Kiew. Bevor der Ukraine-Krieg ins dritte Jahr geht, wechselt Präsident Selenskyj seinen Oberbefehlshaber aus. Bringt der Wechsel die Wende?
Der Schritt kommt nicht überraschend: Seit Tagen galt die Entlassung des beliebten ukrainischen Befehlshabers Walerij Saluschnyj als entschiedene Sache. Spekuliert wurde darüber bereits seit Anfang Januar; schon mindestens drei Wochen vor dem Treffen von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit seinem Armeechef, bei dem es offenbar zum ersten Mal konkret um die Entlassung ging. Am frühen Donnerstagabend war es nun so weit.
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Sie posteten zunächst ein Foto, auf dem beide lächeln und sich die Hand geben – aber noch nicht ganz konkret werden. „Ich habe ihm für zwei Jahre der Verteidigung gedankt“, schrieb Selenskyj auf seinen Blogs in sozialen Netzwerken. „Wir haben darüber gesprochen, welche Erneuerung die ukrainischen Streitkräfte brauchen.“
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Zeit für die Erneuerung gekommen
Es sei auch darum gegangen, wie die Führung der Armee erneuert werden könne. „Die Zeit für eine Erneuerung ist jetzt.“ Wenig später bestätigte Selenskyj die Personalentscheidung in der Abendansprache: Saluschnyj geht.
Das Kommando übernimmt der 58-jährige Generaloberst Oleksandr Syrskyj, der bisherige Kommandeur der Landstreitkräfte und der Verantwortliche für zwei der wichtigsten Operationen im Ukraine-Krieg: Die Verteidigung von Kiew und die Gegenoffensive im Bezirk Charkiw im September 2022.
Beim Volk war der bisherige Oberbefehlshaber beliebt
Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Soziologie-Instituts vom Dezember 2023 waren 72 Prozent der Ukrainer gegen die Entlassung von Saluschnyj. Nur zwei Prozent hätten diese befürwortet. Generell lagen die Vertrauenswerte für den Befehlshaber, den Selenskyj im Juli 2021 selbst ernannte, bei fast 90 Prozent.
Selenskyj musste damit rechnen, dass ihm die Bevölkerung die Entlassung übel nehmen könnte. Umso stärker bemühten sich der Präsident und sein Verteidigungsminister Rustem Umerow darum, den Abgang von Saluschnyj so leise zu gestalten, wie es nur geht. Dies ist nun halbwegs gelungen.
Dass Saluschnyj jetzt – wie von Selenskyj vorgeschlagen – in einer anderen Position in seinem Team bleibt, ist nahezu unvorstellbar. Und auch generell gilt: Dass der Präsident trotz all der offensichtlichen politischen Risiken diesen Schritt geht, spricht dafür, dass die Differenzen zwischen den beiden beliebtesten öffentlichen Figuren des Landes zu groß waren und eine konstruktive Zusammenarbeit zuletzt schlicht unmöglich machten.
Saluschnyjs Auftritte störten Selenskyj
Dabei ging es einerseits um Fragen der militärischen Strategie: Selenskyj war der Meinung, dass Saluschnyj, dessen Kompetenz generell kaum bestritten wird, zu wenig frische Ideen auf den Tisch bringe, um aus der aktuellen Lage herauszukommen – etwa mit Blick auf die weitere Mobilmachung. Daneben ging es auch um das öffentliche Auftreten Saluschnyjs: Die eigenmächtigen Einlassungen des Generals in ausländischen Medien wie dem amerikanischen Sender CNN trafen auf wenig Begeisterung im Präsidentenbüro.
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Nachfolger Syrskyj, der Kommandeur der Landstreitkräfte, ist Putins Truppen nicht unbekannt. Er ist für zwei der schmerzhaftesten Niederlagen Russlands in diesem Krieg verantwortlich. Syrskyj führte die Abwehrschlacht um Kiew zu Beginn des Krieges an und auch die erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive im Bezirk Charkiw geht auf ihn zurück. Er verantwortete allerdings auch die monatelange Verteidigung von Bachmut, deren Sinn oft von Experten angezweifelt wurde.
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Neuer Armeechef gilt als Reformer
Syrksyj ist gebürtiger Russe. Geboren wurde er im russischen Bezirk Wladimir, er absolvierte die Moskauer Höhere Militärkommandohochschule, wo er zusammen mit einigen heutigen russischen Kommandeuren studierte. Erst seit den 1980er Jahren lebt Syrskyj in der Ukraine, als Russe fühlt er sich jedoch längst nicht mehr.
Der General hat sich zudem einen Namen als Reformer der ukrainischen Armee gemacht: Er erkannte die Schwächen des Militärs, war mitverantwortlich für den Umbau des Apparats, wodurch aus der kleinen postsowjetischen Armee eine mobile und moderne Streitmacht wurde. Schon vor dem Donbass-Krieg verantwortete er die Kommunikation mit den Partnern in der Nato – und passte die Armee nach und nach an Nato-Standards an.
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