Berlin. US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar über verpasste Chancen, über eine fehlende klare Botschaft und einen Endspurt mit Superstars.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat in den Umfragen zugelegt. Hat die Demokratin Kamala Harris noch eine Chance? US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar über fehlende und einfache Botschaften, verpasste Chancen und die Bedeutung der Frauen bei der Wahl.

Vergeigt Kamala Harris gerade ihren möglichen Wahlsieg?

Julius van de Laar: Es gelingt Kamala Harris zumindest nicht, an das Momentum vom Sommer anzuknüpfen. Bei ihrem Auftritt in dieser Woche bei CNN hat sie sich keinen Patzer geleistet – keine Antwort gegeben, die sie disqualifiziert hätte. Es gab aber auch kein Feuer, das entfacht wurde.

Es sind nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Kann Harris noch Kontur gewinnen? Kann da noch was kommen?

Van de Laar: Dieser Wahlkampf wird nicht mehr durch einen K.-o.-Schlag entschieden – stattdessen robben sich beide Kandidaten zentimeterweise in Richtung Ziellinie. Wenn man sich die letzten beiden Wochen ansieht, macht Harris alles, was sie tun kann: Sie hat sämtliche Podcasts abgeklappert, sie ist im Zickzack durch Amerika gereist. Aber: Sie arbeitet bislang mit einer langen Liste von politischen Ideen und Forderungen. Dazu arbeitet sie sich immer wieder an Trump ab und sagt: Trump sei ein Faschist. Er sei frauenfeindlich. Ein Rassist. Es fehlt die eine, klare, vorwärtsgerichtete Erzählung über ihre Vision für Amerika, die eingängig ist und hängenbliebt. Die ist im Kontrast (wie wir alle wissen) sehr einfach: MAGA – Make Amerika Great Again! Allerdings wird auch mit zweierlei Maß gemessen. Jedes Mal, wenn Harris ein Interview gibt, heißt es: „Ja, schon richtig, aber bei der Wirtschaft oder Nahost – da ist sie nicht tief genug ins Detail gegangen, da ist es mir nicht konkret genug.“ Trump hingegen kann sagen, was er will – zum Beispiel: „Den Ukraine-Konflikt löse ich in 24 Stunden“ –, ohne, dass er ein Detail über das WIE preisgibt. Heute spricht er von 20 Prozent Schutzzoll, morgen von 100 Prozent. Mal gibt er eine Tanzeinlage, mal stellt er sich bei McDonald‘s an die Fritteuse, ohne eine einzige Frage zu beantworten. Eine Wählerin sagte mir vor ein paar Tagen: It‘s prosperity over personality – Wohlstand geht vor Persönlichkeit. Das bringt es ganz gut auf den Punkt.

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Julius van de Laar ist US-Wahlkampfexperte. © iStock | van der Laar

Was heißt das?

Van de Laar: Bei Trump scheint es egal, was er sagt oder macht. Seine Anhänger wählen ihn trotzdem. Er steht für Aufschwung und eine starke Wirtschaft. Es gilt die alte Wahlkampferkenntnis: Stark erscheinen, aber falsch liegen ist besser als richtig liegen, aber schwach wirken. Trump erscheint wie ein Fels, an dem alles abprallt, alles eingepreist ist. Noch ein Beispiel: Trumps Ex-Stabschef John Kelly berichtet aus Begegnungen mit Trump, in denen Trump sagte, er wünsche sich Generäle wie Hitler sie hatte. Jeder andere hätte sich mit so einer Aussage ins komplette Aus katapultiert.

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Zur Person

Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.

Wo stehen Trump und Harris in den Umfragen?

Van de Laar: National ist Harris noch knapp mit einem oder zwei Punkten vorne. Aber bei den vergangenen Wahlen stand Joe Biden zu dieser Zeit national signifikant besser dar und gewann nur knapp. Auch Hillary Clinton hatte 10 Tage vor der Wahl deutlich bessere Umfragewerte als Harris – und verlor. In den Battleground States liegt Trump mehr oder weniger gleich auf. Auch in Pennsylvania, wenn man den Zahlen der Nachrichten- und Umfragewebseite RealClearPolitics vertraut, hat er aufgeholt oder liegt sogar leicht vorne. So oder so: Es ist alles denkbar knapp.

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Auf was kommt es jetzt an?

Van de Laar: Auf die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft. Trump setzt auf junge, weiße Männer, die in der Regel nicht wählen gehen. Aber wie viele dann tatsächlich ihre Stimme abgeben, weiß niemand. Das ist der große X-Faktor.

Muss Harris also mehr junge Frauen mobilisieren als Trump junge Männer?

Van de Laar: Diese Wahl könnte wirklich eine Geschlechterwahl sein. Und Harris setzt gerade in Pennsylvania darauf, dass mehr Frauen wählen gehen.

Zurzeit sieht es danach aus, als sei Amerika doch noch nicht bereit für eine Frau im Weißen Haus?

Van de Laar: Ich zweifele nicht daran, dass Amerika reif für eine Präsidentin ist. Aber bisher hat es Harris offenbar noch nicht geschafft, eine Mehrheit davon zu überzeugen, dass sie die richtige Frau ist, um dieses Amt auszufüllen. Dafür hat sie noch gut eine Woche Tage Zeit. Trump macht seit Jahren Wahlkampf, sie erst seit drei Monaten.

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Gibt es was, das Harris auf den letzten Metern noch nach vorn katapultieren kann? So wie beim Football der letzte Wurf, der zum Touchdown und dann zum Sieg führt?

Van de Laar: … die sogenannte Hail Mary! Nachdem Taylor Swift Ihre Unterstützung für Harris offiziell gemacht hat, tritt am Freitag auch noch Superstar Beyoncé mit Harris in Texas auf. Am Wochenende mit Michelle Obama. Am Montag mit Bruce Springsteen, hier in Pennsylvania. Das wird medial und auch auf Social Media noch einmal Wellen schlagen. Wahlkampf ist mühevolle Zentimeterarbeit, und am Ende wird man sehen, was sie gebracht hat. 

Welche Rolle spielt Elon Musk? Was treibt ihn an?

Van de Laar: Ich glaube, seine Hauptmotivation ist Geld. Elon Musk macht Geschäfte mit der Nasa, mit dem Verteidigungsministerium, mit dem Innenministerium und verdient dabei jährlich 15 Milliarden Dollar. Wenn er verliert, macht das nichts, weil die Regierung auf seine Programme angewiesen ist. Wenn er aber gewinnt, dann ist Trump ihm einiges schuldig und Musk kann das Geschäftsfeld massiv ausbauen.

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