Berlin. Mehr als 100 Abgeordnete wollen prüfen lassen, ob die Alternative für Deutschland verfassungswidrig ist. Nicht nur der Zeitpunkt ist heikel.

  • Der Bundestag diskutiert über ein Verbot der AfD
  • Befürworter des AfD-Verbots sehen in der Partei eine gefährliche rechtsradikale Kraft
  • Kritiker weisen auf die Risiken des Verbotsverfahrens hin

Die rechte AfD kann sich Hoffnungen machen, bei der bevorstehenden Bundestagswahl zweitstärkste Kraft zu werden. Aber ist sie überhaupt eine demokratische Partei – oder gehört sie vielmehr verboten? Am Donnerstagabend diskutiert der Bundestag über diese Frage. Am Ende könnte ein spektakulärer Beschluss stehen. Ein Überblick.

AfD-Verbot: Was genau könnte der Bundestag beschließen?

Der Bundestag befasst sich auf Antrag von mehr als 100 Abgeordneten verschiedener Fraktionen erstmals in einer offenen Debatte mit der Möglichkeit eines AfD-Verbotsverfahrens. Zu den Initiatoren des Antrags gehören unter anderem die Parlamentarier Marco Wanderwitz (CDU), Till Steffen (Grüne) und Carmen Wegge (SPD). Ob es für den Antrag eine Mehrheit geben wird, ist noch offen. Unklar ist auch, ob überhaupt noch eine Abstimmung vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar stattfinden wird. Die Initiatoren hoffen das gleichwohl – und wollen erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüft, ob die rechte AfD verfassungswidrig ist.

Ein anderer Antrag, den Abgeordnete um die Grünen-Politikerin Renate Künast eingebracht haben, sieht vor, dass zunächst Gutachter im Auftrag der Bundestagspräsidentin prüfen sollen, wie die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsantrags sind.

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Was sagen die Befürworter eines Verbotsantrags?

Wanderwitz und andere, die die Verfassungsmäßigkeit der AfD jetzt überprüfen lassen wollen, argumentieren im Antragstext, dass das Grundgesetz ganz gezielt die Möglichkeit eröffnet, „frühzeitig“ gegen verfassungsfeindliche Parteien vorzugehen. Die AfD sei eine gefährliche rechtsradikale Partei, hieß es von Wanderwitz. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter, der ebenfalls zu den Unterstützern des Antrags zählt, sagte dieser Redaktion: „Ich halte die AfD in ihren Grundsätzen und Bestrebungen für gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet.“ Dies zu überprüfen, sei jedoch nicht Sache des Bundestags, sondern des Verfassungsgerichts. Deshalb sei die Ermöglichung eines entsprechenden Verfahrens richtig. Sie entlasse allerdings keinen Abgeordneten und keine Partei, die AfD inhaltlich zu stellen. „Beides schließt sich nicht aus.“

AfD-Chefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel beim Parteitag in Riesa.
AfD-Chefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel beim Parteitag in Riesa. © AFP | Jens Schlueter

Was sagen die Kritiker eines AfD-Verbots?

Kritiker weisen darauf hin, dass die Debatte über einen möglichen Verbotsantrag zu einem heiklen Zeitpunkt kommt: kurz vor der Bundestagswahl. Unter anderem in der Union gibt es deshalb die Sorge, dass der Versuch, die Partei verbieten zu lassen, sie bei der Wahl Ende Februar sogar stärken könnte. Zudem sind Verbotsverfahren aufwendig, und es ist keineswegs sicher, dass am Ende eines Verfahrens tatsächlich ein Verbot steht. Ein Scheitern des Verfahrens aber könnte die AfD als „Persilschein“ für sich nutzen – so begründete Christian Lindner (FDP), damals noch Finanzminister, im vergangenen Jahr seine Ablehnung gegen ein Verbotsverfahren.

Parteiverbot: Wie läuft eine Prüfung ab?

Der Bundestag ist eines von drei Verfassungsorganen, die einen Antrag auf ein Verbotsverfahren stellen können – die beiden anderen sind der Bundesrat, also die Ländervertretung, und die Bundesregierung selbst. Nach Eingang eines solchen Antrags prüft das Verfassungsgericht zunächst, ob der Antrag zulässig ist und hinreichend begründet ist. Das schließt auch eine vorläufige Bewertung der Erfolgsaussichten mit ein – Verfahren gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg werden nicht zugelassen. Voraussetzung für ein Verbot wäre nicht nur der Nachweis, dass die AfD daraufhin arbeitet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen, sondern auch, dass sie dieses Ziel aggressiv, kämpferisch und mit Chancen auf Umsetzung verfolgt.

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Meine schwerste Entscheidung

Eine entscheidende Informationsquelle für derartige Verfahren sind unter anderem die Berichte der Verfassungsschutzbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft seit Jahren, ob die AfD als Ganzes als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, so wie es für einige Landesverbände schon der Fall ist. Doch das Ergebnis dieser Prüfung soll erst nach der Wahl veröffentlicht werden.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sagte dieser Redaktion mit Blick auf die AfD: „Ihr ganzes Auftreten und ihre Politik erinnert immer mehr an die finstersten Zeiten der deutschen Geschichte. Deshalb ist es richtig und auch notwendig, die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren sorgfältig zu prüfen, und deshalb ist es auch gut, dass sich der Deutsche Bundestag damit befasst.“ Aufgrund der vorgezogenen Wahlen sei es aber „leider sehr unwahrscheinlich geworden, dass das Parlament dazu noch eine Entscheidung fällt“.  

ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Gründung6. Februar 2013
IdeologieRechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis
VorsitzendeTino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: Januar 2025)
Fraktionsstärke76 Abgeordnete im Bundestag (Stand: Januar 2025)
Bekannte MitgliederJörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke

Wie hat das Verfassungsgericht in der Vergangenheit entschieden?

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bisher zwei Parteiverbote: eines gegen die nationalsozialistisch geprägte Sozialistische Reichspartei (1952) sowie gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (1956). Im Jahr 2003 stellte das Verfassungsgericht ein von Bundestag und Bundesrat beantragtes Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ein, weil die Sicherheitsbehörden auch während des Verfahrens noch V-Leute in der Partei führten. In einem zweiten NPD-Verbotsverfahren entschieden die Richter 2017, dass die Partei zwar verfassungsfeindliche Ziele vertritt. Ihre Bedeutung sei jedoch zu gering, um ein Verbot zu rechtfertigen.