Washington. US-Präsident Joe Biden blendet im „Rehabilitations-Interview” nach dem TV-Debakel die Realität aus und macht es noch schlimmer.

Joe Biden hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Sein als „Rehabilitations-Interview” gedachtes Gespräch, in dem die Scherben vom unterirdischen TV-Duell mit Donald Trump zusammengekehrt und so gut es geht wieder zusammengesetzt werden sollten, ging am Freitag nach hinten los. Das war kein Befreiungsschlag. Das war Mist.

In seiner eigenen Partei ist das Kopfschütteln über Bidens Realitätsverweigerung am größten. Mindestens hatte man bei den Demokraten erwartet, dass der 81-Jährige nach dem Total-Flop von Atlanta zeitig einem wissenschaftlich unabhängig überprüfbaren Test über seine tatsächliche mentale Verfassung zustimmen würde. 

Nur so könnte vielleicht der Eindruck aus der Welt geschafft werden, dass der 46. Präsident der Vereinigten Staaten längst nicht mehr über die nötige geistige Elastizität verfügt, um den anspruchsvollen Job zu machen. 

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Stattdessen klopfte sich der Präsident fortwährend für seine durchaus eindrucksvolle Leistungsbilanz seit 2021 und sein tiefe internationale Erfahrung auf die Schulter. Darum ging es nie. Es geht um die berechtigten Zweifel, ob dieser Mann noch mal vier Jahre bei Verstand bleiben und durchhalten kann im schwierigsten Job der freien Welt. 

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent.
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent. © privat | Privat

Joe Biden eben nicht mehr der „Alte” von 2020

Anstelle einer ehrlichen Antwort präsentierte Biden vor allem seinen Stolz. In den 20 Minuten mit dem seriös und gut fragenden Moderator George Stephanopoulos blitzte blanker Trotz auf. Biden glaubt nicht an die miserablen Umfragewerte, die seit Monaten für ihn erhoben werden. Er glaubt nicht, dass ein jüngeres demokratisches Gesicht eine neue, bessere Dynamik entfachen und Trump im November eher neutralisieren könnte als er. Er sieht keine Verpflichtung, seine natürlicherweise schwindenden Fähigkeiten wenigstens überprüfen zu lassen. Für Biden ist das ein Idioten-Test und darum unter seiner Würde. 

All das, gepaart mit der fehlenden Bereitschaft, zuzugeben, dass die vergangenen vier Jahre nicht in den Kleidern hängen geblieben sind und er eben nicht mehr der „Alte” von 2020 ist, macht Joe Biden knapp 125 Tage vor der Wahl noch angreifbarer als er ohnehin schon ist. 

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In seiner Partei ist das Rumoren nicht mehr zu stoppen. Joe Biden hat die zentralen Bedenken über seine Kandidatur, die nach Atlanta aufgetaucht sind, nicht zerstreuen können - weil er sie offenkundig nicht ernst nimmt. Er spricht immer noch von “einem schlechten Abend”. Das ist das Gegenteil von schlau. 

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis führende Demokraten dem Senior ins Gewissen und den Weg zum Ausgang zeigen werden. Wenn es nicht schon vorher der liebe Gott tut. Auf den würde Joe Biden ja hören.