Washington. US-Präsident Joe Biden hat bei einem Presseauftritt Zeit gewonnen. Doch es bleiben Zweifel – auch wegen zwei peinlichen Versprechern.
Elf Fragen in gut einer Stunde freihändig ohne Teleprompter beantwortet. Dabei bis auf einen haarsträubenden Verwechsler keine substanziellen Pannen abgeliefert. In außenpolitischen Dingen tiefe Sachkenntnis bewiesen. Den zahlreichen Kritikern mit Entschlossenheit „Ich mache weiter” zugerufen. Aber die Zweifler in den eigenen Reihen, die ihn mental für nicht mehr ausreichend belastbar halten, nicht besänftigt.
Die mit Hochspannung erwartete Presse-Konferenz von US-Präsident Joe Biden am Donnerstagabend in Washington hat keine klaren Indizien dafür geliefert, ob der 81-Jährige in vier Monaten erneut gegen den Republikaner Donald Trump im Kampf um das Weiße Haus antreten oder vorher auf Druck der eigenen demokratische Partei zum Rückzug gedrängt wird. Die fünf wichtigsten Lehren:
US-Wahl 2024: Joe Biden will nicht zurückziehen
Joe Biden will trotz des massiv anschwellenden Protestes in den eigenen Reihen partout nicht aufgeben. Er hält die für ihn widrigen Umfragen momentan nicht für aussagekräftig. Der eigentliche Wahlkampf beginne erst im September. Dann seien noch neun Wochen Zeit, um die Wähler zu überzeugen. Den Weg freizumachen für eine Alternative, das würde Biden erst dann in Erwägung ziehen, wenn ihm glaubhaft bedeutet würde, dass er partout nicht gegen Donald Trump gewinnen könne.
Das aber sei bis heute nicht geschehen. Biden bleibt bei seiner selbstbewussten Selbsteinschätzung: „Ich bin die am meisten qualifizierte Person für diesen Job. Ich habe Trump einmal geschlagen und ich werde es wieder tun.” Die Angst um sein Vermächtnis sei bei seiner Entscheidung nicht ausschlaggebend, sagte er. Sondern: „Ich will den Job zu Ende machen.” Wichtiger Zusatz: Andere Demokraten seien auch qualifiziert, gegen Trump ins Rennen zu gehen. Aber sie müssten bei Null anfangen.
Seine Kampagne dagegen habe 220 Millionen Dollar auf dem Konto. Und er bekomme „überwältigenden Zuspruch”. Noch wichtiger: Biden sagt, dass sich die Delegierten auf dem Nominierungsparteitag im August in Chicago natürlich noch gegen ihn entscheiden könnten. „Das ist Demokratie.” Aber, so der Präsident: „Das wird nicht passieren.”
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Joe Biden patzt doppelt: Selenskyj mit Putin verwechselt
Unmittelbar vor der zwei Stunden später als geplant gestarteten Pressekonferenz stellte Biden den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einer Nato-Zeremonie am Rednerpult als „Präsident Putin” vor. Er verbesserte sich aber in Sekundenschnelle. Er sei „zu fokussiert darauf, Putin zu schlagen”. Selenskyj schaute kurz entgeistert.
Diese Selbst-Korrektur unterblieb, als Biden seine Vize-Präsidentin Kamala Harris irrtümlicherweise als Vizepräsident Trump bezeichnete. Auf die Frage, ob Harris Donald Trump im November schlagen könne, sollte er nicht bei der Präsidentschaftswahl antreten, sagte der 81-Jährige: „Ich hätte Vizepräsident Trump nicht als Vizepräsidentin ausgewählt, wenn ich nicht denken würde, dass sie für das Amt der Präsidentin qualifiziert ist.”
Biden stellte später heraus, dass Harris, die unter Demokraten teilweise als wünschenswerte politische Erbin betrachtet wird, gerade im Konfliktfeld Abtreibung große Verdienst habe. Aber: Der Frage, ob Harris Trump schlagen würde, wenn sie denn die Nr. 1 wäre, wich er aus.
