Moskau. Haushaltsgeräte von Bosch mit ukrainischem Aufkleber, verkauft in einem Moskauer Shop: Russland fehlt es an nichts – auch dank China.
Ein Leben ohne iPhone? Für viele junge Russinnen und Russen, vor allem in Großstädten wie Moskau oder Sankt Petersburg, ist das undenkbar. Doch wie kommt man an das begehrte Statussymbol? Im März 2022, kurz nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine hatte sich der Hersteller Apple nach großer öffentlicher Ankündigung aus dem russischen Markt zurückgezogen. Merkwürdig ist nur, dass all die Apple-Dienste, die das Leben mit dem Iphone so angenehm machen, nach wie vor in Russland funktionieren. Icloud, App-Store, alles geht. Auch funktioniert das Iphone problemlos mit einer russischen SIM-Karte.
Trotz des vorgeblichen Rückzuges arbeitet der US-Konzern sogar mit den russischen Behörden zusammen. Wegen der westlichen Bankensanktionen deaktivierte Apple zwar seinen Bezahldienst Apple Pay und entfernte darüber hinaus mehrere russischer Nachrichtenportale und Onlinedienste aus seinem App-Store. Doch den App-Store selbst, auch in Russland ein lukrativer Markt, wollte man wohl nicht aufgeben.
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Nach Agenturberichten bezahlte man Anfang des Jahres sogar anstandslos eine Strafe der russischen Wettbewerbsbehörde in Höhe von rund 12,5 Millionen Euro. Abgestraft wurde Apple wegen Missbrauchs seiner dominanten Position auf dem App-Markt. Die Behörde hatte die Strafe bereits im Juli 2022 verhängt, einen entsprechenden Protest des Konzerns wies ein russisches Gericht nach längerem Rechtsstreit zurück.
Russland: In der Moskauer Mall kostet das Iphone knapp 1000 Euro
Doch wie kommt man in Russland an sein neues Iphone? Schon zum Verkaufsstart des Iphone 14 im September 2022 beruhigte Denis Manturow, damals russischer Handelsminister und heute Vize-Premier, die Apple-süchtige Kundschaft. Selbstverständlich würde es das neue Handy auch in Russland geben: „Warum nicht? Wenn die Konsumenten diese Telefone kaufen wollen, dann ja“, sagte Manturow. „Es wird die Möglichkeit geben.“ Dabei ist es bis heute geblieben.
Besuch im „Europäiskij“, einer Shopping Mall im Zentrum von Moskau. Viele Leute sind unterwegs, besonders der russische Mittelstand kauft gerne im „Europäiskij“ ein. Selbstverständlich gibt es auch die neuesten Iphone-Modelle, allerdings sind sie nicht ganz billig. In einer Vitrine stellt „Megafon“, der Telefonladen im Erdgeschoss, seine Apple-Produkte aus. Für knapp unter 1.000 Euro gibt es hier etwa das Iphone 15 mit 256 GB Speicher.
Ähnlich sind die Preise im Technikladen zwei Stockwerke darüber. Hier gibt es auch MacBooks, Ipads, die Apple-Watch und Zubehör. Erheblich billiger ist das Iphone beim Versandhändler „Ozon“, der russischen Variante von „Amazon“. Das Iphone 15 gibt es hier schon für rund 780 Euro. Iphones in Russland – trotz Apple-Rückzug – wie ist das möglich? Das Zauberwort heißt „Parallelimporte“.
Was nicht über China importiert wird, kommt aus Drittstaaten
Was nicht direkt aus China importiert werden kann, wie etwa das Iphone, kommt über Drittstaaten ins Land. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür hat die russische Regierung kurz nach Verhängung der ersten westlichen Sanktionen geschaffen. Das Industrie- und Handelsministerium veröffentlichte eine Liste mit Produkten aus rund hundert Warenkategorien, für deren Import keine Zustimmung der Hersteller mehr nötig ist.
Nunmehr können Zwischenhändler, etwa in Armenien, Georgien, in der Türkei oder in Kasachstan, alle möglichen Waren irgendwo auf dem Weltmarkt kaufen und ganz legal nach Russland exportieren. Ohne dass es dazu eine Genehmigung des Herstellers bedarf. Doch nicht nur über Parallelimporte kommen westliche Waren nach Russland. Trotz Sanktionen und großen politischen Drucks ist die Mehrzahl der ausländischen Firmen weiter in Russland tätig.
Eine Studie des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche in Zusammenarbeit mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft und dem ifo Institut in Leipzig hat ergeben, dass seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 nur 9,5 Prozent der ausländischen Unternehmen dem Land den Rücken gekehrt haben, wobei etwa ein weiteres Drittel aller Firmen ihre dortigen Aktivitäten einschränkte.
Nachschub an Konsumgütern aus China scheint gesichert
Zu beachten sei allerdings, so die Studienautoren, dass die rund zehn Prozent der Firmen, die Russland verlassen haben, für etwa 30 Prozent aller von ausländischen Unternehmen vor dem Krieg generierten Umsätzen verantwortlich zeichneten. Trotzdem ist der Nachschub an Konsumgütern für Russland gesichert. Und die neue Achse zwischen Russland und China wird dafür immer wichtiger.
Der Handel zwischen beiden Ländern floriert: Im vergangenen Jahr stieg das Handelsvolumen zwischen Russland und China um 26 Prozent auf umgerechnet mehr als 220 Milliarden Euro. Aus China kommen Konsumgüter, Russland liefert vor allem Energie, will den Ausbau der Gaspartnerschaft vorantreiben.
Manchmal kommen Konsumgüter aber auch auf ganz besonderen Wegen nach Russland, berichtet die Zeitung „Kommersant“. Käufern von Haushaltsgeräten von Bosch, Delonghi und Philips sei aufgefallen, dass etwa Spülmaschinen mit Aufklebern in ukrainischer Sprache versehen waren. Statt in die Ukraine nach Russland? Die Hersteller dementieren, der „Kommersant“ sagt, das Geschäft sei über Zwischenhändler gelaufen.
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Und der russische Versandhändler „Wildberries“ kommentiert laut „Kommersant“: „Wenn die Verkäufe irgendwo sinken, werden die produzierten Waren in eine andere Region oder ein anderes Land verkauft, wo es Absatzmöglichkeiten gibt.“ Sprich: Weniger Absatz in Kiew, dann gehen die Geräte einfach nach Moskau. Geschäft ist Geschäft.
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