Essen. Eine Berliner Unternehmensberatung erklärt, wie man wirksam für längere Laufzeiten wirbt - mit lancierten Zeitungsartikeln und Blog-Einträgen soll Atomkraft als umweltfreundlich verkauft werden. Der Stromkonzern E.on bestreitet, das Konzept in Auftrag gegeben zu haben. Die Grünen sind sauer.

Für kurze Zeit sah es im vergangenen Jahr so aus, als könnten Kernkraftbefürworter die Meinungsführerschaft gewinnen. Hohe Energiepreise und die dramatische Warnung vor einer drohenden Versorgungslücke durch den Atomausstieg verschoben die öffentliche Meinung hin zur Kernenergie. Nach dem Desaster im Versuchsendlager Asse und Pannen in deutschen Atommeilern haben die Kernkraftkritiker - allen voran Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) - die Argumentationshoheit zurückerobert.

Die Atomkonzerne halten sich dieser Tage indes auffallend zurück. Bizarre PR-Kampagnen wie die, in der Atomkraftwerke als „ungeliebte Klimaschützer” bejubelt wurden, gibt es aktuell nicht. Es mag Zufall sein, aber mit dieser Strategie folgt die Branche exakt den Empfehlungen einer Berliner Unternehmensberatung für Politik- und Krisenmanagement namens PRGS, die im November 2008 für E.on ein „Kommunikationskonzept Kernenergie” vorgelegt hat.

Das Ziel des Konzeptes, das der NRZ vorliegt: „Die politisch-öffentliche Debatte um die Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke positiv zu beeinflussen.” Insbesondere, die „gegenüber der Kernenergie untentschlossenen Bevölkerungsteile überzeugen”.

Ein Lehrstück für Lobbyarbeit

Wie dieses Ziel erreicht werden soll, liest sich wie ein Lehrstück für Lobbyarbeit: Das Thema sei emotional besetzt, die politischen Fronten verhärtet, auch weil der Wirtschaftsflügel der SPD zurzeit geschwächt sei. Auf längere Sicht sollten „die Möglichkeiten für eine kooperative Haltung in der SPD” zwar ausgelotet werden, im Wahlkampf sei aber lautes Trommeln für die Verlängerung von Laufzeiten seitens der Konzerne nicht ratsam. Das mobilisiere „die Gegner” nur unnötig.

Stattdessen empfehlen die PR-Profis die argumentative Aufrüstung von Kernkraftbefürwortern in Union und FDP um deren „energiepolitisches Weltbild” zu bekräftigen und die unterschwellige Werbung der Unentschlossenen, etwa über lancierte Zeitungsartikel oder die Einspeisung kernkraftfreundlicher Argumente in wichtige Internet-Blogs.

E.on: „Wir haben das nicht beauftragt”

Die „vertrauensbildende” Kernbotschaft die dort vermittelt werden soll: Atomkraft ist umweltfreundlich, elementar wichtig für die Versorgungssicherheit und auf gar keinen Fall eine Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien. Und: Kernkraft verringere die Importabhängigkeit, etwa von russischem Gas. Es böte sich an, „die Ängste vor einer russischen Dominanz zu nutzen”, schlagen die PR-Experten vor.

Nun behaupten E.on wie auch PRGS, dass das Konzept lediglich ein Akquise-Gutachten gewesen sei. „Wir haben das weder beauftragt, noch bezahlt”, so ein Sprecher des Energie-Konzerns, „das wurde unaufgefordert an uns herangetragen”.

Gleichwohl sind die Grünen erzürnt: „E.on und andere Atomkonzerne müssen jetzt die Karten auf den Tisch legen, ob sie heimlich versuchen, öffentliche Meinung zu manipulieren”, fordert Fraktionsvize Bärbel Höhn. Falls es verdeckte Blogger im Auftrag von Energiekonzernen gebe oder gezielt Falschinformationen gestreut worden wären, wäre das eine „grobe Verletzung von demokratischen Spielregeln”, sagte sie der NRZ.