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Joe Biden punktet mit außenpolitischer Expertise
Der Präsident nutzte weite Strecken des Frage-Antwort-Spiels, um seine in 50 Jahren angesammelte Welt-Erfahrung und außenpolitische Expertise zu demonstrieren. Was er zur Kooperation Chinas mit Russland oder zum Israel/Gaza-Konflikt sagte, wie er den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine rekapitulierte und über Themen der Nationalen Sicherheit redete, das wurde in US-Medien als „zwar lang und manchmal umständlich, aber fundiert, komplex und detailreich” beschrieben.
Biden leitet nicht zuletzt daraus für sich die Legitimation ab, mit der Kandidatur fortzufahren. Es stehe zu viel auf dem Spiel, wenn Donald Trump an die Macht käme. Beim Nato-Gipfel hätten ihm viele Regierungschefs gesagt: „Du musst gewinnen. Trump wäre für uns ein Desaster.” Bidens Auftritte leiden, auch wenn er wie am Donnerstagabend nicht den Faden verliert, oft daran, dass er sich selbst entwertet. Biden sagt zu oft am Ende seiner Sätze „egal” und leitet dann zu einem anderen Thema über.
Joe Biden würde Test über seinen Geisteszustand machen
Auf die Frage, ob er Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping auch noch in einigen Jahren in einem Vier-Augen-Gespräch die Stirn bieten könne, entgegnete Biden selbstbewusst: „Ich kann es heute. Und ich werde es in drei Jahren können.” Er bleibt hartnäckig dabei: Das TV-Duell mit Trump vor zwei Wochen sei eine „schlechte Nacht” gewesen („dummer Fehler”) und kein Symptom für eine ernsthafte Beeinträchtigung.
Er wiederholte die Notwendigkeit, bei seinen oft von 7 Uhr morgens bis Mitternacht dauernden Arbeitstagen kürzer zu treten. Allein, manchmal packe ihm sein Stab noch Arbeit obendrauf. Allen Fragen, die seine Belastbarkeit in einer etwaigen zweiten Amtszeit betrafen, begegnete Biden so: Solange er sich selbst versichern könne, den Job zu schaffen, solange könne er davon auch die Wähler überzeugen.
Vor einem medizinischen Test über seine kognitiven Fähigkeiten, wie er von vielen Demokraten gefordert wird, hat Biden keine Angst. Wenn seine Ärzte, was sie bisher nicht getan hätten, ihn dazu aufriefen, würde er so einen Test machen. Biden nahm für sich in Anspruch, ein durchgängig anstrengendes Programm zu absolvieren. Während Donald Trump im Golf-Cart über den Platz fahre.
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Joe Biden kann Kritiker nicht besänftigen
Noch während der Pressekonferenz hielt sich bei Demokraten in sozialen Medien die Meinung, Joe Biden habe keinen Anlass geliefert, ihm akut die Rote Karte zu zeigen. Einige seiner Vertrauten im Kongress sprachen sogar von einer beeindruckenden Demonstration seiner Kompetenz. Zugleich wurde von vielen bezweifelt, ob er die abschüssige Bahn, auf der sich seine Kandidatur seit zwei Wochen befindet, wirklich verlassen kann.
Parteiinterne Kritiker pochten darauf, dass eine grundsolide (sieht man von den Namensverwechslungen ab) Pressekonferenz nicht die Befürchtung gegenstandslos macht, dass so etwas wie die TV-Duell-Katastrophe mit Trump, wo er geistesabwesend und überfordert war, jederzeit wieder geschehen könne. Und passierte das kurz vor der Wahl am 5. November, wenn es zeitlich unmöglich sei, Biden zu ersetzen, „was dann?“. Inzwischen haben rund 15 von 280 demokratischen Senatoren und Abgeordneten seinen Rückzug gefordert.