Arm gebrochen.

Yannis (2) Opfer Aschaffenburg
Der zweijährige Yannis aus Aschaffenburg wurde Opfer der Messertat. © Screenshot | Privat

Die drei Schwerverletzten der Messerattacke befanden sich bereits am Donnerstag außer Lebensgefahr, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Die Erzieherin konnte das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Das verletzte Mädchen werde „nicht vor Montag entlassen“, so die Polizei. Auch der 72-jährige Deutsche liegt demnach noch im Krankenhaus.

Auch interessant

Eine weitere Erzieherin, die ebenfalls mit im Park war, konnte das Ganze kaum fassen, schreibt „Main-Post“. Sie habe sich nach der furchtbaren Tat mit einem Seelsorger im Nebenraum der Tagesstätte zusammengesetzt und versucht, über das zu sprechen, wofür eigentlich die Worte fehlen. Als sie sich verabschiedete, sagte sie, dass es dauern wird, bis sie realisiert haben werde, was passiert ist. Die Einrichtung unweit des Parks Schöntal kümmert sich um Kinder zwischen einem und drei Jahren. Fünf Kleinkinder waren am Tag der Bluttat von ihren Eltern für den Vormittag dort abgegeben worden, heißt es von der Krippenleitung.

Aschaffenburg: Erzieherin beschreibt, wie die Messerattacke ablief

Die Krippenleiterin schilderte gegenüber „Main-Echo“, was sich am Tag der Schreckenstat abgespielt habe: Noch während des Ausflugs hätten die Erzieherinnen den mutmaßlichen Täter bemerkt. „Er muss ihnen gefolgt sein. Hat sich dort auf die Bank gesetzt, wo sie gerade mit den Kindern waren.“ Geistesgegenwärtig hätten die beiden Frauen den Park in Richtung Innenstadt verlassen wollen. „Da hat er sie von hinten überholt und sich vor den Wagen mit den Kindern gestellt“, beschreibt die Pädagogin das, was sie von ihren Mitarbeiterinnen über das Schreckensszenario erfahren hat. Dann, so berichtet sie weiter, stach der Täter auf die Kinder ein.

Gewalttat mit mehreren Schwerverletzten in Aschaffenburg
Messerattacke in Aschaffenburg: Rettungskräfte gehen in der Nähe des Tatortes eine kleine Brücke hinauf. © DPA Images | Ralf Hettler

Die Kita bleibt laut Leitung den Rest der Woche geschlossen. Am Donnerstag sollen hier auch die Eltern psychologische Hilfe bekommen, deren Kinder den Angriff überlebt haben.

Die Kirchen in Aschaffenburg wollen für Sonntag (26. Januar) zu einem Gedenkgottesdienst für die Opfer und deren Angehörige einladen. Zum Gottesdienst in der Stiftskirche ab 10.30 Uhr werden hochrangige Landes- und Bundespolitikerinnen und -politiker erwartet. Unter anderem wird auch der evangelische bayerische Landesbischof Christian Kopp kommen.

Polizei warnt vor gefälschten Spendenaufrufen für Aschaffenburg-Opfer

Bei den Kriminalpolizeiinspektionen der Polizei Unterfranken gingen Donnerstag Hinweise auf gefälschte Spendenaufrufe in den Sozialen Medien ein. Diese werden derzeit auf eine strafrechtliche Relevanz geprüft, heißt es. Die Polizei gibt folgenden Rat: „Spenden Sie nur an bekannte Organisationen und rechnen Sie bei Online-Auftritten stets damit, dass diese täuschend echt nachgeahmt werden können.“ Man solle die entsprechenden Auftritte genau auf deren Echtheitscharakter prüfen, auf vorhandene Telefonnummer für Nachfragen und eine postalische Anschrift.

Bei der Stadt Aschaffenburg wurde ein offizielles Spendenkonto eingerichtet: Sparkasse Aschaffenburg-Miltenberg, „Spendenkonto Opferhilfe Schöntal“. Die IBAN lautet: DE23 7955 0000 0013 1692 89 .

(mit dpa/epd/kna)