Moskau. Angeblich stand die Band Piknik im Fadenkreuz des Anschlags in der Crocus City Hall – dessen Bauherren Donald Trump sehr gut kennt.
Nach dem brutalen Anschlag des Terrorkommandos in der Crocus City Hall bei Moskau mit über 130 Toten begannen ziemlich bald auch die Spekulationen darüber, warum die Attentäter sich diesen Ort und diesen Zeitpunkt ausgesucht hatten – und beinahe sofort wurde von russischen Bloggern eine Verbindung gezogen von der Band Piknik, die an dem Abend des Terrors dort auftreten sollte, zum Ukraine-Krieg. Die Mär geht kurz zusammengefasst so: Weil Piknik den Kriegskurs von Diktator Putin unterstützt, haben proukrainische Terroristen an diesem Abend zugeschlagen. All das passt in die Legende, die der Kremlherrscher gerade stricken will – um vom eigentlichen Thema abzulenken: dass die russischen Sicherheitsbehörden die Gefahr durch islamistische Anschläge falsch eingeschätzt haben.
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Wer ist Piknik?
Wer ist also diese Band im Mittelpunkt des Geraunes: Piknik existiert seit über 40 Jahren. Beeinflusst vom 70er-Jahre-Rock von Deep Purple oder David Bowie hat sie ihre Wurzeln im Art-Rock oder Prog-Rock – anspruchsvolle, ausgefeilte Musik, die Texte bleiben meist düster-mystisch. Piknik erfreute sich offenbar früh der Sympathien des Sowjetregimes und erhielt 1982 eine Auszeichnung beim ersten offiziellen Rock-Festival in Leningrad. Über 34 Mitglieder hatte die Formation in den vergangenen Jahrzehnten.
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Seit 1978 schreibt Edmund Schkljarski alle Texte und Songs – und er hält sich mit politischen Statements stets zurück. Allerdings geriet die Band 2016 in die politischen Schlagzeilen – nach einem Auftritt auf der von Russland annektierten Krim-Habinsel erhält sie von der ukrainischen Regierung Auftrittsverbot, was Schkljarski mit einem Schulterzucken quittiert. Er hat sich bisher offenbar weder in Interviews noch in seinen Songtexten dezidiert als Kritiker oder Befürworter des Ukraine-Krieges geäußert.
Piknik hat sich „nie als politische Band geäußert“
lja Kukulin, Kulturhistoriker am Amherst College in Massachusetts, sagte in einem Interview mit der „New York Times“, Piknik sei eine der Legenden des Rock in der Sowjetunion und im späteren Russland – stets innovativ, mit grandiosen Bühnenshows. Piknik habe sich „nie als politische Band“ geäußert, so Kukulin. Vielleicht ist das eines der Erfolgsgeheimnisse über die Jahrzehnte hinweg: Viele Bands, die es taten, wurden vom Regime marginalisiert – etliche sind ins Ausland gegangen. Piknik profitierte immerhin davon mit erneut wachsender Popularität. Das Konzert in der Crocus City Hall war am Abend des Terrordramas ausverkauft.
In diesem Monat stellte die Band einen neuen Song online: „Fürchte nichts – fürchte gar nichts“ – gewohnt blutig und düster, beinahe prophetisch in Bezug, was kommen würde.
Auf ihrer Homepage hat die Band nun auf die Morde in Moskau reagiert: „Wir sprechen den Familien und Freunden der Opfer unser tiefstes Mitgefühl aus. Wir beten für die baldige Genesung der Verletzten. Wir sind zutiefst erschüttert über diese schreckliche Tragödie und trauern mit euch.“
Crocus City Hall nahe Moskau: ein beinahe idealer Anschlagsort
Wenn also Piknik nicht wirklich ein echtes Ziel für die Terroristen war, die Crocus City Hall ist es allemal. Sie hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Veranstaltungshallen in der Region Moskaus entwickelt. Sie bietet russischen, aber auch internationalen Stars eine Bühne – und dem US-Milliardär Donald Trump.
Die Halle liegt außerhalb der Grenzen der Hauptstadt, aber verkehrstechnisch nahezu perfekt angebunden, in der Nähe einer Station der Moskauer U-Bahn sowie einer Ringstraße Moskaus. Der Komplex verfügt nicht nur über eine Konzertbühne, sondern auch über eine Einkaufsmeile sowie ein Konferenzzentrum, oft finden dort Autoshows statt. Er ist ein Tummelplatz für die Moskauer Eliten – als Anschlagsort also ideal, um maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Emin Agalarow soll Trump-Team belastendes Material zu Hillary Clinton vermittelt haben
Wenn man genauer hinschaut, wird es noch spannender: Bauherr der Halle ist der Immobilienunternehmer Aras Agalarow, ein Oligarch von Putins Gnaden – und einer von dessen Mittelsmännern zum früheren US-Präsidenten Donald Trump. Agalarows Unternehmen, die Crocus Group, ist auf den Handel mit Luxus- und Freizeitartikeln spezialisiert. Sein Vermögen wurde 2021 vom US-Magazin „Forbes“ auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt. Agalarows Sohn Emin ist Popsänger – und zugleich Geschäftspartner seines Vaters, früher war er einmal mit der Tochter des aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew verheiratet.
Der damalige US-Immobilienunternehmer Trump veranstaltete 2013 in der Crocus City Hall den Miss-Universe-Wettbewerb. Medien erzählte Trump, er habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu dem Schönheitswettbewerb eingeladen, der allerdings der Show fernblieb. Kurz danach tauchte Trump in einem Popvideo von Emin Agalarow auf.
Seine engen Verbindungen zur Familie Agalarow kamen ans Licht, als Trump bei der US-Präsidentenwahl 2016 als Kandidat der Republikaner gegen Hillary Clinton antrat. Wenige Monate vor der Wahl, im Juni 2016, arrangierte Emin Agalarow für Trumps Sohn Donald Trump Jr., seinen Schwiegersohn Jared Kushner sowie seinen Kampagnenchef Paul Manafort ein Treffen mit der russischen Anwältin Natalia Weselnizkaja, die belastendes Material über Hillary Clinton angeboten hatte. Später sagte Emin Agalarow der britischen „Daily Mail“, er habe auf Anweisung seines Vaters geholfen, das Treffen zu arrangieren – dieses sei aber „unproduktiv und nutzlos“ gewesen. (ftg/afp)
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