Berlin. Der Vorstand der Ökopartei zieht Konsequenzen aus den Wahl-Debakeln. Damit richtet sich der Blick jetzt unweigerlich auf SPD und FDP.

Das ist ein Paukenschlag – und zwar einer, der Folgen für die gesamte Berliner Ampelkoalition haben könnte: Der Bundesvorstand der Grünen tritt zurück, allen voran die beiden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour. Bis zum Parteitag im November führt der Vorstand noch die Geschäfte, dann soll ein neues Team ran.

„Es braucht einen Neustart“, sagte Nouripour am Mittwoch zur Begründung. Die Grünen hatten zuletzt Wahlen in Serie verloren, erst am Sonntag waren sie in Brandenburg aus Landtag und Regierung geflogen. Auch im Bund geht es in den Umfragen nur noch abwärts.

Man kann es nicht anders sagen: Die Öko-Partei ist bei den Wählern unten durch. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als könne sie im Gegensatz zu den Koalitionspartnern SPD und FDP wenigstens noch ihre Kernwählerschaft zuverlässig an sich binden. Aber selbst das scheint vorbei zu sein.

Parteivorstand der Grünen tritt zurück

weitere Videos

    Wenn man so will, sind Lang und Nouripour die Sicherung, die durchbrennt, um die grünen Kabinettsmitglieder um Vizekanzler Robert Habeck zu schützen. Der hat ein Interesse daran, die Partei jetzt noch stärker als bisher auf seine Person auszurichten – und auf seine geplante Kanzlerkandidatur.

    Die Grünen: Alle Augen auf Vizekanzler Robert Habeck

    Habeck war vor dem Eintritt der Grünen in die Regierung selbst Parteichef. Da die Parteisatzung nicht zulässt, dass er als Minister zugleich ein Vorstandsamt ausübt, dürfte er nun versuchen, möglichst viele Getreue im Führungsgremium zu installieren. Ob die traditionell diskussionsfreudige Partei und ihr linker Flügel das mit sich machen lassen, sei einmal dahingestellt. Als Kanzlerwahlverein werden sich die Grünen mit ihrer basisdemokratischen Tradition vermutlich nie verstehen.

    Auch interessant

    Ohnehin wird Habeck schon einige Mühe haben, seine eigenen Leute und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Grünen im kommenden Jahr eine Chance haben können im Rennen um das Kanzleramt. In bundesweiten Umfragen ist die Partei zum Teil auf unter zehn Prozent abgesackt. Aus dieser Position heraus lässt sich kaum begründen, dass es einen grünen Kanzlerkandidaten braucht. Der Grat zwischen Ehrgeiz und Lächerlichkeit kann manchmal ziemlich schmal sein.

    Politik-Korrespondent Thorsten Knuf
    Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

    Lang und Nouripour stehen seit 2022 an der Grünen-Spitze. Angetreten sind sie ehedem mit dem Arbeitsauftrag, die Partei zusammen- und den grünen Minister den Rücken freizuhalten. Für die endlosen, lähmenden Streitereien innerhalb der Regierung und zwischen den Ampel-Fraktionen sind sie nicht vorrangig verantwortlich. Dass sie trotzdem den Weg freimachen für andere, verdient Respekt. 

    Der überraschende Rücktritt von Lang, Nouripour und dem übrigen Grünen-Vorstand sendet auch ein Signal an die Koalitionspartner SPD und FDP. Erstmals hat die miserable Darbietung der Ampel personelle Konsequenzen auf höchster Ebene. Bei den beiden anderen Koalitionspartnern ist man noch lange nicht so weit.

    Ampel-Koalition: Die beiden anderen Partner sind noch nicht so weit

    In der SPD zweifeln zwar viele, ob es tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist, mit dem unpopulären Kanzler Olaf Scholz in den Bundestagswahlkampf 2025 zu ziehen. Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius gäbe es eine Alternative. Die offene Revolte wagt bei den Sozialdemokraten bisher aber niemand.

    Und bei den Liberalen scheint sich die Frage, ob Kurs und Auftreten von Parteichef Christian Lindner einen Beitrag zur eigenen Misere geleistet haben könnten, bislang gar nicht zu stellen. Ein Jahr ist es noch bis zur Wahl. Das Beben an der Grünen-Spitze legt den Schluss nahe: Der richtige Zeitpunkt, um Personalien zu klären, ist jetzt.