Berlin. „Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert“, sagte J. D. Vance als Senator. Wie tickt Trumps Kandidat als Vize?
Die USA sind einer der größten Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Trumps Vizepräsidentenkandidat J. D. Vance machte seine abneigende Position gegenüber dem Land jedoch schon vor dem Krieg klar: „Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so.“ Im Senat stellte er sich in der Folgezeit mehrmals gegen die Milliardenunterstützung der USA für das angegriffene Land. „Bidens Regierung hat keinen tragfähigen Plan, wie die Ukrainer diesen Krieg gewinnen können. Je eher sich die Amerikaner dieser Wahrheit stellen, desto eher können wir dieses Chaos beheben und für den Frieden vermitteln“, sagte Vance noch im Frühjahr.
Dass seine nun erfolgte Nominierung als Trumps Vizepräsidentenkandidat in Russland begrüßt wird, ist da wenig verwunderlich. „Er ist für den Frieden, für die Beendigung der bisherigen Unterstützung der Ukraine, und das können wir nur begrüßen. Denn das ist es, was wir brauchen: die Ukraine nicht mehr mit Waffen vollzupumpen, und dann wird der Krieg enden“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow zur Nominierung Vances und fügte hinzu: „Wir werden anfangen, nach Lösungen zu suchen.“ Generell hofft man in Moskau auf einen Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus.
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Sind Bidens Reden der Grund für das Attentat?
Schon vor seiner Nominierung stand Vance Trump stets zur Seite: Die Schüsse auf den Ex-Präsidenten waren erst ein paar Stunden her, da schob der republikanische US-Senator J. D. Vance dem US-Präsidenten Joe Biden die politische Verantwortung für das Attentat zu: „Heute ist nicht einfach ein isolierter Einzelfall“, schrieb Vance im Onlinedienst X. Vielmehr hätten Bidens Vorwürfe gegen Trump direkt zu der Gewalttat beigetragen. „Die zentrale Prämisse von Bidens Kampagne ist, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss“, meinte Vance. „Diese Rhetorik hat direkt zur versuchten Ermordung von Präsident Trump geführt.“
Der Vorwurf von Vance ist politisch besonders brisant, weil der Republikaner US-Vizepräsident wird, sollte Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen: Vance ist Trumps Mann für die Vizepräsidenten-Kandidatur, wie der Ex-Präsident nach Monaten der Geheimniskrämerei zum Auftakt des Republikaner-Parteitags bekannt gab.
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Der 39-jährige Vance setzt sich jetzt mit der Andeutung einer klaren Rollenteilung in Szene: Trump könnte weniger aggressiv auftreten, seinen konfrontativen Ton dämpfen und – wie er es schon ankündigt – die Einheit des Landes beschwören. Vance würde dafür den Scharfmacher geben, der den Trump-Anhängern die Stichworte für die weitere Spaltung des Landes liefert. Es ist der Abschluss einer brutalen Kehrtwende: Der auch als Schriftsteller erfolgreiche Politiker war einst ein erklärter Gegner Trumps.
J. D. Vance: Netflix verfilmte sein Buch
Vance, geboren vor fast 40 Jahren als James Donald Bowman, stammt aus Middletown in Ohio, dem vom industriellen Abstieg geprägten amerikanischen Rust Belt. Er wuchs in einer zerrütteten Arbeiterfamilie auf, als vaterloser Sohn einer drogenabhängigen Mutter, die wechselnde Männer ins Haus brachte. Dem Einsatz seiner Großmutter hat Vance es zu verdanken, dass er trotzdem seinen Weg machen konnte: Dienst in der militärischen Eliteeinheit Marines, Jurastudium an der Eliteuni Yale, dann Finanzmanager in einer Investmentfirma in San Francisco.
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Vance veröffentlichte 2016 ein autobiografisches Buch über die Geschichte seiner Familie mit dem Titel „Hillbilly Elegy“ – der tiefe Blick in eine neue weiße Unterschicht in den USA, die im vergeblichen Kampf um sozialen Aufstieg resigniert hat, erklärte dem liberalen Teil der amerikanischen Gesellschaft die Welt von Trump-Wählern. Das Buch erschien im Juni 2016 während Trumps erstem Präsidentschaftswahlkampf und wurde schnell zu einem Bestseller, den Netflix später verfilmte.
Zu dieser Zeit war Vance ein scharfer Kritiker Trumps, nannte dessen politische Vorstellungen absurd, beklagte die feindliche Rhetorik gegen Einwanderer. Er sei ein „Never-Trump-Guy“, gab der gefeierte Autor zu Protokoll, er habe Trump „nie gemocht“, dieser sei „ungeeignet für das höchste Amt unserer Nation“. In einer später bekannt gewordenen privaten SMS-Nachricht meinte er gar, Trump könne „Amerikas Hitler“ sein.
J. D. Vance über Donald Trump: „Er war ein großartiger Präsident.“
Doch Jahre später boten ihm Republikaner in Ohio eine Kandidatur für den US-Senat an – Vance griff zu, rückte von seinen Vorwürfen gegen Trump ab, wurde stattdessen zum Kritiker von Globalisierung und Zuwanderung und machte Wahlkampf mit der rechtsextremen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene. Bei den Midterms im November 2022 setzte sich Vance gegen den demokratischen Kandidaten Tim Ryan durch und zog in den US-Senat ein.
Entscheidend für den Wahlerfolg war die Unterstützung durch Trump. Der sagte spöttisch über seinen Parteifreund: „Er küsst mir den Hintern, so dringend will er meine Unterstützung.“
Wieso die Kehrtwende? Er habe sich bei Trump geirrt, erklärt Vance: „Ich habe nicht geglaubt, dass er ein guter Präsident sein würde. Er war ein großartiger Präsident.“ Trump habe dem Land Wohlstand und Frieden beschert. Mit dem Eifer des Konvertiten lobt er Trumps angeblichen Pragmatismus und sieht ihn als Anführer einer Bewegung gegen „woke Eliten“. Sogar den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verteidigt Vance nun als überwiegend „super friedlich“.
Klar, dass er Trump in der Schweigegeldaffäre zur Seite stand und nach der Urteilsverkündung wetterte, es handele sich nicht um Gerechtigkeit, sondern um „Wahlmanipulation“. Auch für die europäischen Nato-Länder hat Vance eine klare Botschaft: Sie könnten nicht länger die Wohlfahrtsempfänger der USA sein. Donald Trump aber verspricht der Senator, er werde „hart daran arbeiten, dass er eine zweite Amtszeit bekommt“.
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