Berlin. Nach Aleppo und Hama stehen Rebellen vor den Toren von Homs, der drittgrößten Stadt Syriens. Ihr Fall wäre ein Wendepunkt im Bürgerkrieg.
Steht Homs vor dem Fall? Nach Aleppo und Hama wäre es die dritte große Stadt in Syrien, die binnen kürzester Zeit von Rebellentruppen erobert wird. Ein Blick auf die Landkarte macht klar, wie strategisch bedeutsam die Großstadt ist. Fällt Homs, wird die Hauptstadt Damaskus von der Küste abgeschnitten, das Land wäre im Grunde geteilt.
So schnell konnten die Kämpfer der islamistischen Rebellen-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) nur vorrücken, weil sich lokale Gruppen mit ihnen verbündeten und so größere Kämpfe vermieden. Sie haben insgesamt vier Provinzen erobert und stehen jetzt am Stadtrand von Homs.
Das syrische Militär hat sich inzwischen aus Daraa und Suweida im Südwesten des Landes zurückgezogen. Die syrische Staatsagentur Sana berichtete unter Berufung auf das Militär, die Regierungstruppen würden sich neu positionieren, nachdem „terroristische Elemente“ Kontrollpunkte der Armee angegriffen hätten.
Syrien: Homs von strategischer Bedeutung
Die entscheidende Frage ist, wie es um die Kampfmoral der Regierungstruppen steht und ob sie vom Iran unterstützt werden. Neben Russland gilt der Iran als der wichtigste verbliebene Verbündete der syrischen Regierung. Die „New York Times“ berichtet, dass der Iran dabei ist, Kommandeure und Berater zu evakuieren. Auch die Vereinten Nationen ziehen nicht notwendiges Personal aus Syrien ab.
Der Fall von Homs wäre für das Regime von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad (59) wohl der Wendepunkt im jahrelangen Bürgerkrieg. Seine Kinder und seine Frau sollen längst nach Russland abgereist sein. Das „Wall Street Journal“ berichtet, dass Ägypten und Jordanien auch Assad drängen, das Land zu verlassen.
Ein Vorrücken der Rebellentruppen nach Homs sei bislang aber nicht gelungen. Es mangle womöglich an militärischer Ausrüstung oder Truppenstärke, so Beobachter. Bisher war nicht klar, ob die Rebellen über genügend Kämpfer verfügen, um Homs mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen. Die Regierungstruppen seien weiterhin im Umland der drittgrößten Stadt Syriens stationiert und griffen von dort weiter Stellungen der Rebellen an, hieß es weiter. Die Truppen seien massiv verstärkt worden.
Islamisten-Führer über Assad: „Diese Regime ist tot“
In einem Interview sagte HTS-Führer Abu Mohammed al-Jawlani, sein Ziel sei der Sturz des Regimes. „Der Keim der Niederlage des Regimes lag schon immer in ihm selbst“, sagte er CNN, „die Iraner versuchten, das Regime wiederzubeleben, um ihm Zeit zu verschaffen, und später versuchten auch die Russen, es zu stützen. Aber die Wahrheit bleibt: Dieses Regime ist tot.“
„Wer die Schlacht mit Homs gewinnt, wird Syrien regieren“, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der dpa. Die Stadt sei von strategischer Bedeutung. Bei einem Erfolg der Rebellen wäre die Verbindung der Hauptstadt Damaskus zu den syrischen Mittelmeerhäfen abgeschnitten.
Die raschen Gebietsgewinne der islamistischen Rebellen sind nach Einschätzung eines Experten für den Iran gefährlich. Ähnliche Gruppierungen könnten sich von der Offensive der HTS inspiriert fühlen und auch im Iran ihre Angriffe verstärken, schrieb Hamidreza Azizi, Gastwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), auf der Plattform X.
Nachbarland Israel schickt derweil weitere Soldaten auf die vom jüdischen Staat annektierten Golanhöhen. Zusätzliche Luft- und Bodentruppen würden dort entlang der Grenze zu Syrien stationiert, teilte das israelische Militär mit.
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Der syrische Bürgerkrieg war im Jahr 2011 durch Proteste gegen Assad ausgelöst worden. Nach Jahren verhältnismäßigen Stillstands hatten vor einer Woche die HTS und mit ihr verbündete Gruppierungen die Großoffensive im Nordwesten des Landes gestartet. Es sind die intensivsten Kämpfe seit vier Jahren. (fmg)