Berlin. Harris könnte Historisches gelingen. Doch die Demokratin hat sich nicht nur Freunde gemacht – gerade in wichtigen Wählerschichten.
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- Harris braucht jede Stimme – da könnte ihr ihre Biografie im Weg stehen
Kamala Harris wollte schon einmal Präsidentin der USA werden. Und sie hat dabei erlebt, wie schnell ein Hype zu Ende gehen und politische Ambitionen vernichten kann. 2019 waren die Demokraten auf der Suche nach einem Präsidentschaftskandidaten, der Donald Trump schlagen könnte – und Harris galt als eine Top-Anwärterin. Doch aus ihren Ambitionen wurde nichts. Harris gelang es nicht, genügend Unterstützer hinter sich zu bringen. Noch vor den Demokratischen Vorwahlen 2020 stieg sie aus dem Rennen aus und warb stattdessen für Joe Biden. Eine Lehrstunde.
Doch nun bietet sich ihr eine neue Chance. Und die Frage ist: Ist Kamala Harris bereit, an der Spitze des mächtigsten Landes der Welt zu stehen?
Kamala Harris: Ihre Wurzeln stecken tief in der Schwarzen Community
Dass Harris sich durchbeißen kann, hat sie in ihrem Leben oft genug unter Beweis gestellt. Sie wird im Oktober 1964 im kalifornischen Oakland geboren. Nur gute drei Monate zuvor unterzeichnete der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson den Civil Rights Act, ein Meilenstein der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung, und bis heute eines der wichtigsten Gesetze für die Gleichstellung der Schwarzen Bevölkerung. Als Tochter eines jamaikanischen Vaters und einer indischen Mutter wächst Harris damit in einer Zeit auf, in der Hoffnung aufkommt, dass das liberale Versprechen auch für die schwarze Bevölkerung gilt.
Gleichsam ist Alltagsrassismus allgegenwärtig, schwarze Amerikaner sind von öffentlichen Ämtern weitgehend ausgeschlossen, haben es schwieriger Eigentum zu erwerben und sind durch Jahrhunderte Sklaverei und Rassentrennung ökonomisch weit zurückgeworfen.
Harris‘ Mutter arbeitet als Wissenschaftlerin in der Krebsforschung, ihr Vater macht Karriere an der Universität als Ökonomie-Professor. 1970 trennen sich die beiden, da ist Harris gerade sieben Jahre alt. Fortan wächst sie bei ihrer Mutter auf. Von den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung profitiert Harris unmittelbar. Immer wieder erzählt sie bei öffentlichen Auftritten vom sogenannten „bussing“. Einem Programm, das die Rassentrennung an Schulen beenden sollte. Harris wurde als Kind im Rahmen des Programms in eine andere Schule gefahren – in einen sozial stärkeren Bezirk mit überwiegend weißen Schülern.
Auch wenn sie heute kaum über das Thema „race“ spricht, ist sie tief im afro-amerikanischen Amerika verwurzelt. Das zeigt sich auch, als sie aufs College kommt. Harris entscheidet sich für die Howard University in Washington D.C. Ein historisch afro-amerikanisches College, prominente Bürgerrechtler und schwarze Intellektuelle haben hier studiert, etwa die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison. Der Schriftsteller und US-amerikanische Intellektuelle Ta-Nehisi Coates bezeichnete sie einst als sein „Mekka“.
US-Wahl 2024: Kamala Harris ist mehr Reformerin als Revolutionärin
Trotz dieser Geschichte schneidet Harris bei schwarzen Wählerinnen und Wählern nicht außergewöhnlich gut ab. Und das könnte etwas mit ihrem darauffolgenden Karriereschritt zu tun haben: Harris will Staatsanwältin werden – ein Politikum und eine Entscheidung, die Harris‘ Familie nach eigener Aussage schockte. Mit den Strafverfolgungsbehörden machen gerade Schwarze in den USA häufig wenig gute Erfahrungen.
