Berlin. Die Ampel-Koalition zieht Konsequenzen aus dem Messerangriff in Solingen. Auf diese Maßnahmen haben sich SPD, Grüne und FDP geeinigt.

Drei Tote, acht Verletzte und ein mutmaßlicher Täter, der zwar als Geflüchteter aus Syrien gekommen war, doch schon nicht mehr hätte hier sein sollen: Seit dem Attentat in Solingen diskutiert die Politik, wie sich so etwas in Zukunft verhindern lässt. Vor allem CDU-Chef Friedrich Merz hatte eine harte und schnelle Reaktion gefordert.

Jetzt hat sich die Ampel-Koalition auf ein Paket von Maßnahmen geeinigt, die für mehr Sicherheit sorgen und Migration eingrenzen sollen. In der kommenden Woche will die Bundesregierung darüber mit der Union und den Bundesländern beraten.

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Messerverbot auf Volksfesten und im Fernverkehr

Mehr Verbote, mehr Kontrollen durch Polizei, höhere Hürden für Waffenerlaubnisse – das ist die Maßgabe, mit der die Ampel-Koalition das Waffenrecht verschärft. Im Einzelnen bedeutet das: Die Bundesregierung verbietet Messer auf öffentlichen Veranstaltungen grundsätzlich, also etwa auf Volksfesten, Messen oder Sportveranstaltungen. Dort, wo viele Menschen eng zusammen sind, wie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hervorhebt. Ausgenommen sind Sicherheitsleute oder etwa Schausteller, die beruflich Messer gebrauchen.

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Des Weiteren will die Ampel-Koalition Messerverbote an Bahnhöfen sowie im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen „bundesweit einheitlich“ regeln. Hier ist die Bundespolizei zuständig. In den Bundesländern können die Behörden schon jetzt ein Verbot im Nahverkehr oder in „kriminalitätsbelasteten Orten“ durchsetzen bei Messern, deren Klinge länger als vier Zentimeter sind, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hervorgehoben hat. Die Bundesregierung will den Ländern hier auch absolute Messerverbote ermöglichen.

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Nach Solingen: Verbot von Springmessern

Zudem soll der Umgang mit Springmessern verboten werden. Schon jetzt sind sie verboten – ausgenommen Messer dieser Gattung, die „seitlich aus dem Griff springen“ und deren Klinge höchstens 8,5 Zentimeter lang ist. Allerdings: Das Messer des Täters von Solingen war laut Ermittlern 15 Zentimeter lang. Eine solche Waffe ist schon jetzt per Gesetz verboten, da die Klinge länger als zwölf Zentimeter lang ist. Die jetzige Waffenrechtsverschärfung hätte somit keinen Einfluss auf das Attentat mit drei getöteten Menschen gehabt. Terrorismus-Fachleute sind zudem skeptisch, dass sich ein radikalisierter Täter von einem Verbot abschrecken lässt. Eine Studie zur Waffenverbotszone in Leipzig zeigt, dass die Kriminalität dort insgesamt nicht sinkt. In Hamburg konnten die Beamten nach Einführung einer Verbotszone nach eigenen Angaben allerdings eine große Menge an Messern und illegalen Waffen sicherstellen.

Strengere Kontrolle der Waffenerlaubnis

Strenger reguliert wird nach Wunsch der Bundesregierung künftig auch, wer überhaupt eine Waffenerlaubnis bekommen soll. Dabei sollen sich die örtlichen Waffenbehörden, der Verfassungsschutz und bald auch das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt bei einem Antrag für eine Waffenerlaubnis strikter kontrollieren, ob die Person geeignet ist – oder ob etwa eine radikale Haltung dagegenspricht. „Keine Waffenscheine für Extremisten“, sagte Faeser.

Den Sicherheitsbehörden wie der Bundespolizei will die Bundesregierung weitreichendere Befugnisse geben, diese verschärften Verbote etwa auf Bahnhöfen oder in Zügen auch durchzusetzen. Beamte sollen sie im Ernstfall mit dem Einsatz von Tasern, also Elektroschockgeräten, forcieren.

