Berlin. Seit 2007 sind die Grenzbeträge des Elterngelds gleich geblieben – trotz Inflation. Neue Zahlen zeigen, was Familien bekommen müssten.

Die Zahl der Windeln, die ein Neugeborenes braucht, hat sich seit 2007 nicht verändert. Ebenso wenig die Kleidung, die ein Baby braucht, oder der Umfang der Erstausstattung, wenn eine Familie Zuwachs bekommt. Was sich geändert hat, sind die Preise für all das: Auch an Produkten für Kinder ist die Inflation der vergangenen 17 Jahre nicht vorbeigegangen. Doch eine der wichtigsten familienpolitischen Leistungen in Deutschland wächst nicht mit. Die Ober- und Untergrenzen beim Elterngeld sind seit 2007 unverändert.

Das Elterngeld regelt in seiner Basis-Variante, dass der Elternteil, der in Elternzeit mit dem Kind zuhause ist, dafür einen Teil seines Lohns ersetzt bekommt. Grundsätzlich sind das 65 Prozent des Netto-Einkommens, das wegfällt. Verdient die Person, die Elterngeld bezieht, weniger als 1240 Euro netto, steigt der Anteil des Gehalts, der ersetzt wird, auf bis zu 100 Prozent. Den Mindestbetrag von 300 Euro bekommen auch Menschen, die vor der Geburt kein eigenes Einkommen hatte. Nach oben ist das Elterngeld bei 1800 Euro gedeckelt.

Diese Grenzbeträge sind seit der Einführung des Elterngelds Mitte der 2000er Jahre gleich. Dabei müssten sie längst deutlich höher liegen, um mit der Inflation Schritt zu halten. Das zeigt eine Analyse des Prognos-Instituts, die dieser Redaktion vorliegt. Würde die Preisentwicklung gemäß dem Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes berücksichtigt, heißt es darin, hätte der Höchstbetrag des Elterngeld 2023 bei 2.480 Euro gelegen. Der Mindestbetrag wären demnach 413 Euro gewesen.

Das Elterngeld hält nicht Schritt mit Inflation und Lohnentwicklung

Noch höher läge die Obergrenze, würde man bei einer Änderung dieselbe Logik zugrunde legen wie bei der ursprünglichen Festlegung. Als Maßstab angelegt wurde damals das Nettoeinkommen, mit dem Beschäftigte an die Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherung stoßen. Die Beitragsbemessungsgrenze ist seitdem aber deutlich gestiegen. Nach dieser Berechnungsmethode käme man laut der Analyse von Prognos deshalb sogar auf einen Elterngeld-Höchstbetrag von 2.870 Euro im Monat.

Dass die Lohnersatzleistung nicht schritthält mit den Löhnen und der Preisentwicklung, zeigt sich auf daran, wie viele Familien inzwischen an die obere Decke der Leistung stoßen. 2009 verdienten laut der von Prognos ausgewerteten Elterngeldstatistik nur 14 Prozent der Väter und drei Prozent der Mütter, die Elterngeld beziehen, so viel, dass ihr Bezug auf 1800 Euro gedeckelt wurde. 2021 waren es laut Prognos schon 24 Prozent der Väter und 7 Prozent der Mütter.

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Vor allem die partnerschaftliche Aufteilung von Arbeit zu Hause und Lohnarbeit wird dadurch erschwert, fürchtet Claire Samtleben, Projektleiterin Familien- und Gesellschaftspolitik bei Prognos. „Die Vermutung besteht, dass es Väter davon abhält, Elternzeit zu nehmen, wenn sie die Hauptverdienenden sind und ihr Elterngeldanspruch die Lücke im Haushaltseinkommen nicht ausreichend füllt“, sagt sie. „Hätten sie mehr Elterngeld zur Verfügung, hätten diese Überlegungen weniger Gewicht.“

In der Ampel-Koalition kennt man das Problem. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist deshalb eine Anpassung der Grenzbeträge vereinbart. Doch passiert ist bislang nichts. Und die Aussichten, dass sich daran vor der nächsten Bundestagswahl noch etwas ändern wird, sind gering.

Elterngeld: Die SPD will eine Änderung noch in dieser Legislatur – trotz klammer Kassen

Das zuständige Familienministerium antwortet auf Anfrage: „Vor dem Hintergrund der angespannten Lage im Bundeshaushalt und einer bereits erfolgten Reform des Elterngeldes im vergangenen Jahr kann das Elterngeld aktuell, anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, nicht an die Kaufpreisentwicklung angepasst werden.“ 2023 war unter anderem eine Einkommensobergrenze von 200.000 Euro im Jahr eingeführt worden, jenseits derer Eltern keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben. Schon damals waren Sparvorgaben der Hintergrund für die Änderungen gewesen.

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SPD-Familienpolitikerin Sarah Lahrkamp hält trotzdem an dem Projekt fest, auch für diese Legislaturperiode. Der Verlust an Kaufkraft sei für Familien „nicht weiter zumutbar, deswegen wollen wir das ändern“, sagte sie dieser Redaktion. „Gerade den Mindestbetrag müssen wir anheben. 300 Euro sind einfach viel zu wenig.“ Eine Erhöhung der Grenzbeträge würde sich allerdings auf Jahre und Jahrzehnte auf den Bundeshaushalt auswirken. Und die Haushaltslage im Bund ist schwierig. „Das ist im Moment nicht einfach“, weiß auch Lahrkamp. „Aber der Koalitionsvertrag gilt, und wir wollen das angehen.“ 

Den Optimismus, dass sich vor der kommenden Bundestagswahl für Eltern noch etwas ändert, teilt man bei der Opposition nicht. Aber der Reformbedarf ist da, findet auch Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag. „Über den genauen Mechanismus und die Höhe muss man diskutieren“, sagte Breher dieser Redaktion. „Aber die Debatte muss dringend geführt werden.“

Und diese Debatte müsse auch verbunden sein mit einer inhaltlichen Weiterentwicklung der Leistung, findet sie. Da gehe es dann zum Beispiel um eine Ausweitung der Partnermonate, aber auch darum, wie man das Elterngeld so entwickeln könne, dass beide Eltern von kleinen Kindern die Möglichkeit und Anreize hätten, nicht Vollzeit, aber Vollzeit-nah zu arbeiten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich mit dieser Ampel-Koalition noch etwas bewegt, geht gegen null“, sagt Breher. „Aber darüber wird sich auch die nächste Regierung Gedanken machen müssen.“