Unter anderem durch den jahrzehntelangen sogenannten „war on drugs“ werden sozial schwache, urbane Viertel immer wieder zum Ziel der Polizei – und mit ihnen überwiegend Schwarze. Harris wird in einer Zeit Juristin, in der Hunderttausende inhaftiert werden. Binnen drei Jahrzehnten (ca. 1970-2000) explodiert die Zahl der Inhaftierten in den USA – von 300.000 Menschen auf mehr als zwei Millionen. Warum entscheidet sich eine junge, schwarze Frau in dieser Zeit, Teil der Strafverfolgungsbehörden zu werden?
Harris glaubt offenbar an die Macht von Reformen, sie will demokratische Institutionen nutzen, statt sie für die Ursache der Probleme zu halten. Als Staatsanwältin versucht sie unter anderem die Kriminalitätsprävention zu stärken. So geraten die Eltern von Schulschwänzern ins Visier der Staatsanwaltschaft – ein bis heute umstrittenes Vorgehen. Die Karriereleiter klettert sie stetig weiter, übernimmt verschiedene Schwerpunkte und wird schließlich Generalstaatsanwältin von Kalifornien. In dieser Funktion nimmt sie es mit großen Konzernen auf – Apple, Google, Amazon, sie alle müssen unter Harris Strafen an den Bundesstaat abdrücken. Selbst den deutschen Autobauer Volkswagen zerrt sie vor Gericht.
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Barack Obama unterstützte Kamala Harris schon früher
2016 bewirbt sich Harris für den US-Senat und gewinnt gegen eine weitere demokratische Bewerberin – ein Republikaner tritt nicht an. Bereits damals hat sie prominente Rückendeckung. Sowohl Barack Obama als auch Joe Biden unterstützen ihre Kandidatur. Und Harris macht sich als Senatorin nicht schlecht. Neben der Oppositionsarbeit schafft sie es, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Ausschnitte, wie sie in Staatsanwalts-Manier ihre Gegner in die Enge treibt, gehen viral. Etwa bei der Anhörung des heutigen Supreme Court Richters Brett Kavanaugh. Doch viel wichtiger für Harris: Sie lernt in dieser Zeit das politische Washington kennen.
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Nur scheint es um Harris ruhiger zu werden als sie 2020 US-Vizepräsidentin wird. Zwar gewinnen sie und Joe Biden die US-Wahl 2020, doch das wird vorrangig dem alternden US-Präsidenten angerechnet. Harris verschwindet in der zweiten Reihe. Die darauffolgenden vier Jahre nutzen die Demokraten nicht ausreichend, um Harris oder einen anderen jüngeren Kandidaten in Stellung zu bringen. Dabei sind sich viele politische Beobachter bereits 2020 einig: Biden ist zu alt und wird ein One-Term-Präsident, also in vier Jahren nicht nochmal kandidieren.
US-Präsident: Als Vize blieb Harris eher blass
Harris fällt jedoch als Vize kaum auf. Das Thema Migration, das Biden ihr zuschustert, ist undankbar. Rein repräsentative, lockere Auftritte liegen ihr weniger. Lediglich in der Abtreibungsfrage erlangt sie Meinungsführerschaft. Und so ist es schon eine kleine Überraschung, als sich die demokratische Partei binnen weniger Wochen nach Bidens Rückzug auf dem Parteitag der Demokraten gesammelt hinter Harris versammelt.
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Und nun muss Harris sich und ihre Politik erklären. Wenn sie gegen Donald Trump gewinnen will, braucht sie eine sehr breite Wählerbasis. Doch von links wird sie als Law and Order-Hardlinerin angegriffen, von rechts als progressiv-linke Kalifornierin. Allerdings könnten ihr diese Zuschreibungen auch zum Vorteil werden. Denn Harris Biografie bietet eben viel Projektionsfläche. Sowohl moderate Konservative als auch progressive Linke können sich in einem der vielen Gesichter der Kamala Harris wiederfinden.
Dabei ist sie eben, wer sie ist. Eine in Teilen progressive, Schwarze Frau aus Kalifornien, Staatsanwältin, Senatorin, Ex-Vizepräsidentin, Pragmatikerin, Reformerin. Eine Frau mit weniger guten Startchancen und enormem Erfolg durch harte Arbeit. Sie wird die USA vermutlich nicht neu erfinden, aber sie bringt nicht die schlechtesten Voraussetzungen mit, um in das Amt des US-Präsidenten hineinzuwachsen.
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