Trauer am Tatort: Ein Meer von Blumen und Kerzen steht in Solingen auf der Straße nach dem Messerangriff beim Stadtfest mit mehreren Toten.
Trauer am Tatort: Ein Meer von Blumen und Kerzen steht in Solingen auf der Straße nach dem Messerangriff beim Stadtfest mit mehreren Toten. © dpa | Federico Gambarini

Kritiker von strengeren Waffengesetzen heben genau an diesem Punkt hervor, dass nicht die Gesetzeslage das Problem sei – sondern die fehlende Durchsetzung der bisherigen Verbote durch die Polizei. So sind kommunale Waffenbehörden oft personell überlastet – und Massenveranstaltungen lassen sich ohne massive Kontrollmaßnahmen an Eingängen kaum sichern.

Kein Geld mehr für Dublin-Flüchtlinge

Festzustellen, dass der mutmaßliche Täter von Solingen ausreisepflichtig war und es bereits einen Versuch für eine Abschiebung gegeben hatte, das habe die Runde der Koalitionäre „erschüttert“, sagte Buschmann. Auch darauf will die Bundesregierung mit ihrem Paket deshalb reagieren: In sogenannten Dublin-Fällen, bei denen ein anderes europäisches Land für das Asylverfahren einer Person zuständig ist und dieses Land einer Übernahme des Falles zugestimmt hat, soll diese Person in Deutschland keine Leistungen mehr erhalten. Das hatte unter anderem Finanzminister Christian Lindner (FDP) in dieser Woche gefordert. Im Asylbewerberleistungsgesetz gibt es bereits die Möglichkeit zu entsprechenden Kürzungen, die sollen jetzt erweitert werden. Verhungern werde in Deutschland aber niemand, sagte Faeser bei der Vorstellung des Pakets.

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In der Praxis ist es derzeit häufig so, dass andere europäische Länder sich bereiterklärt haben, sogenannte Dublin-Fälle zu übernehmen, die Abschiebungen in diese Länder aber trotzdem nicht stattfinden. Woran das liegt, soll demnächst eine „Dublin-Task Force“ von Bund und Ländern klären, mit dem Ziel, die Zahl der Rückführungen zu steigern.

Kein Schutzstatus mehr bei „Heimaturlaub“

Neue Regeln soll es außerdem geben bei „Heimaturlauben“ von Geflüchteten. Wer ohne zwingenden Grund – etwa eine Beerdigung – vorübergehend in sein Heimatland zurückreist, soll den Schutzstatus verlieren, den er oder sie in Deutschland hat. Eine Ausnahme soll es dabei für Geflüchtete aus der Ukraine geben.

Kampf gegen Islamismus

Neu sind zudem Befugnisse, die Ermittler im Kampf gegen Islamismus bekommen sollen. Dazu zählt die Möglichkeit, biometrische Daten von mutmaßlichen Tätern mit öffentlichen Daten im Internet abzugleichen. Bisher verbietet der Datenschutz diese Form der Gesichtserkennung. Gestärkt werden soll laut Faeser und Buschmann auch die Möglichkeiten, die der Verfassungsschutz bei Finanzermittlungen hat. Geheimdienstler sollen etwa Konten von Extremisten einfacher ausforschen können. Neu ist die Idee nicht: Die Innenministerin hatte sie im Winter vorgestellt. Zugleich setzt die Bundesregierung einen Schwerpunkt auf die Prävention – und will die „Taskforce Islamismus“ fortführen und ausbauen.

Anja Hajduk, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, die als Vertretung von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) dabei war, betonte, dass die Runde bei ihren Gesprächen auch davon geleitet worden sei, dass das Grundrecht auf Asyl gewahrt bleiben müsse. Es sei auch im Interesse derjenigen, die ein Recht hätten, hier zu sein und die sich an die Regeln hielten, dass der Staat gegen jene vorgeht, die das nicht tun.

Unionsleute kritisieren die Ampel: Friedrich Merz (l.) mit Innenexperte Volker Ullrich (M.) und Günter Krings.
Unionsleute kritisieren die Ampel: Friedrich Merz (l.) mit Innenexperte Volker Ullrich (M.) und Günter Krings. © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ | Britta Pedersen

Der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich beurteilte die Beschlüsse zurückhaltend. „Die massive illegale Migration in unser Land muss gestoppt werden. Ich fürchte, die Maßnahmen der Ampel gehen nicht weit genug“, sagte Ullrich dieser Redaktion. „Einige Dinge, wie etwa die Verschärfung des Waffenrechts, sind dabei wohl eher symbolischer Natur.“ Die Beschlüsse seien aber „der erste Schritt in die richtige Richtung“.