Straßburg. Ursula von der Leyen bleibt Kommissionschefin. Das Verbrenner-Verbot will sie lockern, bei den Klimazielen bleibt es. Was plant sie noch?
Kehrtwende beim Verbrenner-Verbot, eine europäische Verteidigungsunion, zusätzlich 20.000 Grenzschützer: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat große Pläne für die nächsten fünf Jahre. Die 65-Jährige wurde am Donnerstag vom EU-Parlament für eine zweite Amtszeit gewählt, musste aber bis zur letzten Minute um die erforderliche absolute Mehrheit der 720 Abgeordneten kämpfen.
Mit politischen Leitlinien und einer fast einstündigen Rede im Straßburger Parlament gelang es der Christdemokratin, die letzte Hürde zu nehmen. Am Ende stimmten 401 von 707 Abgeordneten für sie. Neben dem informellen Bündnis von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen verhalfen in der geheimen Wahl die Grünen und offenbar auch einige Abgeordnete der rechtspopulistischen EKR -Fraktion der Kommissionspräsidentin zur Wiederwahl. Was will von der Leyen in ihrer zweiten Amtszeit noch erreichen?
1. Von der Leyens Credo: Ein stärkeres Europa
Im EU-Parlament versprach von der Leyen „ein stärkeres Europa, das Wohlstand bringt, Menschen beschützt, die Demokratie verteidigt. Ein stärkeres Europa, das soziale Gerechtigkeit herstellt und Menschen unterstützt.“ Bei vielen Bürgern herrsche Ungewissheit und Angst. Aber „ein starkes Europa ist den Herausforderungen gewachsen“. Dafür wolle sie mit allen demokratischen Kräften im Europaparlament kämpfen: „Ich werde niemals akzeptieren, dass Demagogen und Extremisten unsere europäische Lebensart zerstören.“ Als „Kernpriorität“ ihrer Amtszeit nennt von der Leyen die Erweiterung der EU um weitere Staaten – explizit um die Ukraine und Moldau.
2. Umstrittene Lockerung des Verbrenner-Verbots
Das umstrittene Verbot für neue Verbrenner-Pkw will die Präsidentin lockern: Es soll nun doch Ausnahmen für E-Fuels geben. Die EU hatte auf von der Leyens Vorschlag beschlossen, dass ab 2035 nur noch neue Pkw zugelassen werden, die im Betrieb kein klimaschädliches CO2 ausstoßen – das schaffen E-Fuels nicht, in der Gesamtbilanz sind sie trotzdem klimaneutral.
Nun sagt die Christdemokratin, um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten. Mit dieser Wende setzte sie Forderungen ihrer christdemokratischen EVP und der Liberalen um. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lobte umgehend, dass von der Leyen „nach ewigem Hinauszögern“ nun den „Irrweg“ verlassen habe, einseitig nur auf Elektromobilität zu setzen.
3. Europa soll wettbewerbsfähiger werden
Von der Leyen postuliert die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, nachdem Europa hier global unter Druck geraten ist. Der Binnenmarkt soll ausgebaut, Bürokratie abgebaut, Entscheidungen beschleunigt werden. Alle EU-Kommissare sollten ihren Bereich nach verzichtbaren Vorschriften durchforsten – mit diesem Versprechen nimmt von der Leyen die heftige Kritik auf, die auch aus der deutschen Wirtschaft an der EU-Kommission geübt wird, weil unter von der Leyens Führung die Bürokratielasten nicht verringert, sondern noch deutlich ausgebaut hat.
Name | Ursula von der Leyen |
Geburtsdatum | 8. Oktober 1958 |
Amt | Präsidentin der Europäischen Kommission |
Partei | CDU |
Parteimitglied seit | 1990 |
Familienstand | verheiratet |
Wohnort | Burgdorf-Beinhorn |
Um die Investitionen in Europa anzukurbeln, will die Präsidentin eine „Investitionsunion“ schaffen, die private und öffentliche Gelder mobilisiert. Ein Fonds für Wettbewerbsfähigkeit soll Schlüsseltechnologien wie grüne Technologien, Biotechnologie oder Künstliche Intelligenz fördern. Den Landwirten, die zuletzt gegen die EU-Politik auf die Barrikaden gegangen waren, verspricht von der Leyen, sie werde sich für faire Einkommen einsetzen.
5. So geht es beim Klimaschutz weiter
Von der Leyen versichert – vor allem an die Adresse von Grünen und Sozialdemokraten – dass es bei den beschlossenen Klimazielen bleiben soll. Für 2040 will sie ein neues Zwischenziel gesetzlich festschreiben: 90 Prozent weniger C02-Ausstoß im Vergleich zu 1990. Schon in den ersten 100 Tagen der neuen Amtszeit, also zur Jahreswende, werde sie einen „Clean Industrial Deal“ für eine saubere Industrie in Europa vorlegen, um neue „Leitmärkte“ etwa für sauberen Stahl zu schaffen. Zu den Vorhaben gehören außerdem ein Klimaanpassungsplan zur Unterstützung der Mitgliedstaaten und verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien.
6. Verstärkter Grenzschutz mit 30.000 Beamten
Beim Thema Migration verspricht die Präsidentin ein gemeinsames EU-System für schnellere Abschiebungen, auch durch verstärkte Partnerschaften mit Drittstaaten. Neu ist, dass in diesem Zusammenhang ein Kommissar für die Mittelmeer-Region geschaffen werden soll, der die Zusammenarbeit mit Nordafrika verbessern soll. Von der Leyen will sich für den Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex einsetzen, die statt der bislang vorgesehenen 10.000 Beamte nun 30.000 Beamte bekommen und mit „modernster Überwachungstechnologie“ ausgestattet werden soll.
7. Kommt die Verteidigungsunion?
Erwartungsgemäß setzt von der Leyen einen neuen Schwerpunkt auf Sicherheit und Verteidigung. „Es ist Zeit für den Aufbau einer echten europäischen Verteidigungsunion“, sagte sie. Die EU müsse mehr in die Verteidigung investieren, auch in gemeinsame Projekte wie eine europäische Luftabwehr. Dafür wird es einen eigenen Verteidigungskommissar geben. Die Zahl der Mitarbeiter bei der EU-Polizeibehörde Europol soll verdoppelt, außerdem eine europäische Cyberabwehr aufgebaut werden. Der Ukraine werde die EU im Krieg gegen die russischen Besatzer so lange zur Seite stehen wie nötig, sagt die Präsidentin.
8. Ein EU-Kommissar für Wohnen
Von der Leyen will die europaweiten Probleme auf dem Wohnungsmarkt zum Thema der Kommission machen. Sie will nicht nur einen Plan für bezahlbares Wohnen vorlegen, sondern sogar den Posten eines Wohnungskommissars schaffen, obwohl die EU hier eigentlich kaum Kompetenzen hat, wie die Präsidentin einräumte.
9. Kampf gegen Online-Sucht
Die EU soll gegen süchtig machende Designs einiger Online-Plattformen vorgehen. Außerdem will von der Leyen die Auswirkung der sozialen Medien auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen untersuchen lassen: „Wir sind es ihnen schuldig, und wir werden nicht eher ruhen, bis wir das Richtige für sie getan haben“.
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