Berlin. Die Politik braucht nach den dramatischen Ergebnissen in Sachsen und Thüringen einen Neuanfang. Auch ganz oben an der Spitze.
Das Wort „Abrechnung“ ist ein Wort, das nach Wahlen gerne inflationär benutzt wurde. Bei diesen Wahlen in Sachsen und Thüringen trifft es zu, wie noch nie in der Geschichte von Landtagswahlen. Die Wählerinnen und Wähler haben die Regierungsparteien nicht korrigiert, wie man es aus früheren Urnengängen kennt. Sie haben sie eingestampft. Allein die Oppositionspartei CDU hat sich unter den „Etablierten“ gut geschlagen.
Man kann die Wählerinnen und Wähler der AfD für verantwortungslos halten oder beschimpfen. Aber das führt zu nichts und wird ihren Triumph bei den nächsten Wahlen eher noch größer machen.
Der wichtigste Schluss aus diesem Tag der Abrechnung lautet: Diese Regierung hat den Draht zum Volk verloren. SPD, Grüne und FDP haben die Quittung für eine Politik kassiert, die offensichtlich komplett an der Lebenswelt der Wählerinnen und Wähler vorbeizielt. Mit keinem Thema sind die drei durchgedrungen. Sogar eine Black Box wie die Wagenknecht-Partei holt doppelt so viel Stimmen wie die SPD.
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Erfolg der Rechtsextremen nur durch eine Politik möglich, die die Ängste nicht mehr im Blick hat
Kanzlerbonus? Hat sich mit Olaf Scholz zum Kanzlermalus entwickelt. Seine Jahre als Regierungschef bleiben ohne Wirkung auf das Wahlergebnis von 2024. In seiner Panik meidet Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Wahlkampfauftritte mit ihm und sendet damit die Botschaft: Mit diesem Kanzler ist nichts zu gewinnen.
„Aber der Osten ist doch nicht repräsentativ“ ist eine Durchhalteparole, die man aus dem Umfeld der Verlierer jetzt oft hören wird. Aber das ist Pfeifen im Walde. Der tiefe politische Graben, der den Osten spaltet, wird auch die politische Tektonik im Westen verändern. Das Thema Migration hat durch anhaltend hohe Zuwanderungszahlen – aber auch durch spektakuläre Verbrechen – alle anderen Themen verdrängt und die Regierung hat dieses Problem viel zu lange ignoriert.
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Wer Recht und Gesetz so lange nicht durchsetzt, braucht sich nicht wundern, wenn auch Wahlen nicht mehr nach den alten Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Der Erfolg der Rechtsextremen wurde nur möglich durch eine Politik, die die Ängste von Bürgerinnen und Bürger nicht mehr im Blick hatte.
Dass ein zusammengeflickter Asylpakt drei Tage vor der Wahl die Stimmung drehen könnte, war eine naive Annahme des Kanzlers. Und es ist kein Wunder, dass allein die CDU, die sich nach sechzehn unbekümmerten Jahren hart in der Migrationsfrage positionierte, als einzige etablierte Partei nicht mit dem Kopf unter dem Arm aus diesen Wahlen heraustaumelt.
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Jetzt müssen aufrechte Demokraten regierungsfähige Bündnisse schließen und ihre „Ausschließeritis“ behandeln. Bei über dreißig Prozent AfD muss auch die Kröte auf den Speiseplan und wenn nur ein Bündnis CDU/Wagenknecht einen rechtsextremen Ministerpräsidenten verhindern kann, dann ist das eine Option.
Während die CDU darüber streiten wird, stellt sich der SPD-Führung die viel pikantere Frage: Wie lange will Deutschlands älteste Volkspartei eigentlich dem eigenen schleichenden Tod zusehen und dabei noch auf einen Kanzler setzen, der das Volk verloren hat?
Olaf Scholz hat sich in vielen Positionen für das Land verdient gemacht. Aber sein stures „weiter so“ wird keine Probleme lösen, sondern es ist Kern des Problems. Die Sozialdemokraten müssen an der Spitze einen Neuanfang wagen, wenn sie 2025 auch nur den Hauch einer Chance haben wollen.
Wer stets betont, dass die Partei vor Personen kommt, müsste eher heute als morgen Boris Pistorius auf den Schild heben. Er kann Umfragen drehen, er kann verständlich kommunizieren und seine Kanzlerkandidatur wäre ein Befreiungsschlag, bei dem man nichts verlieren, sondern nur gewinnen kann.
Man muss es so dramatisch sagen: Seit gestern geht es nicht mehr nur noch um Macht und Posten. Es geht um unsere Demokratie und die sollte jedes Opfer wert sein.