Düsseldorf. Immer mehr SPD-Leute in NRW sagen: „Bloß kein „Weiter so“! Mahmut Özdemir aus Duisburg geht mit seiner Kritik bis an die Schmerzgrenze.
In der nordrhein-westfälischen SPD mehren sich nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen die Stimmen, die nach einer harten Kurskorrektur, besonders beim Thema Zuwanderung, rufen.
Erschütternde Erkenntnis: „Die Menschen vertrauen uns nicht“
Der Duisburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Innen-Staatssekretär Mahmut Özdemir überraschte am Dienstag mit einem Facebook-Post, bei dessen Lektüre Vertreter der Bundes- und Landesparteispitze mit den Ohren geschlackert haben dürften. Kernsatz: „Die Menschen vertrauen uns nicht.“
„Wir können nachvollziehen und erläutern, warum ausländische Straffällige immer noch im Land sind und nicht in ihr Heimatland zurückgeführt wurden. Die Menschen fühlen sich aber unsicher, wenn sie Volksfeste besuchen und Ansammlungen von respektlosen, vorwiegend ausländischen Männern ihnen im Stadtteil den Gehweg versperren, während unsere Bevölkerung im eigenen Land außen rumläuft“, schreibt Özdemir, der als Staatssekretär im Innenministerium von Nancy Faeser arbeitet.
Kritik macht vor der Chefetage der Sozialdemokraten nicht Halt
Auch im Sozialen sieht der Duisburger Defizite ausgerechnet in der Sozialdemokratie: „Wir versuchen zu relativieren, dass das Bürgergeld eigentlich gar nicht höher ist als ehrliche Arbeit. Die Menschen fühlen das aber anders, wenn sie sehen, dass man arbeitslos fast genauso gut lebt wie als arbeitender Mensch.“
Schließlich legt sich Özdemir sogar mit der Parteielite an, allerdings ohne Vorsitzende, Kanzler und Generalsekretär namentlich zu erwähnen. Führungsriegen, die zusähen, wie die SPD immer mehr schrumpfe und Vertrauen verliere, müssten „ihre Verantwortung erkennen“.
Dieser Facebook-Post knallt, allerdings melden sich in NRW – öffentlich oder in reinen Hintergrundgesprächen – auch andere SPD-Politiker, die etwas weniger lautstark, aber vernehmlich vor einem „Weiter so“ warnen.
Duisburger Rathauschef Link fordert Kurskorrekturen
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) schrieb am Montag auf LinkedIn: Wenn Nachbarschaften zusammenbrechen, weil sich zu viele Ausländer und Zugezogene nicht an die Regeln des sozialen Miteinanders halten, dann verlieren diese Menschen den Glauben an Staat und Politik.“
Politik müsse den normalen Menschen zuhören und ihre Probleme lösen, anstatt um sich selbst herum zu kreisen, warnt der Rathauschef. Wer arbeitet, müsse am Ende des Monats mehr Geld haben als jene, die von staatlichen Leistungen leben. Erwerbstätige dürften sich nicht als „Verlierer“ fühlen. Weiter sagt Link: „Wenn elementare staatliche Leistungen wie gute Kitas und Schulen, intakte Straßen und Radwege, ordentliche Sportplätze oder ein angemessener ÖPNV nicht mehr angeboten können, weil in einem der reichsten Länder der Welt der Staat angeblich kein Geld dafür da ist, dann stimmt was nicht.“
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat wiederholt gewarnt: Die Bürgerinnen und Bürger dürften nicht den Eindruck haben, dass der Staat nicht mehr funktioniere.
Serdar Yüksel: „Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit sind unter die Räder gekommen“
Serdar Yüksel, SPD-Chef in Bochum und Landtagsabgeordneter, sagt, er könne Mahmut Özdemirs Aufregung nachvollziehen: „Im Ruhrgebiet, wo die Menschen ehrliche Arbeit und klare Kante zu schätzen wissen, kommt die Ampel mit ihrer Wischi-Waschi-Rhetorik einfach nicht an“, sagte er dieser Redaktion. Özdemir nenne aber leider keine Lösungsansätze.
„Wer durch unsere Innenstädte, speziell im Ruhrgebiet, geht, schreit doch ganz laut ,SOS‘ – und ruft damit nach Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit. Selbstverständlichkeiten, die in den letzten Jahren unter die Räder gekommen sind“, meint Yüksel.
„Egal, ob es ein Mann mit Migrationshintergrund ist, der mit einem Messer bewaffnet Schlimmstes anrichtet, oder eine deutsche Frau, die im Wahnsinn um sich sticht: Wir müssen endlich Gesetze konsequent umsetzen und im Alltag der Menschen für ein Gefühl der Sicherheit sorgen“, so der Bochumer. Weiter sagte er: Die SPD dürfe das „Menschenrecht“ Migration und das Recht auf Asyl unter dem Druck anderer Parteien nicht über den Haufen werfen. Wer aber das Recht auf Asyl missbrauche, müsse die Konsequenzen spüren und dazu zählten auch konsequente Abschiebungen.
Bundestagsabgeordneter: „Die Polzei ist nicht unser Gegner, sondern unser Verbündeter“
Ein SPD-Bundestagsabgeordneter, der anonym bleiben möchte, sagte dieser Redaktion, die SPD bleibe die Antworten auf die Herausforderungen dieser Zeit schuldig. Der Staat müsse durchgreifen, wenn etwas schieflaufe, und die Polizei sei „nicht unser Gegner, sondern unser Verbündeter“. Menschen, die in sozial benachteiligten Quartieren wohnten, hätten selbstverständlich Angst vor Kriminalität. Mit der heutigen SPD könnten sich immer weniger Menschen, die mitten im normalen Leben stünden, identifizieren. Konsequente Sozialpolitik und ein engagierter Kampf gegen illegale Migration könnten den ramponierten Ruf der SPD retten.
Kritik, allerdings von freundlichen Sätzen umrahmt, kommt auch vom Bochumer SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer, ein Vertreter der Parteilinken. Er arbeitet sich unter anderem am Auftreten des aus seiner Sicht im Grunde „tatkräftigen“ Bundeskanzlers ab: „Olaf Scholz wirkt leider zu oft zu defensiv und er wird auch nicht richtig in Szene gesetzt, obwohl es dafür ein eigenes Amt in der Regierung gibt.“
Axel Schäfer aus Bochum reibt sich an der unterbliebenen Raketen-Diskussion
Gerade unter dem Eindruck der Ost-Landtagswahlen müsse die SPD mit dem Thema „Frieden schaffen mit mehr Waffen“ sorgsamer umgehen. Es dürfe in der SPD-Bundestagsfraktion keine nachholende Diskussion bei wichtigen Fragen mehr geben, so Schäfer. „Aktuelles Beispiel war die Raketenstationierung. Selbst wenn man es in der Sache richtig findet, so war es im Vorgehen völlig falsch. Es ist für mich unfassbar, dass der Bundeskanzler davon ausgegangen ist, kundige Außen- wie Sicherheitspolitiker hätten mit so einer solchen Entscheidung rechnen müssen und der Verteidigungsminister darauf hinweist, dass es keiner Parlamentsbeschlüsse bedürfte.“
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