Berlin. Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sorgen für Furore – auch jenseits der Bundesrepublik. Die Rede ist von „ernsthaften Bedrohungen“.
New York Times, EL Mundo, Hospodarske novin – viele ausländische Zeitungen berichten über den Wahlerfolg der AfD in Sachsen und Thüringen. Sie schreiben von einer möglichen „Revolte“ in der SPD, „ernsthaften Bedrohungen“ für die EU und der Frage, wie die etablierten Parteien die AfD vom Regieren abhalten können. Die internationalen Reaktionen im Überblick.
Wahlen in Thüringen und Sachsen: Wer regiert künftig im Osten?
Der britische Guardian beschreibt die Ambitionen der AfD, nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen eine Regierung zu stellen. Aus Sicht der AfD bleibe es lediglich bei „Wunschträumen“. Vorausgesetzt den anderen Parteien gelinge es, die AfD an einer Mehrheitsbildung zu hindern. Das düstere Fazit des Guardian: „Dennoch wirft die Etablierung der AfD als dominante regionale Kraft ernste und beunruhigende Fragen über die politische Identität Deutschlands auf.“
„Die Ergebnisse werden als besorgniserregender Indikator für den Zustand und die Zukunft der deutschen Demokratie angesehen“, resümiert auch die New York Times. Eine mögliche Folge sei, dass die etablierten Parteien sich an Positionen der extremen Rechten orientieren – wie es bereits beim Thema „Abschiebungen“ geschehen sei.
Die AfD und die „neue populistische Querfront-Gruppe von Sarah Wagenknecht“ versammelten fast die Hälfte aller Stimmen in Thüringen hinter sich, schreibt der Tagesanzeiger. Die Schweizer Redaktion sieht einen Grund für den Erfolg darin, dass die breite Mehrheit in Ostdeutschland die irreguläre Einwanderung stoppen möchte – ebenso wie die Waffenlieferungen an die Ukraine. Gleichzeitig sei die CDU „die letzte Partei der breiten Mitte“, um die eine Regierung gebildet werden könne.
„Vom Einzug ins Kanzleramt ist Höcke noch weit entfernt“, schreibt die tschechische Hospodarske novin. Und vermutet: „Trotz des klaren Wahlsieges seiner Partei in dem Bundesland dürfter er nicht einmal Ministerpräsident von Thüringen werden.“ Sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene wolle keine Partei mit der AfD koalieren. Laut Politico aus Brüssel ist bemerkenswert, dass die AfD “Siege trotz Verurteilung“ und „Warnungen des Verfassungsschutzes bezüglich Extremismus in ihren Reihen“ verzeichnet. Die belgische Zeitung wagt die Vermutung: „Vielleicht hat es manche sogar ermutigt.“
„Wachsende Frustration“ der Ostdeutschen über die Regierung
„Hohe Inflation, wirtschaftliche Stagnation, steigende Energiekosten und ständige interne Streitereien“, sind laut Financial Times die Gründe für eine „wachsende Frustration“ der Ostdeutschen. Neuwahlen hält die Redaktion nach den schlechten Ergebnissen der Ampelparteien in Thüringen und Sachsen jedoch für unrealistisch: „Denn alle drei Parteien schneiden in den Umfragen landesweit so schlecht ab, dass sie kaum Lust haben dürften, sich vor der nächsten Bundestagswahl den Wählern zu stellen.“
Eine Revolte der SPD gegen Kanzler Scholz sei nicht mehr auszuschließen, resümiert der Schweizer Tagesanzeiger.„Für die Kanzlerpartei fällt der erste Wahltag im Osten rabenschwarz aus.“ Mit Blick auf die Wahlen in Brandenburg Ende September heißt es: „Gehen die Sozialdemokraten in drei Wochen auch in Brandenburg unter, wackelt auch Kanzler Olaf Scholz.“ So sieht das auch die italienische Zeitung La Stampa: „Wenn zu Thüringen und Sachsen am 22. September auch noch Brandenburg hinzukommt, ein traditionell sozialdemokratisches Bundesland, wird es für Olaf Scholz schwierig.“
EU unter Einfluss Russlands: „Die europäischen Systeme sind inflitriert“
EL Mundo aus Madrid hebt die Wahlergebnisse auf die europäische Ebene. Extremistische und einwanderungsfeindliche Diskussionen seien eine „ernsthafte Bedrohung“ für die Europäische Union. EL Mundo bezieht sich auch auf den Terroranschlag in Solingen, der diese Themen „anheizte“. Laut der spanischen Zeitung war der Wahlerfolg der AfD bereits vorher in Umfragen sichtbar. „Die europäischen institutionellen Systeme sind infiltriert“, kommentiert La Repubblica.
Putins Einflüsse im Westen sieht die Zeitung voranschreiten und urteilt: „Der Kreml hat jetzt seine Wortführer im Herzen Europas.“ Ein Artikel der ungarischen Magyar Nemzet kommt einer Abrechnung mit den „liberalen Medien“ gleich: „Die Grundposition ist, dass die Regierung gut sei, die Sozialdemokratische Partei hervorragende Leistungen erbringe und dass das einzige Problem die Radikalen seien.“ Narrative über die AfD seien „die ausgestreckte Hand Putins“ oder „Hitlers geistiger Nachfolger“.
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