Hannover/Düsseldorf. Die lang erwartete Studie der Evangelischen Kirche bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Forscher bekamen zu wenig Unterstützung.
Vor sechs Jahren, als die sogenannte MHG-Studie erstmals die Größenordnung der Missbrauchstaten in der katholischen Kirche beziffern konnte, befand der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, noch, seine Kirche sei einfach „weniger anfällig für Missbrauch.“
Diese Einschätzung lässt sich kaum aufrechterhalten. Missbrauchstäter gibt es offenbar auch ohne strenge Hierarchie und Zölibat, auch in einer Kirche, die auf ihren Föderalismus und ihre Vielfalt so stolz ist. Noch vor Wochenfrist verkündete die Evangelische Kirche im Rheinland, man habe umfassend Material für die Studie geliefert, kläre auf, betreibe Prävention, sei auf einem guten Weg.
Und gestern nun machen die Studienautoren auf offener Bühne vor der Presse deutlich, dass 19 von 20 Landeskirchen vertraglich zugesicherte Aktenbestände nicht zugänglich machen konnten oder wollten. Dass ihre Studie maximal die „Spitze der Spitze des Eisbergs“ zeige und das Dunkelfeld, das doch durch diese Studie ans Licht kommen sollte, weiterhin in weiten Teilen ein Dunkelfeld bleibt.
Eine Zusicherung, mit weiterem Geld und mehr Zeit diese schweren Versäumnisse aufholen und aufklären zu wollen, blieb gestern aus. Es stünde beiden großen Kirchen gut an, einen Teil ihrer Kirchensteuermittel in den Aufbau einer wirklich unabhängigen Aufklärungskommission fließen zu lassen, mit staatlich abgesicherten, weitreichenden Kompetenzen und gern auch mitfinanziert von Vereinen, Verbänden und Firmen.
Denn Missbrauch gibt es überall. Im Rahmen der Institution Kirche ist er indes besonders perfide und verletzend, weil hier das Versprechen von Glaube, Hoffnung und Liebe gebrochen wird.
Die Evangelische Kirche lebt vom Selbstbild der sich stets immer wieder reformierenden Glaubensgemeinschaft. Es ist an der Zeit.