Berlin.. US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar über die angespannte Lage in den USA und die Gefahr, die von den rechtsextremen Gruppen ausgeht.
Am 5. November hat Amerika die Wahl: Wird die Demokratin Kamala Harris als erste Frau ins Weiße Haus einziehen? Oder macht zum zweiten Mal der Republikaner Donald Trump das Rennen? Und was, wenn er die Wahlen verliert? Kann es zu einem Bürgerkrieg kommen? US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar über die angespannte Stimmung in den USA und warum „alles passieren“ kann.
Sie kommen gerade aus den USA zurück. Wie angespannt ist die Stimmung so kurz vor der Wahl?
Es ist der direkte Kontrast zwischen überkochender Energie und einem Abgrund von Angst. Im Team der demokratischen Kandidatin Kamala Harris herrscht eine konstante Sorge, dass man auf der Zielgeraden einen wichtigen Aspekt übersehen hat. Das ist verständlich, da es für das Harris-Team der kürzeste Wahlkampf aller Zeiten war.
Es gibt zahlreiche Warnungen davor, dass Trump eine Niederlage nicht hinnehmen wird. Wird es zu Unruhen nach der Wahl kommen? Kann ein Bürgerkrieg drohen?
Es kann alles passieren. Ich halte es nicht für komplett unwahrscheinlich, dass es zu Unruhen kommt – vor allem dann, wenn die Wahl knapp ausgehen sollte. 57 Prozent der Swing-State-Wähler sind laut einer „Washington Post“-Umfrage der Meinung, dass Trumps Unterstützer im Falle einer Wahlniederlage gewalttätig werden. Wenn ich mir die Rhetorik aus dem Umfeld von Donald Trump anschaue und auf die Betrugsvorwürfe in Pennsylvania blick, ist das nur wenig überraschend.
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Was ist dort vorgefallen?
Dort gab es, so sagen Trump-Unterstützer, Betrug mit Wählerregistrierungsunterlagen. Eine Person, die diese ausgefüllten Scheine einsammeln sollte, hat mehrere davon ausgefüllt und abgegeben. Aber nicht die Trump-Leute haben das aufgedeckt, sondern das Board of Election (der Wahlausschuss). Sie haben die Unterlagen gefunden und aus dem System herausgefiltert. Das zeigt: die Kontrollen funktionieren! Wenn Betrug stattfindet, wird er — zumindest Stand heute – auch entdeckt. Die Trump-Kampagne nutzt das aber weiterhin, um Angst vor Betrug zu schüren und so auch die eigene Basis zum Wählen zu aktivieren. Trump hat auch auf Wahlveranstaltungen immer wieder gesagt: We gotta vote so it‘s too big to rig — wir müssen in so großen Zahlen wählen gehen, dass die Gegenseite nicht betrügen kann. Das wird in den sozialen Medien, aber auch in seinem Medienuniversum aufgebauscht. Dort wird tagein und tagaus gesagt, dass Trump die Wahl gewinnt. Die einzige Möglichkeit, wie er die Wahl verlieren könnte, wäre ein Wahlbetrug. Wenn man das oft genug hört, verfängt das irgendwann.
Wenn man an mögliche Unruhen nach der Wahl denkt – wie gefährlich sind die rechten Gruppierungen wie Oath Keepers, Three Percenters oder die Proud Boys, die beim Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 eine wichtige Rolle gespielt haben?
Ich kann das nur bedingt beurteilen. Nach Berichten des FBI Homeland Security sind die extrem rechten Organisationen heute gefährlicher, als es damals El Kaida oder der Islamische Staat im Nahen Osten waren. Und sie sind in einem Land aktiv, wo man sich jede Waffe, die man sich nur vorstellen kann, einfach kaufen kann.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Womit rechnen Sie bei einer Niederlage von Trump?
So wie ich die Stimmung erlebt habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht zu irgendeiner Art von Eskalation kommt. Ich formuliere es bewusst vage, weil ich nicht prognostizieren will, dass jemand mit einer Waffe in ein Wahllokal stürmt. Ich halte es aber auch nicht für unwahrscheinlich, dass es zu Protesten kommt.
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Trump ist im Schweigegeldprozess bereits verurteilt. Nach der Wahlniederlage soll das Strafmaß verkündet werden, ihm könnte Gefängnisstrafe drohen. Macht diese Aussicht einen Aufruf zu gewaltsamen Protesten wahrscheinlicher?
Ein solcher Aufruf wäre sicherlich nicht hilfreich, wenn über sein Strafmaß entschieden werden muss. Vielleicht bleibt er gerade auch deshalb ruhiger. Aber es kann auch genau andersherum laufen und Trump sagt: Wenn ich die Wahl verliere, bin ich ausgeliefert. Also mache ich alles, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Das ist allerdings reine Spekulation.
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Ist die Regierung, sind die Sicherheitsbehörden heute besser als bei den vergangenen Wahlen vorbereitet auf das, was kommen könnte?
Ja. Drei Punkte: Es gibt offizielle Anweisungen an die Trump- und die Harris-Kampagnen, wie sie sich im Falle eines Notfalls verhalten sollten und was die Sicherheitsvorkehrungen sind. Zweitens sind Polizei und Nationalgarde in Alarmbereitschaft, das Weiße Haus ist bereits komplett abgeriegelt. Drittens wurden auch in und um die sogenannten Electioncenters, also die Orte, an denen die Stimmen ausgezählt werden, die Sicherheitsmaßnahmen stark erhöht. In Philadelphia zum Beispiel wurde kugelsicheres Glas eingezogen. Es werden Scharfschützen auf dem Dach sein. Gleichzeitig wurde die Transparenz erhöht, weil Wände eingerissen und durch Panzerglas ersetzt wurden, damit die Bürgerinnen und Bürger zugucken können, was in den Räumen geschieht.
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Was passiert noch bis zum Wahltag am 5. November? Ist vorstellbar, dass Taylor Swift am letzten Tag doch noch ein Unterstützer-Konzert für Harris spielt?
Ich sage das mit einem Augenzwinkern: Der Tourkalender von Taylor Swift hat am 4. November keinen Termineintrag. Vorher spielt sie in Indianapolis, von dort ist es ja nicht weit in die Battleground-Staaten Wisconsin oder Michigan. Aber sie hat sich nach ihrer Wahlempfehlung für Harris vor ein paar Wochen deutlich zurückgenommen. Wahrscheinlich ist es nicht, dass da noch Unterstützung kommt.