Berlin. Filialsterben der Banken, Inflation, Zinsen: Bankenpräsident Christian Sewing gibt einen Ausblick, was im neuen Jahr auf Sparer zukommt.

2024 ist schlecht gelaufen. Deutsche Produkte sind weltweit weniger gefragt als noch vor Jahren. Die Autobranche, Deutschlands Schlüsselindustrie, schwächelt. In den USA wartet ein neuer Präsident. Und die Ampelkoalition ist gescheitert. Was kommt 2025? Christian Sewing, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), antwortet.

Konjunktur

Optimismus versprüht Sewing, der auch Chef der Deutschen Bank ist, nicht. „Das kommende Jahr wird herausfordernd bleiben“, sagt er. Deutschland habe mit einer andauernden Wachstumsschwäche zu kämpfen. „Eine kurzfristige Verbesserung ist derzeit nicht absehbar – wir starten mit einer schwachen Konjunktur ins neue Jahr.“ Vom Außenhandel, der in der Vergangenheit ein starker Wachstumsmotor gewesen sei, seien 2025 keine größeren Impulse zu erwarten. Der private Konsum bleibe ein wichtiger Hoffnungsträger.

Trotzdem hält Sewing für 2025 ein leichtes Wirtschaftswachstum von etwa 0,5 Prozent für möglich. „Aber gemessen am wirtschaftlichen Potenzial Deutschlands und unserem Investitionsbedarf ist das auf Dauer natürlich viel zu wenig.“ Die Wirtschaftsweisen gehen von 0,4 Prozent Plus aus, der Internationale Währungsfonds von 0,8 Prozent. Die Bundesregierung erwartet 1,1 Prozent. 2024 dürfte die deutsche Wirtschaft geschrumpft sein.

Die Wachstumsschwäche breitet sich 2025 auch auf dem Arbeitsmarkt aus. „Die Zahl der Arbeitslosen könnte im Verlauf des kommenden Jahres auf rund 2,9 Millionen steigen“, sagt der Bankenpräsident. „Im Jahresdurchschnitt wäre das ein Anstieg um etwa 80.000 Personen.“ Dabei trifft es nicht alle gleichermaßen: „Fachkräfte und gut Ausgebildete werden unvermindert gesucht“, ist Sewing überzeugt.

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US-Wahl

Die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten hat den Druck auf Deutschland und Europa erhöht. „Eine protektionistische ‚America First‘-Politik der neuen US-Regierung könnte sowohl den Handel als auch die Verteidigungslage spürbar beeinflussen“, sagt der Bankenpräsident. „Für unser offenes Wirtschaftsmodell stellt das eine ernsthafte Herausforderung dar.“

Für Europa heiße das, enger zusammenzuarbeiten, eigenständiger zu handeln und die Wettbewerbs- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. „Nur durch Geschlossenheit können wir in einem sich wandelnden globalen Umfeld unsere wirtschaftliche Stellung und politische Souveränität behaupten“, sagt Sewing. „Vor allem aber müssen wir einen steigenden externen Druck auf unser Wirtschaftsmodell als Weckruf verstehen“, fordert er. „Wir brauchen dringend Reformen, die das Wachstumspotenzial in Deutschland und Europa insgesamt stärken.“

Bundestagswahl

Für die nächste Bundesregierung hat Sewing klare Vorschläge. Umfassende Strukturreformen seien nötig. „Weder wirtschaftspolitische Einzelmaßnahmen noch die staatliche Förderung ausgewählter Wirtschaftsbereiche reichen aus“, sagt der Bankenpräsident. „Auch die Vorstellung, man könne die Wirtschaft allein durch eine höhere Staatsverschuldung wieder auf einen stabilen Wachstumspfad bringen, ist unrealistisch.“

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Meine schwerste Entscheidung

„Die Wahlen zum Deutschen Bundestag könnten ein Neubeginn sein, wenn die neue Regierung die Situation als Chance begreift und dringend notwendige Reformen schnell angeht“, sagt Sewing. Dazu gehören für ihn spürbare Entlastungen bei den Energiekosten, wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, schnellere Genehmigungsverfahren und eine modernisierte Infrastruktur. „Mit einem solchen Reformpaket könnten wir nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern auch neues Wachstum entfesseln“, sagt er. „Für die nächste Bundesregierung muss gelten: Wirtschaftsreformen haben oberste Priorität.“

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Inflation

Nach kräftigem Rückgang ist die Inflationsrate in Deutschland von 1,6 Prozent im September auf 2,2 Prozent im November gestiegen. „Da sich die Lohnentwicklung im Euro-Raum nur langsam abschwächt, gehen die privaten Banken davon aus, dass sich die Inflationsrate im kommenden Jahr bei etwas über zwei Prozent einpendeln wird“, sagt der Bankenpräsident. Niedriger, wenn der Euro-Raum sich schwächer entwickelt, höher, wenn die Handelskonflikte mit gegenseitigen Zollerhöhungen eskalieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt nahe zwei Prozent an.

EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB), hier der Hauptsitz in Frankfurt am Main, will den Kampf gegen die hohe Inflation fortsetzen. © DPA Images | Arne Dedert

Zinsen

Sewing erwartet, dass die EZB die Leitzinsen weiter senkt. Der Prozess werde voraussichtlich auch 2025 weitergehen. Eine konkrete Zahl nennt er nicht. Derzeit beträgt der sogenannte Einlagenzins 3,0 Prozent. Beobachter können sich einen Leitzins von unter zwei Prozent vorstellen. „Ob das so kommt, wird man sehen müssen“, sagt Sewing. „Die Unsicherheit bleibt hoch.“

Für Sparer bedeutet das nichts Gutes. „Sollten die Zinsen weiter sinken, gehen wir generell davon aus, dass auch die Guthabenzinsen sinken“, sagt Sewing. Allerdings seien die Zinsen für Tagesgeld- und Sparkonten stark vom Geschäftsmodell der einzelnen Institute abhängig. 

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Filialen

Wer für seine Bankgeschäfte eine Filiale aufsucht, wird es 2025 noch schwerer haben. „Die Zahl der Bankfilialen in Deutschland wird weiter abnehmen, weil sich das Verhalten der Kunden verändert hat“, schätzt der Bankenpräsident. 2023 hatte die Bundesbank 19.501 Filialen gezählt. 2013 waren es noch 36.192. Die Rolle der Filialen habe sich verändert, sagt Sewing. Heute kämen die meisten Kunden, wenn sie persönliche Beratung brauchen – zum Beispiel bei Themen wie Immobilienkauf oder Altersvorsorge. Für solche Kunden werde es auch in Zukunft Filialen geben.

Geschlossene Postbank Filiale in Muenchen.
Geschlossene Postbank-Filiale in München: Die Zahl der Bankfilialen dürfte sich weiter reduzieren. © picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON